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Welternährungsgipfel in RomBiosprit abdrehen

Biokraftstoffe treiben die Preise, meint die UN-Agrarorganisation und fordert deren Abbau. Die USA wollen lieber weiter ihre Ernteüberschüsse in arme Länder schicken.

Auch Kartoffeln werden knapp : dpa

Ist Biosprit schuld am globalen Hunger? Die Kontroverse darüber dürfte den Welternährungsgipfel bestimmen, den die UNO von heute an in Rom ausrichtet.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon will zum Gipfelauftakt am heutigen Dienstag, so berichten US-Medien, einen Aktionsplan vorlegen. Produzenten von Biokraftstoffen will er darin auffordern, ihre Spritsubventionen abzustellen - die betrugen im Jahr 2006 immerhin 6,7 Milliarden US-Dollar in den USA und 4,7 Milliarden in der EU, weltweit nahezu 12 Milliarden.

Außerdem sollten alle Handelsbarrieren und Steuern auf Agrarprodukte abgeschafft werden. Das soll die Preise für Grundnahrungsmittel senken helfen und die Einkommen der Bauern in Entwicklungsländern erhöhen. Der Aktionsplan wurde von einem UN-Krisenstab erarbeitet, der vor einem Monat seine Arbeit aufnahm und in dem UN-Agenturen, Weltbank und IWF gemeinsam sitzen. Wenn der Gipfel in Rom ihn annimmt, wird er die Grundlage für einen Beschluss der UN-Generalversammlung im September bilden.

Biokraftstoffe seien für weltweit 65 Prozent des jüngsten Preisanstiegs bei Lebensmitteln verantwortlich, heißt es zur Begründung in der Vorlage der gastgebenden UN-Agrarorganisation FAO (Food and Agriculture Organization) für den Gipfel unter Berufung auf Studien der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds. Die Zunahme des Nahrungskonsums in asiatischen Schwellenländern, ebenfalls oft als Grund für Preissteigerungen genannt, sei hingegen "nicht wirklich die Hauptursache des 2006 begonnen plötzlichen Preisantriebs", da beispielsweise Indien und China heute viel weniger Getreide einführten als in den 90er-Jahren.

Das sieht Bundesentwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul (SPD), die für die Bundesregierung am Gipfel teilnimmt, ähnlich. Sie ist gegen die EU-Förderpolitik für Biosprit: Bis 2020 sollen EU-weit 10 Prozent beigemischt sein, Deutschland plante bislang gar einen Anteil von 17 Prozent im Treibstoff."Die kritische Haltung zu Biosprit ist unverändert", heißt es dazu aus dem Entwicklungsministerium.

Ganz anders hingegen die Meinung von Bundesagrarminister Horst Seehofer (CSU), dessen Ministerium ebenfalls in Rom vertreten sein wird: "Auch ohne Biosprit gäbe es Hunger", erklärte er kürzlich. Biosprit helfe, das Klima zu schützen, mache von Erdöl und Erdgas unabhängig und schaffe weltweit Einkommensquellen für Bauern.

Seehofer ist da auf einer Linie mit der US-Regierung. US-Landwirtschaftsminister Ed Schafer, der die US-Delegation in Rom leiten wird, erklärte vor wenigen Tagen, Biosprit sei nur für 2 bis 3 Prozent des weltweiten Preisanstiegs bei Lebensmitteln verantwortlich. Kanada und die EU-Kommission werden in Rom mit einer ähnlichen Linie auftreten.

Am gestrigen Montag legte die FAO zur Unterstützung ihrer Haltung mit einem weiteren Bericht nach, der den Biospritboom als Hauptverursacher von Landlosigkeit und Vertreibung von Kleinbauern geißelt. Nötig sei ein Zertifizierungssystem für Biosprit, damit er umwelt- und sozialverträglich hergestellt werde.

Die US-Regierung hingegen will, dass im Rom eine kräftige Ausweitung der internationalen Lebensmittelhilfe für arme Länder beschlossen wird. Hilfswerke halten aber gerade diese Strategie für Gift - weil damit US-amerikanische Ernteüberschüsse kostenlos an arme Ländern gehen, was einheimische Bauern in den Ruin treibt. Stattdessen müsse die Landwirtschaft armer Länder gefördert werden. "Zum ersten Mal seit 25 Jahren ist ein ökonomischer Grundanreiz dazu vorhanden", so die FAO.

Hans-Joachim Preuß, Generalsekretär der Deutschen Welthungerhilfe, sagt der taz: "Der Gipfel bietet die Chance, Regierungen der Entwicklungsländer dazu zu bringen, in ihre Landwirtschaft, also Bewässerung, Infrastruktur, Agrarforschung, zu investieren. Sie sollten nicht länger der Versuchung erliegen, Lebensmittel billig zu importieren. Wenn man heute nicht die historische Chance der hohen Agrarpreise nutzt, mehr zu investieren, haben wir in fünf Jahren nicht 858 Millionen Hungernde wie heute, sondern eine Milliarde."

Die Basisdaten, mit denen die FAO in diesen größten Gipfel zu Ernährungsfragen seit Jahren geht, sind unstrittig: Die globale Lebensmittelpreisinflation belief sich 2006 auf 8 Prozent, 2007 schon auf 24 und im ersten Vierteljahr 2008 bereits auf 53 Prozent. Am höchsten sei die Inflationsrate bei Speiseölen, wo die Konkurrenz durch Biosprithersteller am höchsten ist. Die Entwicklungsländer mussten 2007 13 Prozent mehr Geld als im Vorjahr für Lebensmittelimporte ausgeben, 2008 wird die Rechnung um 33 Prozent steigen.

Zivilgesellschaftliche Kritiker sind noch pessimistischer. "Beim Welternährungsgipfel von 1996, als es schätzungsweise 830 Millionen Hungernde auf der Welt gab, versprachen die Regierungen, diese Zahl bis 2015 zu halbieren; viele sehen nun voraus, dass die Zahl stattdessen auf 1,2 Milliarden steigt", warnt der gemeinsame Aufruf des internationalen Netzwerks Food Sovereignity. Die Organisationen rufen darin den "Volksnotstand" aus.

Bauerngruppen aus aller Welt halten parallel in Rom einen Gipfel "Terra Preta" (Schwarze Erde) unter brasilianischer Leitung ab, um Maßnahmen für Kleinbauern zu fordern. Ein Gegengipfel ist es nicht: Eröffnet wird er von FAO-Direktor Jacques Diouf aus Senegal. So weit kommt es, wenn die UNO sich gemeinsam mit kritischen Organisationen gegen die Industrienationen stellt.

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