Die Wahrheit: „Ich habe ein Blasrohr!“
Das royale Wahrheit-Interview: Ralf Sotscheck, Irland-Korrespondent der taz, über seine Nachbarin, die Queen, die er ständig im Visier hat.
Zur Überraschung seiner eigenen Familie ist der anglophobe Irland-Korrespondent der taz, Ralf Sotscheck, vor Kurzem von Dublin nach London umgezogen. Dort haust er seit Anfang Juni gemeinsam mit dem Adelsexperten Rolf Seelmann-Eggebert in einer Zweizimmerwohnung unmittelbar neben dem Buckingham-Palast und wartet ungeduldig auf die Fernsehteams, die ihn nach einem Attentat auf die Queen befragen werden, wie es gewesen sei, ein Nachbar der Queen zu sein. Und seit ein Film aufgetaucht ist, der die junge Elizabeth mit Hitlergruß zeigt, verdichten sich die Pläne der beiden erfahrenen Palastbeobachter.
taz: Herr Sotscheck, was macht Sie so sicher, dass demnächst ein Attentat auf die Queen verübt wird?
Ralf Sotscheck: No comment. Ein Journalist, der seine Quellen preisgibt, ist ein toter Journalist. Ich möchte einfach nur gefragt werden, ob dieser Anschlag auf unsere prominente Nachbarin mich betroffen macht und wie ich mit ihr ausgekommen bin.
Haben Sie denn Kontakt zur Queen?
Bislang nur manchmal Sichtkontakt. Aber als Untermieter von Rolf Seelmann-Eggebert habe ich natürlich tiefere Einblicke in das Königshaus als Otto Normalverbraucher. Der Rolf geht da ja praktisch ein und aus.
Für Leute Ihres Alters ist es ja schon etwas ungewöhnlich, in einer Männer-WG zusammenzuleben. Wer macht den Abwasch?
Da wechseln wir uns ab. Genauso wie am Zielfernrohr.
Was soll das heißen?
Mal ziele ich, mal zielt der Rolf.
Und worauf?
Na, auf die Queen natürlich. Was dachten Sie?
Wollen Sie Fotos von ihr schießen?
Nein. Wenn wir schießen, dann mit scharfer Munition. Ich habe sechs Monate in einem Ausbildungslager der IRA verbracht, junger Mann, und da wurden keine Bilder geknipst.
Irgendwie höre ich aus Ihren Äußerungen heraus, dass Sie etwas gegen das britische Empire haben.
Das ist Ihre Interpretation. Ich wohne jetzt zufällig in der unmittelbaren Nachbarschaft der Queen, und es wäre weder mir noch Rolf Seelmann-Eggebert unlieb, nach einem Attentat auf die Queen von Reportern gefragt zu werden, wie es so gewesen sei, neben der Queen zu wohnen.
Das könnte man Sie ja auch heute schon fragen.
Dann fragen Sie doch mal!
Wie ist es so, neben der Queen zu wohnen?
Im Grunde nicht anders als in der Zeit, in der ich neben Peter Maffay gewohnt habe. Nur gefährlicher. Zumindest für die Queen.
Treffen Sie sich mal beim Einkaufen?
Eher selten.
Oder bei einer Mieterinitiative?
Nächste Frage.
Gibt es einen gemeinsamen Treppenhausdienst?
Sie verkennen die Lage. Wir, also der Rolf und ich, wohnen in einem ganz anderen Haus als die Queen.
Wie groß ist denn die Entfernung?
Knapp zwei Kilometer. Das entspricht ungefähr einer englischen Seemeile.
Und diese enorme Strecke können Sie als Attentäter mit ihren Schusswaffen überbrücken?
Schön wär’s. Uns steht bis heute nur ein Blasrohr zur Verfügung. Kennen Sie jemanden, der uns unter der Hand eine Pumpgun verkaufen könnte?
Nein.
Schade.
Ihren Mitbewohner und Obermieter Rolf Seelmann-Eggebert kannte man bis zur Stunde nur als loyalen Hofberichterstatter. Wie haben Sie ihn dazu bewegt, die Fronten zu wechseln?
Da ist das Seelchen von ganz allein drauf gekommen. Es muss ja für einen Top-Journalisten auch mal was anderes geben als die ewige Celebrity-Scheiße. Aber ich kann mir vorstellen, dass es etwas mit dem Hitlergruß-Filmchen zu tun hat, das die Sun kürzlich veröffentlicht hat.
Wann werden Sie zur Tat schreiten?
Wir müssen uns erst einmal besser ausrüsten. Dann sehen wir weiter.
Viel Erfolg! Ralf Sotscheck, wir danken Ihnen für das Gespräch.
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