piwik no script img

Filmstart "Grace is Gone"Krieg in der Familie

James C. Strouse thematisiert in seinem Regiedebüt den Irakkrieg als Familiendrama. Die eigentliche Kriegstragödie verfehlt der Film: Er driftet ab in ein Lehrstück über Trauerkultur à la Hollywood.

Keine leichte Aufgabe: John Cusack muss seinen Töchtern die Wahrheit über den Tod der Mutter im Irakkrieg beibringen. Bild: dpa

Wie bringt man seinen Kindern bei, dass die Mutter im Irak gefallen ist? Stanley Philipps (John Cusack) hat keine Ahnung, wie er die ihm gerade überbrachte Todesnachricht überleben soll. Noch sind seine beiden Mädchen in der Schule. Als sie nach Hause kommen, ahnen sie sofort, dass etwas aus dem Lot ist. Doch der Vater übergeht ihre Fragen und gibt sich fröhlich und um sie bemüht. Den Mädchen ist sein ungewohntes Verhalten unheimlich.

Das Thema von "Grace is Gone" ist Ohnmacht. Ohnmacht des Vaters gegenüber dem Krieg und seinen Folgen, Ohnmacht der Töchter gegenüber ihrem Vater.

Gezeigt wird zunächst ein Familienalltag, in dem nicht geschlagen wird, sondern Befehle ausreichen, um die Töchter zu disziplinieren. Es ist der Vater, der bei Tisch das Essen verteilt und gegebenenfalls einen Nachschlag gewährt. Wollen die Mädchen sich selbst bedienen, reicht ein väterliches Knurren aus, um sie davon abzubringen.

Im Angesicht des größten Unglücks seines Lebens beschließt Stanley, mit seinen Kindern Spaß haben zu wollen. Er packt sie ins Auto, und die mehrtägige Reise zu einem Vergnügungspark beginnt. Konsequent setzt der Film das Ausgeliefertsein der Schutzbefohlenen in Szene. Der Vater, der verzweifelt versucht, den richtigen Moment für die schreckliche Eröffnung zu finden, wird in seinem Handeln immer unberechenbarer; die Angst der Mädchen wächst. Doch dann begehren sie nicht etwa auf, sondern Hollywood schlägt mit der bewährten Kitschkeule zu: Der Vater besinnt sich und beginnt seine Töchter zu verstehen, alles wird gut.

Wieder einmal wird die Mär erzählt, dass übergroßes Unglück dem Menschen die Unmenschlichkeit austreibe. Was für ein Unfug! Woher sollte ein unbedingt auf Regeln angewiesener Mann, ausgerechnet in dem Moment, in dem sein gesamtes Ordnungssystem zusammenbricht, die Kraft nehmen, sich mit seinen Gefühlen zu konfrontieren? Wie sollte er jetzt anfangen können, seinen Töchtern mit Liebe zu begegnen, jetzt, wo die Liebe zu seiner Frau ihn schier umbringt?

Der Film gibt auf diese Fragen keine Antwort. Stattdessen stellt er an seinem Ende einen Imperativ auf: dass die Mädchen auf die Annäherungsversuche des Vaters mit Zutrauen zu reagieren haben.

Der erste Teil des Films erzählt, mit welcher Härte Menschen auf existenzielle Erschütterungen reagieren können, einfach nur um zu überleben. Und er zeigt, wie schnell und rückhaltlos Kinder unter Räder kommen können, wenn ihre Eltern verzweifelt sind. Die zweite Hälfte dann straft die ersten 45 Minuten Lügen. Und erzählt nonchalant, wie der eben noch als Vertreter von Law and Order charakterisierte Mann sich innerhalb einer Woche zum gütigen Beschützer mausert.

Das Ärgerliche an dieser Dramaturgie ist, dass sie die Zuschauer mit dem Vater versöhnt und auf diese Weise den Mädchen die Möglichkeit nimmt, sich von ihm zu distanzieren, um anderswo Hilfe suchen zu können. Am Ende müssen sie ihn, den Geläuterten, umarmen. So wird ihnen erneut das Recht auf eine ihnen gemäße Zuwendung aberkannt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

8 Kommentare

 / 
  • P
    Pickel

    @picka

    ich finde die Auseinandersetzung von KdN zu dieser weltfremden und seltsamen Filmkritik gut. Vielleicht versuchst du es auch mal mit sachlicher Argumentation anstelle von Diffamierung (was ja eigentlich nur mentales Fluchtverhalten offenlegt).

