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Kommentar Hackerangriff auf BundestagNotwendige Schocktherapie

Ines Pohl
Kommentar von Ines Pohl

Nicht einmal der Bundestag kann seine IT schützen. Aus dieser Erkenntnis können Abgeordnete und auch die Wählerinnen und Wähler nur lernen.

Jetzt macht euch mal Gedanken. Foto: dpa

E s ist gut, dass es Hackern gelungen ist, den Bundestag virtuell einzunehmen. Und es ist wichtig, dass den Cyberkriminellen nicht nur ein kleiner Coup gelungen ist, sondern ein Angriff, dessen Ausmaße niemand abschätzen kann und von dem offensichtlich keiner weiß, wie er zu stoppen ist.

Warum das gut sein soll? Weil sich vielleicht jetzt die gewählten VolksvertreterInnen endlich einmal ernsthaft und konsequent damit beschäftigen, was die digitale Revolution für unser Zusammenleben, für die Struktur und Organisation unserer Gesellschaft bedeutet.

Trotz aller Warnungen sehen viele Abgeordnete in der Digitalisierung weiterhin überwiegend eine Heilsbringerin, die uns Innovation und Wohlstand beschert. Und es ist mit und dank der neuen Techniken auch vieles besser und einfacher geworden. Aber in diesem Rausch der unendlichen Möglichkeiten wird zu wenig diskutiert, ob diese atemberaubenden Dynamiken des digitalen Fortschritts allen zum Nutzen sind oder sich nicht doch nur wieder Großkonzerne daran bereichern.

Wir brauchen eine gesellschaftliche Debatte darüber, was die Kosten dieser Durchdigitalisierung des Lebens sind, was es für unsere Individualität, letztlich für unsere Freiheit und demokratische Verfassung bedeutet. Es ist nämlich noch lange nicht ausgemacht, ob am Ende der digitalen Revolution tatsächlich ein besseres Leben steht.

Staat als Sicherheitsrisiko

Ist es ein Gewinn an Unabhängigkeit und Flexibilität, wenn immer mehr Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit über ihre digitalen Endgeräte erreichbar sind? Ist unsere Welt wirklich sicherer geworden dadurch, dass Bewegungsbilder und Kommunikationsdaten im Namen der Terrorbekämpfung gesammelt und gespeichert werden? Oder wird im Gegenteil der Staat gerade selbst zum Sicherheitsrisiko? Eben weil, wie die Cyberattacke auf den Bundestag belegt, auch staatliche Institutionen inklusive ihrer Geheimdienste sich nie hundertprozentig werden schützen können.

Je länger die PolitikerInnen sich dem Spiel der freien Marktkräfte hingeben, desto größer die Gefahr, dass auch der Bundestag irgendwann feststellt, dass es zu spät ist. Und die Gesellschaft längst in der Hand jener ist, die die ganze Welt beherrschen. Und zwar nicht mit Hilfe von Drohnen, Panzern und Bomben. Sondern über den Zugang zu Milliarden Daten.

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Ines Pohl
Ines Pohl (Jahrgang 1967) war von Juli 2009 bis Juni 2015 Chefredakteurin der taz. Bevor sie als politische Korrespondentin für die Mediengruppe Ippen in Berlin arbeitete, leitete sie das politische Ressort der Hessischen /Niedersächsischen Allgemeinen. 2004/2005 war sie als Stipendiatin der Nieman Foundation for Journalism für ein Jahr an der Harvard University. Im Dezember 2009 wurde ihr der Medienpreis „Newcomerin des Jahres“ vom Medium-Magazin verliehen. Seit 2010 ist Ines Pohl Mitglied im Kuratorium der NGO „Reporter ohne Grenzen“. Außerdem ist sie Herausgeberin der Bücher: " 50 einfache Dinge, die Sie tun können, um die Gesellschaft zu verändern" und "Schluss mit Lobbyismus! 50 einfache Fragen, auf die es nur eine Antwort gibt" (Westend-Verlag)
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6 Kommentare

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  • Is doch wurscht, ob der Bundestag gehackt wird. Letztlich kann es nur der Transparenz dienen.

  • "Ist es ein Gewinn an Unabhängigkeit und Flexibilität, wenn immer mehr Menschen zu jeder Tages- und Nachtzeit über ihre digitalen Endgeräte erreichbar sind?"

     

    Warum? Jedes Handy, jeder PC, jedes Laptop kann jederzeit ausgeschaltet werden. Wer aber sein Telefon noch mit ins Bett nimmt, ist selber schuld.

  • Ich bezweifle, dass die Regierung die richtigen und guten Schlüsse aus der Sache zieht. Der Zeitpunkt, an dem der erste Politiker den Angriff auf den Bundestag als neues Argument für die Vorratsdatenspeicherung einbringt, wird kommen ...

    • @EDL:

      Welche Schlüsse die Regierung zieht, läßt sie sich von den Lobbyisten der Konzerne und Banken sagen.

  • Und dieser Bundestag will heute die Vorratsdatenspeicherung beschließen! Muss man noch mehr über diese Wahnsinnigen sagen?

  • Die Wahrheit ist (fast) immer zu begrüßen. In dem Fall ist die Wahrheit, dass Risiken sich eben nicht dadurch vermeiden lassen, dass man Macht anhäuft. Nicht einmal dann, wenn diese Macht (angeblich) demokratisch legitimiert ist. Die spannende Frage ist nun, ob und wenn ja wie die Regierung auf das Offensichtlichwerden dieser Wahrheit reagiert.

     

    Es sollte mich wundern, würden mir die eventuellen Reaktionen sinnvoll erscheinen. Vermutlich wird es wieder einen gewissen Aktionismus geben, dem eine längere Erschöpfung folgt. In Summe wird alles ungefähr so bleiben wie es war. Schließlich gibt es außer der digitalen noch ein paar andere "Revolutionen", mit denen sich die gewählten Volksvertreter und die Parteivorsitzenden "einmal ernsthaft und konsequent [...] beschäftigen" müssten, bei denen aber auch nicht zu interessieren scheint, was sie "für unser Zusammenleben, für die Struktur und Organisation unserer Gesellschaft" [, unsere Individualität und Freiheit] bedeute[n]".

     

    Es ist wie mit dem Alkohol: Hauptsache Rausch. Der Kater interessiert nicht, so lange noch die Gläser klingen. Und wenn er nachher kratzt und faucht, legen wir uns auf die Couch und jammern. Es wird schon einer kommen, der uns ne Schmerztablette reicht und einen starken Kaffee kocht.

     

    Der "Rausch der unendlichen Möglichkeiten" ist das, was die sogenannten westlichen Gesellschaften am Laufen hält. Dass ausgerechnet die Hersteller der Droge Alkohol die "atemberaubenden Dynamiken", denen sie ihren Wohlstand verdanken, ernsthaft diskutieren, ist nicht zu erwarten. Nichts in unserer angeblich so fortschrittlichen Welt nutzt allen gleichermaßen, nicht mal das Recht, das angeblich für alle gilt. Die Debatte über die Kosten der Kapitalisierung aber findet schlicht nicht statt. Dabei ist längst nicht ausgemacht, dass am Ende der Ideologie vom freien Markt (und der Milliarden in privaten Händen) ein gutes Leben steht. Und sei es auch nur für die richtig Reichen.