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Kommentar Lohnforderungen der IG-MetallGerechtigkeit ist ein zu großes Wort

Kommentar von Thilo Knott

Die Lohnforderungen der IG-Metaller sind überzogen. Den Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie geht es im Vergleich zu den Millionen von Arbeitslosen doch sehr gut.

G erechtigkeit geht immer. Wer mehr Gerechtigkeit fordert, wie das Politiker aller Couleur oft tun, dem wird man allenfalls Heuchelei oder Unglaubwürdigkeit vorwerfen, aber der Grundaussage kaum widersprechen können. Gerechtigkeit wird so inflationär verwendet, dass man kaum noch durchblickt bei all den Generationen-, Geschlechter-, Zugangs-, Teilhabe-, Bildungs-, Leistungs- oder Chancengerechtigkeiten. Jetzt kommt die IG Metall bei ihrer Lohnforderung auch mit der Gerechtigkeit. Es sollen nicht nur Inflationsausgleich und Wirtschaftswachstum berücksichtigt werden, sondern auch eine "Gerechtigkeitskomponente". Das macht dann 8 Prozent mehr Lohn. Aber Gerechtigkeit in Lohnprozenten zu bilanzieren ist ein Trick der Gewerkschaft - und eine Falle zugleich.

Die IG Metall benutzt dabei höchst eindrucksvolle Zahlen zur Untermauerung ihrer Forderung. Um 220 Prozent sind die Gewinne der Unternehmen in der Branche in den vergangenen vier Jahren gestiegen, rechnet sie vor, dagegen stehen nur 16 Prozent mehr bei den Einkommen der Arbeitnehmern. Aber schon da hakt es: Warum ist das ungerecht?

Der Philosoph John Rawls definiert in seiner "Theorie der Gerechtigkeit" solche Ungleichheiten, die nämlich nur dann gerechtfertigt sind, wenn und soweit sie auch dem am schlechtesten gestellten Mitglied der Gesellschaft zu besonderem Vorteil gereichen. Also sind ein Plus von 220 Prozent gegen ein Plus von 16 Prozent nicht unbedingt ungerecht.

Abgesehen davon sind die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie nicht besonders bedürftig, sie verdienen im Schnitt gut 40.000 Euro. Wahrlich arm dran sind die Arbeitslosen. Die Unternehmen, die mit den 220 Prozent mehr Gewinn, haben im laufenden Jahr 130.000 zusätzliche Jobs geschaffen. Waren sie also ungerecht?

Das Hantieren mit dem großen Begriff Gerechtigkeit führt in eine Falle, wenn sie in Interessenpolitik und bare Münze übersetzt wird. Der Versuch der IG Metall, die Öffentlichkeit mit dem Label Gerechtigkeit für sich und ihre Lohnforderung zu gewinnen, wird misslingen.

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4 Kommentare

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  • M
    mecki

    Hey Don Ramon, nicht schlecht: "So konnte ich mir in diesem Jahr nur 2 Urlaube leisten u. muss auch bei Dingen wie Disco-, Restaurantbesuchen oder aber größeren Anschaffungen schon genau rechnen. Und dies obwohl ich Single bin, wie sollen denn Familien in diesem Staat überleben." Das kann ja wohl im hier diskutierten Kontext nur satirische gemeint sein, oder? Als langjährigem TAZ-Leser geht mir dafür aber der Humor ab und ich reagiere angemessen linkslastig und also verbiestert: Mach halt nur einmal im Jahr Urlaub und verzichte auf die eine oder andere Großanschaffung im Jahr, ein Kleinwagen tut's auch.

  • W
    walter

    So ein Blödnsinn!

     

    Die Unternehmen haben vor allem Teilzeit- u. Leiharbeit gefördert. Viele Kollegen arbeiten für Armutslöhne: Elektriker, 40 Stunden, 1200 Euro/Mon..

    Gerechtigkeit ist, wenn die die etwas erarbeiten, das Ergebnis auch ihr Eigentum nennen können.