  • P
    pika

    @KdN

    Alter Falter, da gehört aber jemand dringend auf die Couch. Paranoia much?!

  • AN
    A nna normal

    Es scheint so, als hätten einige Menschen den Film noch nicht gesehen. Das Verhalten des Vaters hat nichts mit einer heute üblichen Erziehungsmethodik gemeinsam. Aus diesem Grund ist seine Wandlung gegen Ende des Films nicht realistisch. Die ältere Tochter (13) weiß sehr wohl schon gegen Mitte des Films, was passiert ist, wird aber vom Vater völlig alleine gelassen und muss ihn noch stützen. Selbst verständlich kann dieses Verhalten auch bei Müttern auftreten, was in dem Kommentar gar nicht bestritten wird.Und ich möchte unsere ehemaligen Bundeswehrler bitten doch hier nicht diskriminierend zu werden. Die Hauptfigur des Films war ja auch nicht beim Militär.

  • T
    Tom

    Sehr geehrte Redaktion,

    da ich davon ausgehe dass die AutorInnen nicht wie viele Männer Ihren Wehrdienst abgeleistet haben möchte ich gerne vorschlagen dass sie solche Kommentierungen zu solchen Themen vielleicht besser einfach lassen.

    Vielen Dank.

  • D
    david

    Danke Frau Kappert!

     

    Mir gefällt ihre Kritik.

     

    Aber SoldatInnen und/oder autoritäre Eltern könnten sich von dieser Filmkritik getroffen fühlen. :-)

  • T
    Tom

    Sehr geehrte Frau Kappert,

     

    da ich davon ausgehe dass Sie nicht wie viele Männer Ihren Wehrdienst abgeleistet haben, möchte ich auf diesem Wege gerne vorschlagen dass Sie und weitere KollegInnen solche Kommentierungen zu solchen Themen vielleicht besser einfach lassen.

    Vielen Dank.

  • K
    KdN

    http://www.taz.de/1/leben/film/artikel/1/krieg-in-der-familie/

    Krieg in der Familie

    James C. Strouse thematisiert in seinem Regiedebüt den Irakkrieg als Familiendrama. Die eigentliche Kriegstragödie verfehlt der Film: Er driftet ab in ein Lehrstück über Trauerkultur à la Hollywood. VON INES KAPPERT

     

    Unglaublich, wie die TAZ und Frau Kappert einen Film, der sich kritisch mit den Auswirkungen des Irak-Krieges in der amerikanischen Heimat auseinandersetzt, feministisch Verzehrt!

    Gruss

    KdN

     

    Liebe TAZ, Frau Kappert

     

    1. Amerika hat zwar immerhin ein Frauenanteil von 15% in der Armee, also viel viel viel mehr als hier, aber der Anteil der gefallenen Soldatinnen im Irak beträgt knapp 2%.

     

    Dies nur mal so zur Information!

     

    2. Wenn man diese Beitrag von Frau Ines Kappert liest, dann kommt einem das Grauen:

    Madame Kappert lüstet gerade darau, dass der Vater versagt, dass der Vater zuschlägt, oder was auch immer!

     

    Beispiele gefällig:

     

    Ohnmacht des Vaters gegenüber dem Krieg und seinen Folgen, Ohnmacht der Töchter gegenüber ihrem Vater.

    (Hätten Sie auch Ohnmacht gegenüber ihrer Mutter geschrieben?)

     

    Gezeigt wird zunächst ein Familienalltag, in dem nicht geschlagen wird, sondern Befehle ausreichen, um die Töchter zu disziplinieren

     

    (Wie enttäuscht sind Sie, dass der Mann seine Kinder nicht schlägt?)

     

    Doch dann begehren sie nicht etwa auf, sondern Hollywood schlägt mit der bewährten Kitschkeule zu: Der Vater besinnt sich und beginnt seine Töchter zu verstehen, alles wird gut.

