Wachsführer: Hitler am Boden zerstört
Ein 41-Jähriger reißt kurz nach Eröffnung von Madame Tussauds der Hitlerfigur den Kopf ab. Grüne, SPD und CDU fordern, den Wachsführer nicht wieder auszustellen
Kaum war das Wachsfigurenkabinett nahe dem Brandenburger Tor am Samstagmorgen eröffnet, fehlte der dort ausgestellten Hitlerfigur schon der Kopf. Frank L., ein in Kreuzberg lebender Hartz-IV-Empfänger, hatte ihn abgerissen und dabei "Nie wieder Krieg!" gerufen. Zwei Wachmänner im Raum konnten den 41-Jährigen nicht stoppen. "Ich habs gemacht. Hätte ich es nicht gemacht, dann hätte ich immer gehofft, dass es ein anderer täte", sagte L. tags darauf der taz. "Ich will nicht, dass Berlin die neue Pilgerstadt für Neonazis wird."
Ordentlich hatte sich Frank L., der früher nach eigenen Angaben bei der Polizei war, vor der Eröffnung in die Schlange eingereiht. Nachdem die Schaulustigen eingelassen waren, eilte er als erster Besucher zu dem angeblich 200.000 Euro teuren Ausstellungsexponat "Hitler". Der Tyrann saß mit düsterer Miene hinter einem Schreibtisch in einem Raum, der dem Führerbunker von 1944 nachgebildet ist. Frank L. sprang über den Tisch, riss am Kopf, klammerte sich an die Figur. Es kam zu einem Handgemenge mit den Sicherheitsleuten. Als L. die Hitlerfigur freigab, war sie kaputt.
Widerstandslos ließ er sich danach von der Polizei festnehmen. Der Staatsschutz ermittelt nun wegen Sachbeschädigung und Körperverletzung. Körperverletzung deshalb, weil einer der Wachmänner bei der Rauferei blaue Flecken abbekommen hat. Frank L., der am Samstagnachmittag wieder freigelassen wurde, entschuldigte sich dafür.
Da es im Vorfeld der Eröffnung bereits Diskussionen über Hitler bei Madame Tussauds gab, sah sich das Figurenkabinett veranlasst, einen Kommentar aufzuhängen, in dem auf die Naziverbrechen hingewiesen wird. Außerdem darf die Hitlerfigur nicht fotografiert werden. So soll vermieden werden, dass damit ein Nazikult betrieben wird. Im Internet kursieren Fotos, auf denen Leute mit Nazigruß neben der Hitlerfigur im Londoner Madame Tussauds posieren.
Für viele Politiker zeigt der Zwischenfall, dass Hitler im Panoptikum nicht die geeignete Form ist, sich in Berlin mit dieser die deutsche Geschichte so prägenden Person auseinanderzusetzen. "In einem Unterhaltungsetablissement ist ein neutrales Umgehen mit Hitler nicht möglich", meint Alice Ströwer, kulturpolitische Sprecherin der Grünen. Die Hitlerfigur sei ein Skandalon, das dazu ins Szene gesetzt wurde, Cash in die Kassen zu spülen. "Es gibt in Berlin keinen unbekümmerten Umgang mit dieser Figur, die millionenfach Leid über die Menschen gebracht hat." Die Verantwortlichen sollen die Figur nicht mehr aufstellen.
Auch Frank Henkel, CDU, rät den Veranstaltern, die Figur einzumotten. Man brauche keinen neuen Wallfahrtsort für Rechte. Thorsten Wöhlert, Sprecher des Kulturstaatssekretärs André Schmitz, macht auf die Geschmacklosigkeit aufmerksam, mit der hier ein resigniert blickender Hitler mal so eben neben Leute wie Albert Einstein, Willy Brandt und Sophie Scholl gestellt wird. "Man muss sich mit Hitler auseinandersetzen, aber seriös." Nur Lothar Bisky, der Parteichef der Linken, hält das Zerstören der Hitlerfigur für "kulturlos". Am heutigen Montag will Madame Tussauds entscheiden, ob Hitler restauriert und neu aufgestellt wird.
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