Verbrechen gegen die Menschlichkeit: Khmer-Massenmörder vor Gericht
Der erste Exkader der Roten Khmer muss sich in Kambodscha vor der Justiz verantworten. Kaing Khek Iev leitete ein Foltergefängnis. Der Vorwurf: Verbrechen gegen die Menschlichkeit.
Nur seine Augen bewegten sich in dem ansonsten starren Gesicht. In ein blaues Hemd gekleidet verfolgte Kaing Khek lev alias "Duch" die Ausführungen des Gerichts. Der Exleiter des Foltergefängnisses Tuol Sleng muss sich wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantworten. In Tuol Sleng in der Hauptstadt Phnom Penh waren mindestens 14.000 Männer, Frauen und Kinder gefoltert und anschließend vor den Toren der Stadt ermordet worden. Insgesamt starben während der Schreckensherrschaft der Roten Khmer zwischen 1975 und 1979 mindestens 1,7 Millionen Kambodschaner.
Zunächst beriet das Gericht über Verfahrensweisen im Prozess gegen "Duch". Erste Zeugen sollen im März aussagen. Der Prozess wird voraussichtlich bis zu sechs Monate dauern. Bei einem Schuldspruch droht dem 66-jährigen Kaing Khek lev lebenslange Haft.
Vor dem Gerichtsgebäude in Phnom Penh warteten schon am frühen Morgen mehrere hundert Kambodschaner auf den Beginn der Verhandlung. Dass nun Jahrzehnte nach dem Sturz der Roten Khmer endlich die Prozesse gegen ehemalige Kader begonnen haben, ist für sie eine Genugtuung - wenn auch eine sehr späte. "Das ist der Tag, auf den wir 30 Jahre lang gewartet haben", sagt der Maler Vann Nath. Der Künstler ist einer der wenigen, die die Hölle von Tuol Sleng überlebt hatten.
Gleich zu Beginn des Verfahrens hatte "Duchs" Verteidiger François Roux kritisiert, es sei inakzeptabel, dass Kaing Khek lev seit fast zehn Jahren ohne Gerichtsverfahren inhaftiert sei. Im Gegensatz zu anderen Angeklagten habe er zudem seine Verbrechen zugegeben und die Opfer um Verzeihung gebeten.
Prozessbeobachter bezeichneten den Auftakt als "Test". Das Tribunal werde sich hoffentlich zu einem Modell entwickeln "für eine unabhängige und unparteiische Justiz, und das in einem Land, das nicht dafür bekannt ist", so Heather Ryan von der Organisation Open Society Justice Initiative. Es ist der erste internationalisierte Gerichtshof mit mehrheitlich einheimischen Richtern und Anklägern. Urteile aber können nur mit Zustimmung mindestens eines UN-Richters gefällt werden. Trotz der Beteiligung ausländischer Juristen sind viele Kambodschaner misstrauisch, ob die Prozesse tatsächlich fair sein werden.
Schon die Etablierung des Tribunals hatte sich jahrelang verzögert, weil Kambodschas Regierung unter Premier Hun Sen bekundet hatte, dass sie nicht an einer juristischen Aufarbeitung interessiert sei. Zudem wird dem Tribunal Korruption vorgeworfen, in die mindestens zwei hochrangige kambodschanische Offizielle verwickelt sein sollen.
Außer "Duch" müssen sich noch vier weitere Exführer der Roten Khmer vor dem Gericht verantworten. Letztere hatten jahrelang unbehelligt in Freiheit gelebt. Sie behaupten weiter, von den Gräueln nichts gewusst zu haben. Dabei handelt es sich um den damaligen Chefideologen Nuon Chea, um den ehemaligen Staatschef Khieu Samphan, um Exaußenminister Ieng Sary sowie dessen Frau und einstige Sozialministerin Ieng Thirith. Khmer-Rouge-Anführer Pol Pot kann nicht mehr juristisch belangt werden. Er starb 1998.
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