     

    (Natürlich ist mir bewusst, dass wenn ein Vater sich besinnt und beginnt seine Töchter zu verstehen, dass dies ein Kitschkeule sein muss. Sowas kann nur eine Mutter!)

     

    Wieder einmal wird die Mär erzählt, dass übergroßes Unglück dem Menschen die Unmenschlichkeit austreibe.

     

    (Unmenschlichkeit = Mann, nehme ich doch stark an!)

     

    Was für ein Unfug! Woher sollte ein unbedingt auf Regeln angewiesener Mann, ausgerechnet in dem Moment, in dem sein gesamtes Ordnungssystem zusammenbricht, die Kraft nehmen, sich mit seinen Gefühlen zu konfrontieren?

     

    (Ich bin mir sicher, sie haben schon oft eine solche Ausnahmesituation erlebt und wissen genau, wie MANN darauf reagiert. Bin mir auch ziemlich sicher, dass wenn es eine Frau gewesen wäre, dann hätte die gleiche Situation bewiesen, dass die Mutter in Krisensituation über sich hinaus wachsen kann und ein unglaubliches, natürlich typisch weibliches, Heldentum an den Tag legen würde. Nur so nebenbei, ich war dabei als zwei Soldaten (nein keine Soldatinnen) sich mit zwei Handgranaten in die Luft gesprengt haben. Aber hey, lieber ein bisschen Ideologie, vom Schreibtisch aus, streuen! Sie haben absolut keine Ahnung von solchen Situationen!)

     

    Wie sollte er jetzt anfangen können, seinen Töchtern mit Liebe zu begegnen, jetzt, wo die Liebe zu seiner Frau ihn schier umbringt?

    (Ja, wie wohl? Dazu ist ein Mann doch niemals im Stande oder!)

     

    Stattdessen stellt er an seinem Ende einen Imperativ auf: dass die Mädchen auf die Annäherungsversuche des Vaters mit Zutrauen zu reagieren haben.

     

    (Ähm, also ich denke jedes Kind sollte auf die Annäherungsversuche (solang diese emotionalen und nicht sexuellen Natur sind) seiner Eltern mit Zutrauen reagieren! Ahhh mein Fehler, geht ja um den Vater und nicht um die Mutter!!)

     

    Der erste Teil des Films erzählt, mit welcher Härte Menschen auf existenzielle Erschütterungen reagieren können, einfach nur um zu überleben. Und er zeigt, wie schnell und rückhaltlos Kinder unter Räder kommen können, wenn ihre Eltern verzweifelt sind.

     

    (Z.B. bei einer Scheidung, wo die Kinder ja zu 99% bei der Mutter bleiben? Ja, das ist schon wahr, ist schlimme was bei verzweifelten Müttern so alles abgehen kann!)

     

    Die zweite Hälfte dann straft die ersten 45 Minuten Lügen. Und erzählt nonchalant, wie der eben noch als Vertreter von Law and Order charakterisierte Mann sich innerhalb einer Woche zum gütigen Beschützer mausert.

     

    (Vielleicht, nur vielleicht, können solche „existenzielle Erschütterungen“ wirklich sowas auslösen? Aber ich habe natürlich keine Ahnung, nicht so wie Sie! Und ein Mann kann ja so oder so nicht zum gütigen Beschützer (und dann noch von Kinder) werden!)

     

    Das Ärgerliche an dieser Dramaturgie ist, dass sie die Zuschauer mit dem Vater versöhnt und auf diese Weise den Mädchen die Möglichkeit nimmt, sich von ihm zu distanzieren, um anderswo Hilfe suchen zu können.

     

    (Natürlich ist dies ärgerlich, dass sich die Zuschauer mit dem Vater versöhnen. Aber hey, in der Wirklichkeit (hier in Deutschland) ist es ja erstens so, dass ziemlich wahrscheinlich die Kinder dem Mann weggenommen werden und die Unmengen von Hilfsangebote welche ausschliesslich für weibliche Bürger parat stehen, den Vater entmündigen und vielleicht noch dem sexuellen Missbrauch anklagen!)

     

    Am Ende müssen sie ihn, den Geläuterten, umarmen. So wird ihnen erneut das Recht auf eine ihnen gemäße Zuwendung aberkannt.

