Undercover-Einsatz in Hamburg: „Iris“ ergreift die Flucht nach vorn
Nun ist klar: Der Einsatz der verdeckten Ermittlerin „Iris Schneider“ in linker Szene war von Polizei gesteuert. Anderes bleibt ungewiss.
Vor der polizeiinternen Ermittlungsgruppe von Hamburgs Polizeipräsidenten Ralf Meyer hat Iris P. nun angegeben, alle wesentlichen Angaben des autonomen Zentrums „Rote Flora“ und des linken Radios „Freies Sender Kombinat“ (FSK) nach ihrer Enttarnung 2014 treffen zu. Das geht aus einer parlamentarischen Anfrage der Linkspartei hervor.
In der „Flora“ und beim FSK war Iris P. in ihren sechs Jahren als „verdeckte Ermittlerin“ (VE) hauptsächlich eingesetzt. Ihr gesamtes Vorgehen und alle Aktionen, beteuert die Polizistin, auch der häufige freundschaftliche Besuch von Privatwohnungen, seien mit ihren „VE-Führern“ des Staatsschutzes beim Hamburger Landeskriminalamt abgesprochen gewesen. Über ihre Liebesbeziehungen in der queer-feministischen Szene schweigt P. indes weiter.
Mit ihren Angaben widerspricht die Undercover-Agentin der bisherigen Version der heutigen Polizeiführung, dass sich „Iris Schneider“ damals ohne Auftrag und Wissen der leitenden „VE-Führer“ im Radio FSK engagiert habe. Noch im Januar hatte Polizeipräsident Meyer in der letzten Innenausschusssitzung vor der Bürgerschaftswahl behauptet, „Berufsgeheimnisträger und das FSK waren nicht das Ziel ihres Einsatzes“. Das Engagement als Moderatorin und Reporterin bei den FSK-Sendungen „Revolte Radio“ und „Magazin für subversive Unternehmungen“ oder Auftritte bei Demonstrationen hätten der Beamtin nur zur „Aufrechterhaltung ihrer Legende“ gedient. Sonst, so Meyer, habe sie „Zurückhaltung geübt“.
„Iris-Schneider“-Akten bleiben unter Verschluss
Die nun vorliegende Bestätigung, dass „VE-Führer“ eben doch in Ps. Handeln eingebunden waren, stößt bei den Linken und Grünen in der Bürgerschaft auf keine Überraschung. Die grüne Innenpolitikerin Antje Möller begrüßt daher die Ankündigung von Innensenator Michael Neumann (SPD), dem neuen Sachverhalt durch die nochmalige Vernehmung der „VE-Führer“ weiter aufhellen zu wollen. Die Staatsschutzleute konnten sich bislang in Befragungen nur sehr vage an den Einsatz erinnern. Auch die Innenexpertin der Linken, Christiane Schneider, erwartet in der heutigen Innenausschusssitzung vom Innensenator und Polizeipräsidenten weitere Details über die Angaben von Iris P.
Ungeachtet dessen halten Grüne und Linkspartei weiter an der Forderung nach einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss fest. Denn Iris P. war mindestens seit April 2001 verdeckt als Aufklärerin des LKA-Hamburg in der linken Szene tätig, ab Oktober 2001 arbeitete sie parallel auch als Ermittlerin für das Bundeskriminalamt und ab 2004 für das LKA-Schleswig-Holstein – beides im Auftrag des Generalbundesanwalts Kay Nehm.
Während in Hamburg angeblich fast alle Daten über den Undercover-Einsatz gelöscht sind, verweigern das LKA Kiel und das BKA die Herausgabe von „Iris Schneider“-Akten. Wichtig ist vor allem die Frage, ob das Eindringen als verdeckte Ermittlerin in Privatwohnungen durch richterlichen Beschluss des Bundesgerichtshofs gedeckt war – oder ob Iris P. dies in der Funktion als Aufklärerin für das LKA Hamburg gemacht hat. Letzteres wäre rechtswidrig gewesen.
Fester Bestandteil des FSK-Magazins
Dass die offizielle Polizeiversion nicht mehr haltbar war, ist auch einer detaillierten Dokumentation der Macherinnen des queer-feministischen FSK-Magazins „Re(h)v(v)o(l)lte Radio“ zu verdanken. Iris P. sei „nicht nur als Moderatorin, sondern auch als Produzentin tätig und fester Bestandteil der Redaktion gewesen“, bilanziert das Team.
Sie habe sogar den Namen der 2004 ins Leben gerufenen Sendung entscheidend mitgeprägt. So lautete der Arbeitstitel zunächst: „Steht ein Reh im Wald“. Iris P. sei das zu „naturnah und albern“ gewesen, so das Team. „Ihrer Meinung nach sollte der Name unserer Sendung ‚politischer‘ sein und ‚nach vorne gehen‘.“ Im Sommer produzierte Iris P. als Sprecherin einen FSK-Jingle zum Hamburger Schanzenfest, das zum ersten Mal seit Jahren wieder unangemeldet stattfinden sollte. Untermalt mit Musik aus dem Katastrophenfilm „The Day After Tomorrow“ forderte die Polizistin dazu auf: „Wir nehmen uns den öffentlichen Raum.“
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