: Die Randalierer fordern gleiche Rechte ein
Drei prominente Frauen aus Migranten-Familien erklären die Unruhen in Frankreich. Mehr Dialog sei nötig
Paris taz ■ Drei Frauen aus Einwandererfamilien, Frauen, die den sozialen Aufstieg geschafft haben. Drei Frauen, deren in Frankreich geborene Kinder junge Erwachsene sind, verlangen in Paris „Respekt“ und „Würde“. Die Jugendlichen, die nachts in den Vorstädten wüten, rufen sie auf: „Frankreich ist unser Land. Macht nicht kaputt, was euch Hoffnung gibt.“ Vom Innenminister verlangen sie eine „Entschuldigung“, vom Staatspräsidenten „Dialog“. Sowie die „republikanische Gleichheit.“
Yamina Benguigui ist mit Filmen bekannt geworden, die von dem Gedächtnis der Einwanderer an ihre eigene Geschichte handeln. Die Politiker müssten auf die Mütter hören. „Sie durften erst spät – im Rahmen der Familienzusammenführung – nach Frankreich kommen. Sie haben die Kinder großgezogen und sind zuhause geblieben. Sie halten viele Schlüssel zur Integration in ihren Händen.“
Alima Boumedienne-Thiery war Anfang der 80er Jahre bei der ersten Bewegung der Jugendlichen aus dem Einwanderermilieu dabei. Als Senatorin, die für die „Grünen“ in der zweiten Kammer des Parlaments sitzt, gehört sie zu den Notablen der Republik. Die Unruhen nennt sie eine „Revolte“, die immer noch alten, nicht eingehaltenen Gleichheitsversprechen einklagt. „Es ist eine Katastrophe für die ganze Familie wenn die Jugendlichen drei Mal am Tag von der Polizei kontrolliert werden und wenn sie Hunderte von Bewerbungen schreiben müssen, bevor es zu einem ersten Einstellungsgespräch kommt.“
Dounia Bouzar hat als einziges weibliches Mitglied des „Islamrates“, die von Innenminister Sarkozy gegründete Einrichtung vor einem Jahr türenknallend verlassen. Jetzt beschreibt sie den Autoritätsverlust der Väter in Immigrantenfamilien: „Es ist keine Kleinigkeit, in das Land des ehemaligen Kolonisators zu gehen, um dort zu arbeiten. Wenn der Vater dann Langzeitarbeitsloser wird, stellt das grundsätzliche Lebensentscheidungen für die ganze Familie in Frage.“ Die Politiker, so Bouzar, versuchen immer wieder, die Gleichheitsforderung zu entschärfen: „die Linken haben unsere Forderungen in den 80er Jahren ethnisiert. Die Rechten stellen sie in eine religiöse Ecke.“
DOROTHEA HAHN
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