     

    (Et voilà, sexueller Missbrauch! Als hätten Sie es geahnt!)

     

    Ich habe selten einen solchen Schwachsinn gelesen.

    Wäre schon unglaublich interessant, wie Frau Kappert die gleiche Story mit einer Mutter besprochen hätte.

     

    Anders? Ja, da bin ich mir mehr als sicher.

     

    Erstaunlicherweise sind alle anderen Filmkritiken ganz ganz anders und sehen in diesem Film hauptsächlich die Kritik an dem Irak-Krieg.

    Aber Ihre Ideologie überstahlt alles!!!!

     

    Frau Kappert sie und ihre Kritik ist unglaublich einfältig und ganz ganz aber wirklich ganz einfach feministisch gestrickt.

     

    Kopfschüttelnd

    KdN

     

    „Todd McCarthy schrieb in der Zeitschrift Variety vom 22. Januar 2007, der Film übernehme die Perspektive der Kriegsgegner. Seine emotionale Wirkung und sein familiärer Hintergrund würden ihn jedoch interessant für Menschen aus dem ganzen Spektrum der politischen Ansichten machen. Die Bandbreite der Ausdrucksmittel der Darstellung von John Cusack scheine stark eingeschränkt zu sein („it seems a limited one in a small range“).[2]“

     

    Tja, Sie sind scheinbar kein Kriegsgegner, oder ist Ihnen da einfach die Hauptaussage des Films durch die Lappen gegangen? Todd McCarthy schrieb:„…interessant für Menschen aus dem ganzen Spektrum der politischen Ansicht machen.“ Naja, ausser einer bestimmten Ideologie!

     

    „James C. Strouse gewann im Jahr 2007 den Publikumspreis und den Waldo Salt Screenwriting Award des Sundance Film Festivals; er wurde außerdem für den Großen Jurypreis dieses Festivals nominiert. Darüber hinaus gewann er 2007 den Kritikerpreis des Deauville Film Festivals.“

     

    Mit seinem bewegenden Debütfilm GRACE IS GONE erzählt der Regisseur und Drehbuchautor James C. Strouse („Lonesome Jim") einfühlsam vom Umgang mit Verlust und Trauer einer Familie im Kontext des Irakkriegs und seinen Auswirkungen. Sein Film wurde 2007 unter anderem mit dem Publikumspreis sowie dem Preis für das beste Drehbuch auf dem Sundance Festival und dem Critics Award auf dem Filmfest Deauville ausgezeichnet. Neben einem herausragenden John Cusack („Zimmer 1408", „Being John Malkovich", „Identität"), der zudem als Ko-Produzent auftritt, besticht der Film auch durch einen außergewöhnlichen Soundtrack, der von Clint Eastwood beigesteuert wurde.

     

    http://www.spiegel.de/kultur/kino/0,1518,574826,00.html

     

     

    http://www.cineastentreff.de/content/view/5562/31/

     

    Wenn der Krieg nach Hause kommt

     

    (tsch/cg) Wenn in letzter Zeit der Irak-Krieg in US-Filmen thematisiert wurde, stand der menschliche Aspekt im Vordergrund, etwa in Paul Haggis` „Im Tal von Elah“ (2007) oder Kimberly Peirces „Stop-Loss“ (2008). Irgendwie scheint die heroische Perspektive für diesen kontroversen Abschnitt amerikanischer Geschichte nicht angebracht zu sein. Auch das Anti-Kriegsdrama „Grace Is Gone“ setzt sich mit den Kriegsfolgen für den einfachen Menschen auseinander und verschreibt sich dadurch eher dem menschlichen Drama als einem politischen Statement. In der Rolle eines Witwers und Vaters zweier Töchter brilliert John Cusack in diesem ruhigen Mix aus Road-Movie und Familiendrama.

  • M
    michael^

    vermischt die autorin vielleicht persönliche mangelerfahrungen mit wunschvorstellungen?

     

    daseinzig unglaubliche an dem film mag sein, dass eine soldatin im krieg fällt, werden frauen doch meist von gefährlichen, militärischen operationen befreit. so weit ist die gleichberechtigung dann doch nicht...