    Gerecht wären somit nicht 8 % mehr Lohn, sondern die ganzen 220 % Gewinnzuwachs für die ArbeiterInnen.

    Der Reichtum denen die ihn erarbeiten!

  • D
    Don_Ramon

    Bei solchen Kommentaren wird die IG Metall es mit Ihrer Forderung sicher schwer haben. Dass jetzt jedoch auch die taz bei dem Spiel die arbeitende Bevölkerung und die Arbeitslosen gegeneinander auszuspielen mitmacht, verwundert mich doch sehr!!!!

     

    Der Redakteur verdient im Jahr ganz sicher mehr als 40000€ im Jahr, deshalb hat er von der Lensrealität der Menschen einfach keine Ahnung. Denn auch mit 40000€ wird das Geld langsam aber sicher doch sehr knapp. Ich spreche hier aus eigener Erfahrung (verdiene auch ca. 40000€, vielleicht sogar etwas mehr).

     

    So konnte ich mir in diesem Jahr nur 2 Urlaube leisten u. muss auch bei Dingen wie Disco-, Restaurantbesuchen oder aber größeren Anschaffungen schon genau rechnen. Und dies obwohl ich Single bin, wie sollen denn Familien in diesem Staat überleben.

     

    Und das es gerecht sein soll, dass diejenigen die im Besitz des Kapitals sind 220% vom Gewinn kriegen u. die die ihn erarbeitet haben nur 16%, dass müsste mir der Schreiberling auch nochmal erklären. Nimmt man dann noch die durchschnittliche Steigerungsrate der Managergehälter (ca. 20%) als Maßstab, ist die Forderung der Metaller sogar noch zu niedrig.

     

    Außerdem erinnere ich mich dunkel, dass z. B. in dieser Zeitung auch die Forderungen der Piloten befürwortet wurden, welche ja mit Sicherheit besser verdienen als ein durchschnittl. Metallarbeiter.

     

    Außerdem dachte ich, dass die taz für eine Abkehr von der reinen exportorientierten Wirtschaftspolitik eintritt und diese Forderung würde dazu beitragen die Inlandskonjuktur zumindest ein wenig zu beleben. Für eine große Belebung ist sich aber wie bereits oben erwähnt deutlich zu niedrig, man darf jedoch auch die wirtschaftl. Situation mancher Unternehmen nicht aus den Augen verlieren. Dies hat die IG Metall mit dieser Forderung getan.

     

    Warum jetzt die taz so gegen diese ausgewogene u. richtige Forderung schießt, kann ich mir als regelmäßiger Leser nicht erklären. Und was schlecht daran sein soll Gerechtigkeit in unserem Land endlich wieder zum Thema zu machen, weiß ich auch nicht!!! Früher waren es die linken Parteien u. Publikationen die für eine Veränderung des Status quo eintraten, jetzt tun dies nur noch einige Gewerkschaften. Denn die Alt-68er und ihre Nachfolger denken sie hätten eine perfekte Welt ohne soziale Gegensätze geschaffen u. wollen nicht wahr haben dass dem nicht so ist!!

     

    Oder warum wird die Jugend immer hoffnungsloser u. unpolitischer?? Warum sagen immer mehr Menschen dass es bei uns ungerecht zugeht??? Warum tut man heute so als ob Demokratie nur mit Kapitalismus möglich wäre?? Die Erfinder der Demokratie (Griechen) hatten doch auch keinen Kapitalismus, oder irre mich???

     

    All diese Fragen keine Antworten, will die taz ihr "linkes Profil" behalten, sollte sie solche Leute besser keine Wirtschaftsartikel mehr verfassen lassen.

     

    mfg

  • SM
    Stan Marsh

    Die BILD von heute steht auf seiten der Arbeitnehmer und der Gewerkschaft.

    Die Taz von heute macht sich zur Maulhure von Bonzen und Kapital.

    Verkehrte Welt!