Transgender in Amerika: „Nennt mich Caitlyn“
Ein neuer Name, Vanity-Fair-Cover, ein Twitteraccount, der durch die Decke geht: Caitlyn Jenner, ehemals Bruce, hat sich neu erfunden.
Schon im April hatte Bruce Jenner erklärt, dass sie transsexuell ist. Trotzdem ist das erste öffentliche Erscheinen von Caitlyn Jenner eine Sensation: Cover der Vanity Fair, in Szene gesetzt von Starfotografin Annie Leibovitz. „Call me Caitlyn“, „Nennt mich Caitlyn“, informiert Jenner, und Amerika flippt aus.
Sogar Präsident Barack Obama gratulierte ihr via Twitter, und bei dem Kurznachrichtendienst stellte sie einen Rekord auf: In weniger als vier Stunden folgten mehr als eine Million Menschen ihrem neuen Account (Obama hatte dafür fünf Stunden gebraucht). Jenner kommentiert lakonisch via Twitter: „Noch mal ein Jenner-Weltrekord, und das mit 65? Wer hätte das gedacht!“
Schon in den 70ern feierte sie Weltrekorde, damals in der Leichtathletik und männlich definiert als Bruce Jenner. Mehrfach verbesserte Jenner 1975 und 1976 die Weltbestmarke im Zehnkampf (Olympiasieg in Montreal). Später sattelte Jenner auf Motorsport um, spielte in Filmen mit und machte nach der Heirat mit Kris Kardashian 1991 als Celebrity-Stiefvater Karriere in den Klatschspalten, bekannt spätestens nach der Reality-Soap „Keeping Up with the Kardashians“ ab 2007.
Auch deswegen nimmt das amerikanische Publikum so großen Anteil an der Geschlechtsangleichung. Die Präsentation von Jenner als Frau in der Vanity Fair wirkt minutiös geplant und sorgfältig orchestriert: Cover-Inszenierung als Sexsymbol, Starfotografin, 22-Seiten-Interview, in dem Caitlyn Details verrät: Das Shooting sei für sie ein größerer Tag gewesen als der Olympiasieg 1976. „Das war damals ein guter Tag, aber die letzten paar waren besser.“ Kein Wunder: Heute ginge es vielmehr um sie selbst, „um den Menschen, der ich bin“. Nun sei sie befreit: „Caitlyn hat keinerlei Geheimnisse. Sobald das Vanity Fair-Cover veröffentlicht wird, bin ich frei.“
Vor einem Jahr hat das Time Magazine erstmals eine Titelstory über Transgender als nächstes großes Thema der Bürgerrechtsbewegung veröffentlicht. Auf dem Cover: Schauspielerin Laverne Cox, bekannt aus der Serie „Orange is the new Black“. Das wurde als bahnbrechend wahrgenommen. Dank Jenner ist das Thema Trans* in der amerikanischen Öffentlichkeit nun sichtbarer als jemals zuvor.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Vorgezogene Bundestagswahl
Ist Scholz noch der richtige Kandidat?
113 Erstunterzeichnende
Abgeordnete reichen AfD-Verbotsantrag im Bundestag ein
USA
Effizienter sparen mit Elon Musk
Ein-Euro-Jobs als Druckmittel
Die Zwangsarbeit kehrt zurück
Bürgergeld-Empfänger:innen erzählen
„Die Selbstzweifel sind gewachsen“
Aus dem Leben eines Flaschensammlers
„Sie nehmen mich wahr als Müll“