Wahl in Hessen: Die Gelben hauen Koch raus
Die CDU bleibt auf dem Niveau der letzten Wahl, kann aber mit der FDP regieren, die auf 16,6 Prozent kommt. Die SPD rutscht auf 23,8 Prozent ab. Die Linke schafft den Wiedereinzug.
WIESBADEN/BERLIN taz/ap Wirklich wieder Koch? Was die hessische SPD in den vergangenen Wochen noch als warnende Frage auf Plakatwände kleben ließ, wird jetzt Wirklichkeit: Die CDU unter Führung von Ministerpräsident Roland Koch hat die hessische Landtagswahl für sich entschieden - und damit dürfte der alte Ministerpräsident auch der neue sein.
Laut der ZDF-Hochrechnung von 20.25 Uhr bekam die CDU 36,9 Prozent der Stimmen, fast das gleiche Ergebnis wie bei der Wahl des vergangenen Jahres. Koch sprach sich kurz nach den ersten Wahlergebnissen umgehend für eine schwarz-gelbe Koalition aus. "Wir werden uns schnell zusammentun, damit die Wählerinnen und Wähler eine handlungsfähige Regierung in Hessen bekommen", sagte der geschäftsführende Ministerpäsident. Das Land habe nun klare Mehrheiten. Damit sitzt der eigentliche Sieger des Abends wahrscheinlich bald wieder in der Regierung: die FDP, die mit 16,5 Prozent ihr bereits gutes Ergebnis von 2008 (9,4 Prozent) noch einmal deutlich verbesserte. Das ist sogar das beste Ergebnis, das die Liberalen seit fast 55 Jahren in Hessen eingefahren haben.
Ein Debakel ist das Wahlergebnis für die hessische SPD. Nach der ersten Hochrechnung erhielt die SPD mit ihrem neuen Spitzenkandidaten Thorsten Schäfer-Gümbel gerade mal 23,8 Prozent und fuhr damit ihr schlechtestes Ergebnis ein, das sie je in Hessen erreichte.
Bei der Wahl im vergangenen Jahr hatten 36,7 Prozent der WählerInnen für die SPD gestimmt, die damit nur ganz knapp hinter der CDU lag. Doch dann kam der Versuch der damaligen Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti, eine rot-grüne Minderheitsregierung mit Duldung der Linken zu bilden, der schließlich an vier AbweichlerInnen in den eigenen Reihen scheiterte.
Ypsilanti übernahm gestern für das desaströse Wahlergebnis die Verantwortung und trat von ihren Ämtern als Landeschefin und Fraktionsvorsitzende zurück. "Ich resigniere nicht, aber ich übernehme die politische Verantwortung", sagte Ypsilanti kurz nach Veröffentlichung der ersten Hochrechnung. Sie schlug Schäfer-Gümbel für beide Ämter vor. Er erklärte sich bereit, die Ämter zu übernehmen, und sprach zugleich von "einer schweren Niederlage für die SPD in Hessen". Es sei eine "Denkzettelwahl von Menschen gewesen, die enttäuscht waren, dass wir diesen Weg gegangen sind, aber die auch enttäuscht waren, dass wir es nicht hinbekommen haben".
Auch SPD-Chef Franz Müntefering räumte die schwere Wahlniederlage der hessischen Spitzenkandidaten ein, lobte zugleich aber Thorsten Schäfer-Gümbel für seine Wahlkampfführung. "Er ist die Entdeckung dieses Wahlkampfs", sagte Müntefering in Berlin. Schäfer-Gümbel habe in einer ganz schwierigen Situation "herausgeholt, was rauszuholen war". Respekt äußerte Müntefering auch für die Entscheidung von Ypsilanti, ihre Ämter als Konsequenz aus der Wahlniederlage aufzugeben. "Es kommen auch wieder bessere Zeiten - auch für Dich", sagte er an Ypsilanti gewandt.
Zum Wahlergebnis der Sozialdemokraten sagte Müntefering: "Das ist ein sehr schlechtes Ergebnis für die SPD. Aber es ist auch nicht überraschend, wenn man den Verlauf des Jahres erlebt hat." Er wies aber auch darauf hin, dass es dem hessischen Ministerpräsidenten Roland Koch (CDU) nicht gelungen sei, Stimmen hinzuzugewinnen.
Deutlich zugelegt haben die Grünen mit ihrem Spitzenkandidaten Tarek Al-Wazir, die 13,8 Prozent der Stimmen einfuhren. Doch ändern wird sich wenig für die Grünen: Sie bleiben aller Wahrscheinlichkeit nach in der Opposition, obwohl dies das beste Ergebnis ist, das die Partei in einem Flächenland je einfuhr.
Im Laufe des Abends konnten sich die Mitglieder der hessischen Linken leicht entspannen. Sah es zunächst nach einer Zitterpartie um den Wiedereinzug in den Landtag aus, stabilisierte sich das Ergebnis für die Partei auf 5,3 Prozent.
Von den 128 Sitzen des hessichen Landtags gehen 49 (2006: 42) an die CDU, 32 (42) an die SPD, die FDP erhält 22 (11), die Grünen 18 (9), und die Linke bleibt bei 7 (6) Mandaten.
Es war die zweite Landtagswahl in Hessen innerhalb eines Jahres. Die vorgezogene Neuwahl wurde notwendig, nachdem im November der Versuch Ypsilantis gescheitert war, eine rot-grüne Minderheitsregierung zu bilden. Ministerpräsident Roland Koch hatte im Parlament ebenfalls keine Mehrheit und ist seit dem 5. April 2008 nur noch geschäftsführend im Amt.
Knapp 4,4 Millionen Wahlberechtigte waren zur Stimmabgabe aufgerufen. Bei der Wahl zeichnete sich eine historisch schlechte Wahlbeteiligung ab. Bei nasskaltem Winterwetter gaben bis zum frühen Nachmittag 29,7 Prozent der knapp 4,4 Millionen Wahlberechtigten ihre Stimme ab, wie Landeswahlleiter Wolfgang Hannappel schätzte. Das waren 4,9 Prozentpunkte weniger als vor einem Jahr zur gleichen Zeit. Damals lag die Beteiligung am Ende bei dem bis dahin schlechtesten Wert von 64,3 Prozent.
Die Hessen-Wahl steht am Anfang des Superwahljahres 2009 mit 16 Wahlen, dessen Höhepunkt die Bundestagswahl am 27. September ist. Der Ausgang der Hessen-Wahl beeinflusst auch die Mehrheitsverhältnisse im Bundesrat und in der Bundesversammlung, die am 23. Mai den neuen Bundespräsidenten wählen wird.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
Starten Sie jetzt eine spannende Diskussion!