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Polizei unter Anklage

AUS PARIS DOROTHEA HAHN

Hartes Durchgreifen hatten die Spitzenpolitiker in Paris propagiert. Seither setzen sie gegen die Unruhen in den Vorstädten noch mehr Polizisten, mehr Hubschrauber mehr Videokameras, mehr Festnahmen und mehr Schnellverfahren vor Gericht ein. Und drohen sogar Leuten, die eine Aufenthaltsgenehmigung in Frankreich haben, mit der Abschiebung. Doch die Bilanz dieser Härte ist durchwachsen. In der 15. Krawallnacht nahm die Gewalt in den östlichen Vorstädten von Paris, wo sie zuvor ein wenig abgeflaut war, erneut zu. Und in manchen Provinzstädten blieb sie ungebrochen stark oder wurde stärker. Gestern Morgen meldete die Feuerwehr 400 ausgebrannte Autos. Und die Polizei 170 neuerliche Festnahmen. Für das Wochenende, das wegen des gestrigen französischen Feiertages zum Gedenken an das Ende des Ersten Weltkriegs lang ist, stellen sich die Verantwortlichen auf neue Konfrontationen ein. Möglicherweise auch am Fußballstadion in der Pariser Vorstadt Saint Denis, wo heute Frankreich gegen Deutschland kickt.

Acht Polizisten sind am Donnerstag vom Dienst suspendiert worden. Sie waren von einem französischen TV-Team dabei gefilmt worden, wie sie einen bereits am Boden liegenden 19-jährigen Jugendlichen in einer Pariser Vorstadt mit Fußtritten und Faustschlägen traktierten. Andere Polizisten werden wegen des Todes eines 15- und eines 17-jährigen Jungen wohl vor Gericht stehen müssen. Diese waren am 27. Oktober in ein Trafohäuschen in Clichy-sous-Bois gerannt und dort umgekommen.

Die Arbeit von Journalisten in den Vorstädten ist in den vergangenen Tagen härter geworden. Ein rechter Bürgermeister hat sich bei der Fernsehaufsichtsbehörde CSA darüber beschwert, dass ein Kamerateam gemeinsame Sache mit jugendlichen Schlägern mache. Andererseits betreiben – nicht zuletzt US-amerikanische Teams, die Frankreich allen Ernstes mit „Tschetschenien“ vergleichen – einen Scheckbuchjournalismus. Sie bezahlen einzelne Jugendliche in einer Vorstadt dafür, dass sie sie zu besonders „heißen“ Szenen führen. Trotz beinahe ungebrochen großer Gewalt in den Vorstädten berichtet das französische Fernsehen seit einigen Tagen weniger detailliert darüber.

Die von Regierungschef Dominique de Villepin am Montag vorgeschlagene nächtliche Ausgangssperre bleibt die Ausnahme. Nur die Präfekten in fünf der insgesamt 95 Départements in Festlandfrankreich machen davon Gebrauch. Lokal unterschiedlich haben sie Ausgangssperren zwischen 22 und 5 Uhr verhängt, die entweder nur für Jugendliche unter 16 Jahren oder aber für sämtliche Bewohner gelten. In der nordfranzösischen Stadt Amiens aber auch in Saint Denis bei Paris haben örtliche Bürgerinitiativen und linke Organisationen gegen die Ausgangssperren demonstriert. „Wir wollen keine Notstandsgesetze, wir wollen soziale Gerechtigkeit“, erklärte Didier Paillard, der kommunistische Bürgermeister von Saint Denis am Donnerstag.

Nicht in den Vorstädten, wo es brennt, und wo die Konfrontationen stattfinden, sondern im kommerziellen Herzen von Paris wollten gestern andere Vorstadtbewohner gegen die Gewalt demonstrieren. Das Kollektiv „Banlieue Respects“ das 155 verschiedene Vorstadtorganisationen umfasst, hatte seine Demonstration – „mit einem weißen Taschentuch in der Hand“ – wenige Tage zuvor am Amtssitz des Premierminister besprochen. Doch am Donnerstag verweigerte die Pariser Polizei die ursprüngliche Route über die Champs-Elysées. Verfassungsschützer befürchteten Provokationen durch Vorstadtjugendliche. Die Demonstration wurde daraufhin zu einem Sit-in neben dem Eiffelturm.

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