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Kommentar PoststreikDie Bürde der Boten

Kommentar von Richard Rother

Verdi nutzt seine Streikmacht, doch es bleibt ein reiner Abwehrkampf. Entscheidend wäre, den Druck auf die Post-Konkurrenz zu erhöhen.

Streikwestenästhetik, diesmal in gelb. Foto: dpa

E s ist so einfach, und es ist zu jeder Tages- und Nachtzeit möglich: Ein paar Klicks am heimischen oder mobilen Rechner – und schon kommen, sofern das nötige Geld verfügbar ist, die bestellten Waren per Paket nach Hause.

Während aber immer mehr Konsumenten zumindest bei einigen Produkten wie Lebensmitteln und Kleidung fragen, zu welchen Bedingungen sie hergestellt werden, so sind ihnen Versand und Auslieferung herzlich egal. Hauptsache schnell.

Insofern ist der Streik bei der Post zu begrüßen, zeigt er doch: Es sind Menschen, die Pakete und Briefe tagtäglich ausliefern. Und: Sie wollen anständig bezahlt werden, weil sie und ihre Familien ein gutes Leben führen wollen.

Das ist in der boomenden und weitgehend deregulierten Branche häufig nicht der Fall: Niedrige Löhne, lange Arbeitszeiten, Befristungen, Scheinselbständigkeiten prägen das Bild. Den Beschäftigten bei der Post geht es dabei noch vergleichsweise gut – aber sie spüren wachsenden Druck. Um hochprofitabel zu sein, will das Unternehmen, an dem der Bund beteiligt ist, die Löhne für Paketzusteller deutlich senken – durch Auslagerungen.

Dass dies die Gewerkschaft Verdi nicht einfach hinnehmen kann, ist verständlich. Sie nutzt ihre Streikmacht im Briefdienst, um beim Paketdienst Leitplanken zu setzen. Dennoch bleibt es ein reiner Abwehrkampf; Verbesserungen sind angesichts der Billigkonkurrenz kaum durchzusetzen. Das wäre entscheidend: Wenn Verdi bei den Post-Konkurrenten und im Versandhandel das Lohndumping beendete, wäre auch der Druck auf die Post-Beschäftigten nicht so groß.

Mag sein, dass die Paketzustellung dadurch ein paar Cent teurer würde. Aber das wäre zumutbar: Wer sich Technik und Infrastruktur für die Internet-Bestellerei leistet, darf auch mal an die Bürde der Boten denken.

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Redakteur für Wirtschaft und Umwelt
Geboren 1969 in Ost-Berlin. Studium an der FU Berlin. Bei der taz seit 1999, zunächst im Berliner Lokalteil. Schwerpunkte sind Verkehrs- und Unternehmenspolitik.
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8 Kommentare

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  • 17€ als Postbote? Gibt es dazu eine Quelle? ich glaube, dass das ein wenig hoch gegriffen ist

  • "Wer sich Technik und Infrastruktur für die Internet-Bestellerei leistet, darf auch mal an die Bürde der Boten denken."

     

    Der Verbraucher ist Schuld! Herzlichen Dank für diese journalistische Glanzleistung!

  • Alles wird teurer. Warum nicht auch der Briefversand oder die Paketzustellung? Die paar Cent machen den Braten auch nicht fett. Ich würd`s zahlen.

  • Das ist ja alles richtig, aber bei einer Portoerhöhung von lausigen zwei Cent schäumt das Völkchen auch:

    http://www.taz.de/Post-erhoeht-Preise/!5054875/

  • Lee Ma hat einen schönen und trefflichen Kommentar geschrieben hier: http://www.taz.de/Dumpingloehne-der-Paketzusteller/!5203295/

     

    Es wird sehr gerne die schwäbische Hausfrau zitiert: Man könne nicht mehr ausgeben als man einnimmt. Leider werden kaum mehr ihre anderen Einsichten ventiliert: Was nichts kostet, ist auch nichts wert, und: Armut kann man sich nicht leisten. Das gilt gerade im Dienstleistungsbereich auch für die menschliche Arbeit: Wer seine Leute nicht anständig bezahlt, der bekommt auch nur schludrige Arbeit, dessen Pakete werden sogar von den eigenen Mitarbeitern geklaut, wenn die eh nix zu verlieren haben ausser ihren Drecksjob.

     

    Hermes, DPD usw. sind was für einfache Massenzustellung, wo nicht gar soo wichtig ist, ob da mal ein Paket von 20 gar nicht und drei andere Tage später zugestellt werden. Das große Geld aber ist da nicht zu machen.

  • Wenn der Kommentator öfters mal online einkaufen würde, so wüßte er, daß DHL nur einen Konkurrenten hat, und das ist UPS. Alles andere ist eine völlig andere Liga; man kann SATURN auch nicht mit einer 1€-Bude vergleichen. Und UPS zahlt aus Prinzip mehr als DHL (weil sie z.B. keinen Bock haben auf Gewerkschaften).

  • 7G
    738 (Profil gelöscht)

    Das ist der Kampf der Hufschmiede gegen die Autos, was nicht sein darf, kann nicht sein. Momentan erlebt man, wie geschmeidig die Versender reagieren. Statt DHL liefert jetzt Hermes. Natürlich könnte man sagen das Austragen von Briefen und Paketen ist eine superwichtige und komplizierte Aufgabe. Meines Wissen kassieren Postboten momentan mehr als 17 Euro die Stunde für ihre Tätigkeit. Sorry, das ist schon sehr ordentlich, dann noch zu streicken grenzt schon an Größenwahn.