Gewalt gegen Frauen im Südirak: Wer kein Kopftuch trägt, wird getötet
Nach dem Rückzug der Briten ist Basra in den Händen schiitischer Milizen und krimineller Banden. In den letzten Wochen wurden mindestens 40 Frauen ermordet.
"Basra ist aus dem Griff seiner Feinde befreit worden", erklärte Generalmajor Graham Binns, der Kommandeur der britischen Truppen in der südirakischen Provinz Basra, stolz. Am Sonntagvormittag setzte er seine Unterschrift unter ein Dokument, in dem Großbritannien die Provinz offiziell an die irakischen Streitkräfte übergibt. Britische Truppen sollen fortan bei der Sicherung der Provinz nur "auf dem Rücksitz Platz" nehmen, lautet der Slogan der neuen Mission. Derzeit sind noch rund 5.500 britische Soldaten im Süden des Irak stationiert. Ihre Zahl soll bis Anfang Januar auf 2.500 reduzieren werden.
Die Iraker stellen der viereinhalbjährigen britischen Besatzung ein denkbar schlechtes Zeugnis aus. Mehr als 85 Prozent der 1.000 von der britischen BBC befragten Einwohner Basras gaben an, dass die britische Truppen einen negativen Effekt auf die Provinz hatten. Tatsächlich scheint die größte Stadt im Südirak derzeit fest in den Händen rivalisierender schiitischer Milizen und krimineller Banden zu sein, die unter dem Deckmantel der Religion operieren.
Es sind unter anderem Basras Frauen, die diese neue Gewaltwelle zu spüren bekommen. Der Polizeichef von Basra, Jalil Khalaf, hat zugegeben, dass in den vergangenen Wochen mindesten 40 Frauen in der Stadt ermordet wurden - wegen ihrer Kleidung, ihrem Make-up oder weil sie sich ohne Kopftuch auf die Straße gewagt hatten. Die Dunkelziffer der Frauenmorde, befürchtet Basras oberster Ordnungshüter, sei wahrscheinlich noch höher. "Frauen werden in unserer Stadt auf grausame Weise ermordet. Die Leichen werden enthauptet auf Müllhalden geworfen mit einer kleinen Notiz, dass sie für ihre unislamische Kleidung bezahlen mussten", erzählt Khalaf. Im September wurde sogar eine Frau zusammen mit der Leiche ihres sechsjährigen Kindes entdeckt.
An den Wänden Basras finden sich warnende Graffiti wie: "Dein Make-up und dein offenes Haar werden dir den Tod bringen." Eine namentlich nicht genannte Frauenrechtsaktivistin in Basra spricht gegenüber der UN-Nachrichtenagentur Irin von "einer neuen Kultur von Gewalt gegen Frauen". Frauen verließen die Stadt oder blieben zu Hause, erzählt sie. Manchmal werden auch Männer mit westlicher Kleidung oder westlichem Haarschnitt angegriffen.
Auch die kleine christliche Gemeinde der Stadt bleibt nicht verschont. Der Erzbischof von Basra, Imad al-Banna, hat die diesjährigen Weihnachtsfeierlichkeiten abgesagt, nachdem eine christliche Apothekerin und ihr Bruder entführt und erschossen worden waren. Niemand hat sich für die Tat verantwortlich erklärt, aber die Gemeinde ist sich sicher, dass die Religionszugehörigkeit der Opfer für den Mord ausschlaggebend war.
Unklar ist, wer hinter den Morden an Frauen und Christen steckt. Die Mahdi-Armee des schiitischen Predigers Muktada al-Sadr ist mit dem "Oberste Rat der Islamischen Revolution" (Sciri) und kriminellen Gruppen in Revierkämpfe verstrickt. Harith al-Ithari, der im lokalen Büro al-Sadrs arbeitet, sagt, dass seine Bewegung die Morde an den Frauen verurteilt und schiebt die Taten auf "kriminelle Banden", die die Stadt destabilisieren wollten. "Es ist eine Sünde für Frauen, ihr Haar offen zu zeigen und Make-up zu tragen, aber jemanden umzubringen, ist eine noch größere Sünde", erläutert er.
Basra war einst bekannt für seine gemischte Bevölkerung und seine relative Offenheit, eine Art urbane Oase in einer von Stammeskultur geprägten Umgebung. Jetzt patrouillieren Banden auf Motorrädern oder mit Autos ohne Nummernschilder und verdunkelten Scheiben auf den Straßen. Der irakische Journalist Ghaith Abul-Ahad schildert in der britischen Tageszeitung Guardian die abendliche Szene am Hayaniya-Platz in Basra. Nach Sonnenuntergang treffen sich dort die Todesschwadronen. Die Killer essen zu Abend, unterhalten sich und tauschen Namen und Adressen von "Kollaborateuren" aus. Am meisten gesucht sind Iraker, die mit den Briten zusammengearbeitet haben. Für einen Mord werden mehrere hundert bis mehrere tausend Dollar geboten. Dann springen die Männer in ihre Kleinlastwagen und machen sich an die Arbeit. Wer kann, meidet den Platz, wer dort vorbeigehen muss, senkt die Augen.
Eine andere Episode macht deutlich, wer in Basra das Sagen hat. Der irakische Armeekommandeur General Mohan, dessen Einheit für die Sicherheit der Stadt verantwortlich ist, hat kürzlich ein Dekret erlassen, laut dem ein bestimmter Autotyp in Basra verboten wurde, da die Mahdi-Armee, die den Hafen kontrolliert, am Schmuggel dieser Fahrzeuge verdient. Daraufhin begann die Armee an einem Kontrollposten in der Stadt die Ersten dieser Fahrzeuge einzuziehen. Es verging keine halbe Stunde, da hatte die Mahdi-Miliz 55 Soldaten der regulären irakischen Armee "festgenommen" - als Pfand für die Rückgabe der Autos.
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