Debatte Saudi-Arabien und der Iran: Riads Albtraum
Nachdem sich die USA dem Iran angenähert haben, fürchtet das benachbarte Saudi-Arabien die Konkurrenz einer neuen Regionalmacht.
Der saudische König Salman war einer der Ersten, die US-Präsident Barack Obama nach dem erfolgreichen Abschluss der Wiener Atomverhandlungen mit dem Iran noch von Bord der Präsidentenmaschine aus anrief.
Die Reaktion des Königs jedoch war eher reserviert. Man hoffe, dass der Iran sich in der Region nicht weiter einmische, hieß es. Und ein Sprecher des Königshauses ließ wenig später wissen: Da der Iran nun einmal ein Nachbar sei, hoffe sein Land, die Beziehungen in allen Bereichen auf der Basis guter Nachbarschaft zu verbessern.
Dies sieht nicht wie der Beginn einer entspannten Beziehung zwischen den beiden Ländern aus. Zumal die belastet ist durch die Detonationen saudischer Luftangriffe im Jemen, von fieberhaften – aber bisher erfolglosen – Bemühungen Riads und Ankaras, in Syrien eine islamistische Opposition gegen das Assad-Regime aufzubauen, die nicht mit den Milizen des „Islamischen Staates“ kooperiert, und schließlich dem Versuch Riads, sich mit der Hamas zu versöhnen. Zum ersten Mal seit Jahren wurde der palästinensische Hamas-Chef Chaled Meschal vom saudischen Königshaus empfangen, obwohl dieses spätestens seit der Machtübernahme des Militärs in Ägypten die Muslimbruderschaft ablehnt und verurteilt – und also auch die aus ihr hervorgegangene Hamas.
Es ist recht blauäugig, da von der Hoffnung auf gute nachbarschaftliche Beziehungen zu sprechen: Die saudischen Angriffe im Jemen werden in Riad mit der iranischen Unterstützung für die schiitischen Huthi-Rebellen begründet, das Assad-Regime ist seit vielen Jahren mit dem Iran liiert und deswegen den Saudis ein Dorn im Auge, und die Hamas erfreut sich – obwohl selbst sunnitisch – der Unterstützung durch die Schiiten in Teheran.
Schiiten als Ketzer verachtet
Natürlich gibt es auch noch andere Gründe für die Feindseligkeiten zwischen Riad und Teheran, aber es geht doch jedes Mal auch um den Zwist zwischen Schiiten und Sunniten – vor allem in der ultrakonservativen Form des saudischen Wahhabismus. Dieser erkennt die Schiiten nicht einmal als Muslime an, sondern bezeichnet sie als Ketzer.
Dasselbe tut der selbsternannte „Islamische Staat“, zu dem Riad freilich jede Verbindung leugnet. Das Königshaus lässt die wahhabitischen Führer gewähren, weil es sich so die Unterstützung durch die Bevölkerung sichert. Und es sind die wiederkehrenden Verdächtigungen und Anfeindungen gegen den Iran, die diese Bevölkerung hinter dem Königshaus sammeln und gegen die schiitischen „Ungläubigen“ aufbringen sollen.
Der Hauptverdacht ist dabei: Der Iran wolle seinen Einfluss im Nahen und Mittleren Osten ausweiten und unter den Mullahs verwirklichen, wovon der Schah einst geträumt hatte, nämlich die regionale Großmacht zu werden.
Und nun quält dieser Albtraum Riad, und es ist auch nicht abwegig zu vermuten, dass der Atomstreit zwischen Teheran und – vor allem – dem Westen den Saudis ganz recht war. Der Widersacher auf der Ostseite des Persischen Golfes wurde nicht mehr nur noch von George W. Bush als Teil der „Achse des Bösen“ bezeichnet und behandelt. Und die Sanktionen gegen Teheran hinderten den Iran am Export von Öl und selbst am Zugriff auf Ölgelder auf ausländischen Konten.
Verhandlungen als Verrat
Riad erwies sich im Gegenzug als zuverlässiger Öllieferant, der sogar darauf verzichtete, den Wegfall des iranischen Konkurrenten für Preissteigerungen auszunutzen. Umso härter traf es die Führung in Riad, als nach der Wahl von Hassan Rohani zum iranischen Präsidenten 2013 die bis dahin stagnierenden Verhandlungen über das Atomprogramm an Bedeutung gewannen. Dass die USA nach Jahrzehnten der Feindschaft nun mit dem Iran verhandelten, erschien den Saudis geradezu als Verrat: Washington war nicht bereit, ihr bisheriges Wohlverhalten zu honorieren. Riad zog also Konsequenzen.
König Salman hatte, als er die Nachfolge des Anfang des Jahres verstorbenen Königs Abdullah angetreten hatte, zwar verkündet, er werde dessen Linie fortsetzen. Er hielt sich jedoch nicht daran.
Die Rolle Saudi-Arabiens im Jemen, in Syrien und gegenüber der Hamas veränderte sich, und es wurde immer deutlicher, dass Riad seinen Führungsanspruch in der Region entschlossener durchzusetzen begann. Wobei das Königshaus geflissentlich darüber hinwegsah, dass es sich nun selbst massiv in die internen Angelegenheiten der Staaten der Region einmischte und ebendieser eigene Vorwurf gegenüber dem Iran dadurch entkräftet wurde.
Ein Vorwurf, der ohnehin nie logisch begründbar war, denn die Einflussmöglichkeiten des schiitischen Iran sind in der überwiegend sunnitischen Region nun einmal begrenzt. Und auch der Traum vom Export der „Islamischen Revolution“ ist nur begrenzt realisierbar.
Teheran reagiert auf Riad
Auf den neuen Kurs Riads reagierte Teheran zunächst mit Hohn, etwa auf die Ernennung des kaum 30-jährigen Königssohns Prinz Mohammed bin Salman zum Verteidigungsminister und damit zum Verantwortlichen für die Angriffe im Jemen.
Der „Oberste Führer“ des Iran, Ajatollah Chamenei, mokierte sich, in Saudi-Arabien hätten „unerfahrene Jünglinge die Staatsgeschäfte übernommen und ersetzen nun Würde mit Barbarei“.
Obgleich eine Polemik, könnte diese Aussage doch verdeutlichen, dass Saudi-Arabien sich verrannt hat und der Krieg im Jemen im Iran als sinn- und wirkungslose Einmischung wahrgenommen wird. Auch das Königshaus treibt die Konfrontation mit dem Iran zumindest verbal voran und gesteht ein, dass es kaum etwas mehr fürchtet als die neue Rolle des Iran, die sich aus dem Atomabkommen ergeben könnte. Die Rolle nämlich einer ernst zu nehmenden Macht, mit der die Welt einmal wird rechnen müssen, wenn es darum geht, Krisen in der Region zu begegnen.
Zugegeben: Bis dahin dürfte es noch ein recht weiter Weg sein, aber die ersten Schritte sind bereits getan. In Teheran wie in Riad. Besonders aber in Washington, wo es um mehr als nur die Krönung der Amtszeit Obamas geht, nämlich um den überfälligen Kurswechsel gegenüber Teheran.
Der Iran auf der anderen Seite tut sich noch schwer damit, dem Atomabkommen eine Öffnung gegenüber Washington – und nicht nur geldgierigen Geschäftemachern aus aller Welt – folgen zu lassen.
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