Studie zu Rassismus und Antisemitismus in Niedersachsen: Jeder siebte Niedersachse ist rechtsextrem
In Niedersachsen findet jeder fünfte Deutsche Türken „als Nachbarn unangenehm“, jeder Dritte aus der Ex-Sowjetunion will keine homosexuellen Nachbarn.
Fast acht Prozent wollen Ausländern „jede politische Betätigung untersagen“, und für knapp sechs Prozent sind MigrantInnen pauschal „kriminell“. Jeder 20. findet sogar, Ausländer sollten nur untereinander heiraten dürfen.
Dabei sind die KFN-Ergebnisse durchaus repräsentativ: Per Post hat das renommierte Institut 10.000 zufällig ausgewählte Menschen zunächst angeschrieben, ihnen danach einen 20-seitigen Fragebogen zugeschickt. Geantwortet haben knapp 6.000 – was auch an einem Fünf-Euro-Schein gelegen haben mag, der als Dank für die Teilnahme beilag.
Erschreckend ist dabei besonders die pauschale Abwertung bestimmter Minderheiten – der Bielefelder Soziologe Wilhelm Heitmeyer prägte dafür den Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. So lehnen in der KFN-Befragung 19,5 Prozent der ethnischen Deutschen „Türken als Nachbarn“ als „eher unangenehm“ ab; 8,5 Prozent wollen lieber nicht neben Homosexuellen wohnen.
Ethnische Deutsche hegen wie MigrantInnen massive Ressentiments gegen andere.
„Als Nachbarn eher unangenehm“ sind Türken 19,5 Prozent der Deutschen, 22,8 Prozent der Migranten aus Polen und 23,4 Prozent der Menschen aus der ehemaligen Sowjetunion.
Nicht neben Deutschen leben wollen dagegen nur 1,4 Prozent der Menschen mit türkischen Wurzeln, 1,8 Prozent der einstigen Sowjetbürger – und 2 Prozent der Deutschen selbst.
Allerdings ist diese Haltung nicht auf Deutsche beschränkt: Als besonders homophob zeigten sich in Niedersachsen lebende MigrantInnen aus der ehemaligen Sowjetunion und der Türkei. Von ihnen stufen mehr als ein Drittel Schwule und Lesben als „unangenehme“ Nachbarn ein (siehe Kasten).
Deutlich messbar ist auch der Antisemitismus unter den Niedersachsen: So wollen knapp sechs Prozent der deutschstämmigen, knapp neun Prozent der aus Polen stammenden MigrantInnen und mehr als zwölf Prozent der Menschen mit türkischen Wurzeln keine Juden in der Nachbarschaft.
Insgesamt seien diese Zahlen im bundesweiten Vergleich aber nicht außergewöhnlich, sagt der stellvertretende KFN-Direktor Dirk Baier, der die Studie geleitet hat: „In bisherigen Studien äußerten durchschnittlich etwa 20 Prozent der Befragten rechtsextreme Ansichten“, so der Diplom-Soziologe zur taz. Niedersachsen scheine damit etwas weniger ausländerfeindlich als der Rest der Republik, hofft Baier: „Positiv könnte man auch formulieren, dass 85 Prozent der Niedersachsen nicht ausländerfeindlich eingestellt sind.“
Besonders aufgeklärt zeigen sich dabei Menschen aus Nord- und Westeuropa: Antisemiten waren unter ihnen nicht auszumachen. Die Ablehnung anderer Bevölkerungsgruppen ist bei ihnen deutlich geringer als bei Deutschen oder Migranten aus der Türkei, aus Polen oder der ehemaligen Sowjetunion.
Mit 19,3 Prozent der Befragten geben sich dagegen besonders junge Deutsche im Alter von 16 bis 20 ausländerfeindlich – und mit 21,1 Prozent auch Alte mit 81 Jahren und mehr. „Jugendliche formulieren radikaler; wollen rebellieren“, sagt der Soziologe Baier dazu. Allerdings seien Jugendliche auch überdurchschnittlich oft Opfer von Gewalttaten, die wiederum überdurchschnittlich oft von männlichen Migranten verübt würden, so der stellvertretende KFN-Direktor.
Bei den Alten fehle oft jeder persönliche Kontakt zu Migranten; stattdessen werde ein von den Medien überzeichnetes Bild von besonders hoher Ausländerkriminalität übernommen.
Damit deckt sich die falsche Wahrnehmung, die Zahl der Straftaten nehme sprunghaft zu. Nur jeder zehnte Niedersachse weiß, dass die Zahl fast aller Delikte seit 2005 kontinuierlich sinkt. So erfasste die Polizeistatistik 2014 rund 15 Prozent weniger Fälle von schwerer Körperverletzung oder Sachbeschädigung – dagegen stieg die Zahl der Wohnungseinbrüche um 35 Prozent. Erstmals ermittelt habe das KFN aber auch „teilweise dramatisch hohe Dunkelziffern“, sagt Baier: Nach seiner Untersuchung werden rund 60 Prozent der Fälle schwerer Körperverletzung oder sexueller Gewalt niemals angezeigt.
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