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Integration nur, wenn sie nichts kostet

Angesichts der Unruhen von Einwanderern in Frankreich fragen sich deutsche Politiker, wie Ähnliches hierzulande verhindert werden kann. Union und SPD finden zwar, dass Angebote wie Sprachkurse schön wären. Allerdings sei dafür leider kein Geld da

AUS BERLIN LUKAS WALLRAFF

Kann so etwas auch bei uns passieren? Angesichts der anhaltenden Unruhen in Frankreich fühlen sich zahlreiche Politiker von Union und SPD veranlasst, sorgenvolle Mienen aufzusetzen und davor zu warnen, dass es in Deutschland zu ähnlich gewalttätigen Ausschreitungen kommen könnte. „Wir leben nicht auf einer Insel der Seligen“, betonte der innenpolitische Sprecher der SPD, Dieter Wiefelspütz. Der brandenburgische Innenminister Jörg Schönbohm (CDU) sagte der Neuen Osnabrücker Zeitung, es sei unübersehbar, dass es „auch in Deutschland Entwicklungen in Richtung Gettoisierung“ gebe, „weil wir die Integration lange Zeit nicht ernst genug genommen haben“.

Das zumindest soll sich nun ändern. Beide Volksparteien kündigten an, die Anstrengungen um eine bessere Integration von Migranten zu verstärken. Nur wie? Bei den Koalitionsverhandlungen der Innenpolitiker habe man sich bereits darauf verständigt, dass die Integration als Querschnittsaufgabe betrachtet werden müsse, berichtete Wiefelspütz stolz der Welt am Sonntag. Auch dem designierten Innenminister Wolfgang Schäuble (CDU) sei das sehr wichtig – „und er hat dabei meine volle Unterstützung“. Aller Voraussicht nach wird es jedoch bei rhetorischen Absichtserklärungen bleiben. Gegenüber der taz räumten sowohl Wiefelspütz als auch Unions-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach ein, dass eine zusätzliche Förderung von Sprachkursen oder anderen Eingliederungshilfen in der Vereinbarung nicht vorgesehen sei. „Wir machen keine geldwerten Versprechungen“, stellte Wiefelspütz klar. „Haushaltswirksame Maßnahmen“ seien momentan „nicht durchsetzbar“, sagte Wiefelspütz. „Wir dürfen ja kein Geld mehr ausgeben“, erklärte der CDU-Verhandlungsführer Bosbach zur Begründung. Dies könne man nur bedauern, denn eigentlich gebe es „eine verstärkte Nachfrage“ nach Sprachkursen „insbesondere von Ausländern, die schon länger in Deutschland leben“. Bosbach nannte es „fast schon tragisch“, dass selbst diejenigen, die sich aktiv um Integration bemühen, „offenbar nicht ausreichend gefördert werden können“. Einen gesetzlichen Anspruch auf Sprachkurse haben laut Zuwanderungsgesetz nur Neueinwanderer. Allen anderen kann Bosbach nur in Aussicht stellen, die Genehmigung von Sprachkursen „so weit es geht, zu entbürokratisieren“. Außerdem wolle man „nach einem Jahr“ die Gesamtwirkung des Gesetzes „überprüfen“.

Für gänzlich illusorisch halten Union und SPD die Forderung der Grünen nach einem Kindergartenpflichtjahr, um den Spracherwerb von Migrantenkindern so früh wie möglich zu fördern. „Ich weiß gar nicht, was das kosten würde“, sagte Bosbach. Im Übrigen seien Kindergärten „Ländersache“. Eine Finanzspritze des Bundes wie beim Ganztagsschulprogramm komme nicht in Frage – und das, obwohl sich im Grunde alle Parteien längst einig sind, dass Kinder, die zu Hause fremdsprachlich aufwachsen, besonders gefördert werden müssten. „Gleiche Bildungs- und Berufschancen für Migrantenkinder sind Voraussetzung jeder gelingenden Integration“ – diesen Satz des Grünen Volker Beck könnten sie nur unterschreiben, erklärten Wiefelspütz und Bosbach unisono – doch mehr als Appelle zum Kindergartenbesuch seien im Moment, leider, halt nicht drin.

Nichts kosten würde die Einführung eines kommunalen Wahlrechts für Nicht-EU-Ausländer. Die SPD findet, dies könnte die Integration unterstützen. Doch die Union werde „mit Sicherheit nicht zustimmen“, erklärte Bosbach kategorisch.

Schnell einig wurden sich die Innenpolitiker der großen Koalition dagegen bei eher repressiven Maßnahmen. So wurde die Einrichtung einer Antiterrordatei ebenso reibungslos vereinbart wie das Vorhaben, die „Rückführung ausreisepflichtiger Ausländer“ zu „verbessern“, sprich: strenger zu handhaben.

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