Rundfunk: Mitteldeutsches Mysterium

Neue taz-Radioserie "Sendersuchlauf" (1): Die MDR-Popwelle Jump hat sich auf halbstarke Musik spezialisiert.

Neuer Sound in alten Geräten: Der taz-Sendertest. Bild: dpa

Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen waren Bundesländer ohne Hoffnung, Hort der Depression. Bis die Exorzisten vom MDR dem Teufel Trübsal den Kampf ansagten. "Aufstehen lohnt sich wieder!", beschlossen sie und plakatierten gleich ganz Mitteldeutschland mit dieser Beschwörungsformel voll.

Die Imagekampagne für die MDR-Popwelle Jump zählt zum seltsamsten, was sich eine Werbeagentur je ausgedacht hat. Was soll das heißen, "Aufstehen lohnt sich wieder" - ein Radiosender als Motivationstrainer für Wendeverlierer?

Rätselhaft ist vieles an Jump: Am 1. Januar 2000 ging das öffentlich-rechtliche Programm auf Sendung und bemüht sich seitdem, möglichst konsequent wie einer dieser austauschbaren privaten Dudelsender zu klingen. Ausschließlich in gelegentlich gesendeten Hinweisen wird Jump als "Produktion des Mitteldeutschen Rundfunks" kenntlich gemacht.

Die Hörer von Jump sind im Schnitt 32,2 Jahre alt, 121.000 hören pro Stunde zu. Und sie haben einen recht speziellen Musikgeschmack. Anderswo kaum gespielte Bands wie Nickelback, Revolverheld und Sunrise Avenue prägen die - mal abgesehen vom üblichen 08/15-Hitmix - halbstarke Musikfarbe des Senders. Jump ist Radio für Leute, die Christina Stürmers Musik für Rock halten. "Der neue Sound im Radio" heißt das in der Werbung.

Wer einen Tag lang Jump hört, wird sich höchstwahrscheinlich auch über die Endlosschichten der Moderatoren wundern - bis er irgendwann feststellt, dass in Halle längst ein anderer am Mikro sitzt, der nur haargenau so klingt wie der Kollege zuvor und auch der danach. Im Gegensatz zu anderen öffentlich-rechtlichen Musikradios wie Radio Eins vom RBB setzt Jump bei der Präsentation seines Programms ausdrücklich nicht auf Personality - Ecken und Kanten sucht man vergebens.

Am gespentischsten wirkt diese Standardisierung bei den Staumeldungen aus dem "Jump-Verkehrszentrum", die, wie taz-Recherchen ergeben haben, nur deswegen rund um die Uhr von einem gewissen Bert gesprochen werden können, weil dieser "Bert" ein mit Verkehrsdaten gefütterter Roboter ist, der Bertovox 3300 VX. Unbestätigten Gerüchten zufolge erwägen die Senderverantwortlichen, den Einsatz des Bertovox 3300 VX auf das gesamte Programm auszuweiten. Das wäre nur konsequent und tatsächlich mal ein neuer Sound im Radio - wenn auch kein schöner.

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