Nach dem EuGH-Urteil: Hohe Hürden für Elbvertiefung
Die Umweltverbände BUND, Nabu und WWF sind optimistisch, Hamburgs Baggerpläne zu verhindern. Europa-Gerichtshof habe den Gewässerschutz gestärkt.
HAMBURG taz | Im Bündnis Lebendige Tideelbe herrscht richtig gute Stimmung. „Die Hürden für die Elbvertiefung sind deutlich gestiegen“, erklärten VertreterInnen des Naturschutzbundes (Nabu), des BUND und der Umweltstiftung WWF, die in diesem Bündnis zusammenarbeiten. Nach dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) am Mittwoch über die verbindliche Interpretation der EU-Wasserrechtsrahmenrichtlinie prophezeien sie, dass die Ausbaggerung des Flusses „ohne grundlegende Nachbesserungen keine Chance“ mehr habe.
Nach dem Richterspruch aus Luxemburg muss die Richtlinie künftig „verbindlich angewendet werden“, sagt Manfred Braasch, Geschäftsführer des Hamburger BUND. Zudem habe das Gericht aus dem „Verbesserungsgebot“ der Richtlinie eine „Verbesserungspflicht“ gemacht, aus einer Soll- also eine Muss-Bestimmung: „Das stärkt den Gewässerschutz in ganz Europa.“
Der EuGH hatte auf Bitten des Bundesverwaltungsgerichts eine für alle EU-Gerichte bindende Auslegung der Wasserrechtsrahmenrichtlinie vorgenommen. Demnach sei der Gewässerschutz bei jedem Einzelprojekt verbindlich und „nicht nur eine allgemeine politische Zielvorgabe“. Ausnahmen „im übergeordneten öffentlichen Interesse“ seien nur möglich, wenn „alle praktikablen Vorkehrungen getroffen wurden, um negative Auswirkungen zu mindern“.
Erstmal auf Eis gelegt
Die Fahrrinne der Unterelbe soll auf 120 Kilometer Länge zwischen Hamburg und der Nordsee ausgebaggert werden.
Das Projekt: Containerfrachter mit einem Tiefgang von 13,5 Metern sollen künftig den Hafen jederzeit anlaufen können, tideabhängig – also bei auflaufendem Wasser – auch bis 14,5 Meter.
Kosten I: Ein Drittel trägt Hamburg, zwei Drittel der gut 600 Millionen Euro Gesamtkosten übernimmt der Bund.
Kosten II: Rund 160 Millionen Euro muss Hamburg zahlen für weitere Maßnahmen zum Naturschutz und zur Deichsicherung an der Unterelbe. Nach dem EuGH-Urteil drohen weitere Maßnahmen und Kosten.
Unterm Strich: Zusammen macht das aktuell etwa 770 Millionen Euro – fast genauso viel wie für die Elbphilharmonie.
Auf dieser Grundlage müssen nun die Leipziger Bundesrichter über die Vertiefung der Außenweser und anschließend der Unterelbe (siehe Kasten) entscheiden. Beide Projekte unterliegen bis dahin einem Baustopp. Und der werde wohl kaum aufgehoben werden, sagt der Nabu-Vorsitzende Alexander Porschke voraus: „Nach diesem Urteil des EuGH müsste das Bundesverwaltungsgericht die Planungen als rechtswidrig verwerfen.“
Denn die Luxemburger Richter haben klargestellt, dass die Verschlechterung auch nur einer von mehreren biologischen Qualitätskomponenten, nach denen Gewässer in Güteklassen eingeteilt werden, zur Unzulässigkeit der gesamten Maßnahme führe – es sei denn, sie werde so wirksam ausgeglichen, dass insgesamt eine Verbesserung erreicht wird. Eben daran aber kranken die Baggerpläne, erläuterte Beatrice Claus vom WWF.
Um sinkendem Sauerstoffgehalt im Wasser zu begegnen, könnten umfangreiche Flachwasserzonen eingerichtet werden. „Das aber erfordert Platz, den es an der Unterelbe nicht in ausreichendem Maße gibt“, so Claus. Und von Deichrückverlegungen, um neue Tidewasserbiotope zu schaffen, sei in den Planungen keine Rede. Und zuletzt müssten die Maßnahmen passgenau sein: „Man kann Verschlechterungen für Fische nicht mit einem neuen Vogelschutzgebiet ausgleichen.“ Porschke bezweifelt, dass diese Hürden von den Planungsbehörden zu überwinden sind: „Sie haben die Rich tlinie zu lange nicht ernst genommen, das fällt ihnen jetzt auf die Füße.“
Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) kündigte eine Überprüfung der Pläne an. „Falls unsere bisherigen Unterlagen nach der EuGH Entscheidung nicht ohnehin schon ausreichen, werden sie überarbeitet und angepasst.“ Er sei aber überzeugt, dass gute Gründe für eine Ausnahmeentscheidung bestehen. „Am öffentlichen Interesse am Fahrrinnenausbau hat ja weder die EU-Kommission noch das Bundesverwaltungsgericht jemals irgendeinen Zweifel gelassen.“
Porschke, von 1997 bis 2001 selbst grüner Umweltsenator, fordert nun von seinem seit Mai amtierenden grünen Nachfolger Jens Kerstan, sich einzuschalten. „Die Umweltbelange müssen jetzt in den Planungen stärker eingebracht werden, als das unter früheren Senaten erwünscht war.“
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