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Nach Air-France-FlugkatastropheNeue Sonden für alle Airbusse

Air France tauscht ihre Geschwindigkeitsmesser jetzt früher als geplant aus. Die Pilotengewerkschaft ruft das Personal zum Boykott von Flugzeugen mit alter Technik auf.

Wenn die Geschwindigkeitsmesser versagten, bestehe ein "reales Risiko, die Kontrolle über einen Airbus zu verlieren", so die Pilotengewerkschaft. Bild: dpa

PARIS taz | Am Dienstag hat Air France damit begonnen, an sämtlichen Airbussen vom Typ A 330/A 340 mindestens zwei der drei "Pitot-Sonden" auszutauschen. Die französische Fluggesellschaft beschleunigt damit die im April begonnene Aktion. Die Röhrchen, die am Flugzeugrumpf befestigt sind, messen die Windgeschwindigkeit und liefern den Piloten wichtige Informationen für die Steuerung der Maschine. Bei der AF 447, die vor neun Tagen zwischen Rio de Janeiro und Paris mit 228 Menschen an Bord abgestürzt war, hatten die "Pitot-Sonden" in automatischen Fehlermeldungen "widersprüchliche Botschaften" abgegeben.

Bevor Air France den beschleunigten Austauch der "Pitot-Sonden" bekannt gab, hatte die Pilotengewerkschaft "Alter" am Montag das Flugpersonal aufgefordert, keinen Airbus mehr zu fliegen, der noch die alten Sonden habe. Wenn diese versagten, so die Gewerkschaft, bestehe ein "reales Risiko, die Kontrolle über einen Airbus zu verlieren". Am Abend desselben Tages lud die Fluggesellschaft die Piloten-Gewerkschaften zum Gespräch und kündigte den beschleunigten Austausch an.

Nach dem Gespräch teilte der Sprecher der Mehrheitspilotengewerkschaft SNPL, Erick Derivry, mit: "Ab Dienstag werden alle Flüge von Air France auf den A 330 und A 340 mit mindestens zwei neuen Sonden versehen sein." Er fügte hinzu, dass ein eventuelles Versagen der Sonden allein das Drama des Flugs Nummer 447 nicht erklären könne.

Offenbar war Air France schon länger bekannt, dass die Pitot-Sonden Probleme machen können. Ein internes Dokument von Air France vom November 2008, das die Nachrichtenagentur AFP eingesehen hat, erwähnt eine "bedeutsame Zahl von Störfällen" mit diesen Sonden an Airbussen vom Typ A 330-340. In ihrem Kommuniqué Nummer 12, das die Fluggesellschaft am vergangenen Samstag verschickt hat, weist Air France darauf hin, dass der europäische Flugzeughersteller Airbus seinen Kunden im September 2007 empfohlen habe, die Sonden an dem Airbus des Typs A 320 auszutauschen. Eine Empfehlung, so Air France, "lässt dem Betreiber alle Freiheit, sie teilweise, ganz oder gar nicht anzuwenden". Wenn die Sicherheit gefährdet sei, gebe es diese Freiheiten nicht. Weiter heißt es, dass Air France die Sonden an seinen Flugzeugen vom Modell A 320 ausgetauscht habe. Für die Airbusse vom Typ A 330 und A 340 sei die Austauschsonde nicht tauglich gewesen.

Ab Mai 2008 hat Air France selbst Zwischenfälle mit den Sonden bei Airbussen vom Typ A 330 und A 340 beobachtet. Anfang 2009 hätten Labortests zur Entwicklung eines neuen Sondentyps geführt. Ab 27. April habe Air France begonnen, die Pitot-Sonden in ihre Airbusse einzubauen. Bei dem Katastrophenjet stand der Austausch noch aus.

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3 Kommentare

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  • L
    Leserin

    ... ich finde es verdammt traurig, dass nach 10 Tagen kaum noch eine Zeitung über den Flugzeugabsturz schreibt. Wieviele Leichen sind denn nun geborgen worden? Wenn der wahre Grund ermittelt wurde, wird er nie kommuniziert. Warum ist doch noch gleich die Spanair-Maschine über Madrid abgestürzt??? Wieviele der zuletzt gemeldeten 41 gefundenen Leichen sind denn Deutsche? Brasilianer? Männer? Frauen? Oder vielleicht doch eine Kinderleiche? Meine Gedanken sind seit 11 Tagen bei den Flugzeuginsassen und deren letzten Lebensminuten... was denkt man, wenn man weiß, man stirbt innerhalb von 10, 20, 30, 40 Min. ?? Es muß der blanke Horror sein - und von den Hinterbliebenen will ich erst garnicht sprechen. Ich kannte eine, die im Flieger der Air France saß...

  • M
    Max

    Und dafür mußte es erst 220 Tote geben?

  • NJ
    navajo joe

    Übrigens entspricht die Zahl der Menschen, v. a. Kinder und Jugendliche, die täglich an Malaria sterben, ca. der Passagierzahl von 6 solchen Großraumflugzeugen, jeden Tag,

     

    und dabei kosten Medikamente, mit denen akut erkrankten das Leben gerettet werden kann, nur etwa einen einzigen Euro.