Hessens Linke im Wahlkampf: Votum für SPD-Frau Ypsilanti
Der linke Spitzenkandidat Willi van Ooyen erklärt Abwahl Kochs zum Wahlziel. Eine SPD-Regierung im Anschluss tolerieren will er aber nicht.
MARBURG taz "Sollten wir den Einzug in den Landtag schaffen, werden wir Andrea Ypsilanti von der SPD mit zur hessischen Ministerpräsidentin wählen", sagte der Spitzenkandidat der Linken in Hessen, Willi van Ooyen, am Freitagabend am Rande einer Wahlkampfveranstaltung seiner Partei in Marburg der taz. "Ganz egal, ob Ypsilanti das nun gefällt oder nicht." Das erste Wahlziel der Linken in Hessen bleibe zwar der Einzug in den Landtag. Danach aber gehe es zunächst ausschließlich um die Verbannung von Roland Koch aus der Hessischen Staatkanzlei - "und zwar für immer".
Eine Gegenleistung für das avisierte Votum einer Fraktion der Linken für Ypsilanti erwartet van Ooyen nicht. Und er verlangt auch nicht danach: "Keine Koalition, keine Tolerierung." Die Linke setzt auf wechselnde Mehrheiten. "Vernünftigen Anträgen" werde seine Fraktion zu einer Mehrheit im Landtag verhelfen, "unvernünftige Anträge" dagegen ablehnen und ansonsten den Schulterschluss mit den außerparlamentarischen Bewegungen praktizieren.
Willi van Ooyen, der aus der Friedens- und Gewerkschaftsbewegung kommt und seit 1980 die Ostermärsche organisiert, ist ein freundlicher Gesprächspartner, der in Aussehen und Habitus entfernt an die irische Blues- und Weltmusiklegende Van Morrison erinnert.
Doch der 60-jährige Pädagoge kann auch anders. Vor gerade einmal fünfzig Parteifreunden und Sympathisanten, die den Weg auf das stockfinstere aufgelassene Bahngelände zum Veranstaltungszentrum "Waggonhalle" gefunden hatten, ging van Ooyen in seiner Rede mit Koch ins Gericht. Der Ministerpräsident sei ein "schießwütiger Gewalttäter", der seinen hessischen Parteifreund Franz-Josef Jung in die Rolle des Berliner "Kriegsministers" hineingedrängt habe, ereiferte sich van Ooyen. Deshalb trage Koch die Mitverantwortung dafür, dass die Jung unterstellte Bundeswehr in Afghanistan auf Menschen schieße.
Koch habe sich zudem für Wiesbaden als neuem Standort für die Kommandozentrale der US-Streitkräfte in Europa ausgesprochen und damit die "Militarisierung Hessens" forciert. Mit Blick auf die Debatte um Jugendgewalt nannte van Ooyen den Regierungschef einen "gesellschaftlichen Brandstifter". Mit seiner Kampagne schüre Koch Rassismus und Ausländerfeindlichkeit. Dagegen rührten Koch die mehr als einhundert seit der deutschen Wiedervereinigung "von Faschisten erschlagenen Toten" überhaupt nicht.
Starker Tobak. Doch der Beifall der grau- und weißhaarigen Veteranen der Marburger Traditionslinken - Marburg war einst Hochburg der DKP in Westdeutschland - und der wenigen jungen Leute im Saal fiel nur verhalten aus. "Ein bisschen überzogen", habe van Ooyen, meinte eine rauchende Friedensfrau vor der Halle, die bislang auf eine Koalition der Linken mit SPD und Grünen nach der Wahl hoffte. "Das wird wohl nichts mehr werden", sagt sie enttäuscht: "Willi van Oyen und Ypsilanti? Das kann ich mir nun nicht mehr vorstellen."
Ypsilanti auch nicht. Die SPD-Spitzenkandidatin lehnt eine Koalition mit der Linken seit Monaten strikt ab. Es werde "keine wie auch immer geartete Zusammenarbeit" geben", bekräftigte sie am Wochenende in einem Zeitungsinterview. Die Linke sei "keine zukunftsfähige Partei" und habe "keine qualifizierten Leute".
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