Geflüchtete in Großbritannien: Angst vor dem Tunnel unterm Kanal
Das Vereinigte Königreich ist beliebt bei Flüchtlingen, schon wegen der Sprache. Umgekehrt sieht es allerdings anders aus.
Seine Regierung lehnt eine Quotenregelung ab. Das würde nur noch mehr Menschen ermutigen, sich auf den Weg zur Insel zu machen, heißt es. Deshalb will Großbritannien bei keinem verbindlichen System der Umsiedlung mitmachen. Im Gegenteil: Man setzt auf Abschreckung, indem die Leistungen für Asylbewerber gekürzt und die Aufnahmebedingungen verschärft werden. Nach der Sommerpause soll ein neues Einwanderungsgesetz verabschiedet werden. Vermutlich wird das automatische Recht auf Unterstützung abgeschafft.
Warum riskieren Flüchtlinge ihr Leben, um in ein Land zu gelangen, wo sie nicht willkommen sind? Zum einen ist die Arbeitslosigkeit mit 5,4 Prozent deutlich niedriger als in Südeuropa. Zum anderen werden mehr Asylanträge als in anderen Ländern bewilligt, nämlich 41 Prozent – wenn es die Menschen überhaupt ins Land schaffen. Am wichtigsten ist aber die Sprache: Die Mehrheit der Flüchtlinge spricht englisch. Die meisten kommen aus Eritrea, Pakistan, Syrien und dem Iran sowie aus Albanien, dem Sudan, Sri Lanka und Afghanistan.
Sie dürfen nicht arbeiten, bekommen aber Wohnraum gestellt. Die Gegend dürfen sie sich freilich nicht aussuchen. Meistens werden sie in Sozialbauwohnungen untergebracht, in die kein Brite ziehen will. Sie erhalten 5,28 Pfund am Tag – ohne Erhöhung seit 2011.
2014 erhielten 31.265 Menschen Asyl in Großbritannien. Auf 10.000 Einwohner kommen also gerade mal 4,9 Flüchtlinge. Im ersten Vierteljahr 2015 kamen 7.335 hinzu. Das sind vier Prozent aller Asylanträge, die in der EU gestellt wurden. Nach einem Quotensystem müsste Großbritannien eigentlich 78.251 Menschen aufnehmen.
Cameron sitzt die reaktionäre United Kingdom Independence Party (Ukip) im Nacken und der rechte Flügel seiner eigenen Partei. Teile der Medien schüren das Misstrauen gegenüber Migranten. Die Sunday Times hatte bereits 1882 gewarnt, dass nach dem Bau eines Kanaltunnels „Nihilisten und Internationalisten“ ins Land einfallen würden. Vielen Politikern wäre es inzwischen am liebsten, wenn der Tunnel zugemauert würde.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
Demokratie unter Beschuss
Dialektik des Widerstandes