piwik no script img

Zukunft der Wissenschaft: viel Geld, viel Ehr’

TITEL Ein Abteilungsleiter im Bildungsministerium fördert ein Institut – und wird dort Honorarprofessor

BERLIN taz | Wolf-Dieter Lukas ist Abteilungsleiter und damit einer der wichtigsten Männer in dem Ministerium, dass Annette Schavan bis zum Samstag geführt hat. In der Hierarchie über ihm stehen nur noch vier Staatssekretäre und die Ministerin. Lukas steht aber auch für ein Problem: Aus seiner Abteilung flossen Millionenbeträge an ein Institut der Technischen Universität (TU) Berlin, das sich auf innovative Technologien spezialisiert. Dieses bedachte den leitenden Ministerialbeamten wiederum mit einer besonderen Ehre. Sie machte ihn zum Honorarprofessor.

Ein Hochhaus, 15. Stock, in Berlin. Der „Showroom“ des DAI-Labors – DAI steht für „Distributed Artificial Intelligence“ – präsentiert einige der Produkte, die einen Blick in eine vielversprechende Zukunft erlauben: eine intelligente Küchenzeile, das SmartBike, die Software Androlyzer. Die Abteilung 5 des Bundesbildungsministeriums hat viel Geld in diese Innovationen gesteckt. Lukas leitet diese Abteilung seit 2005. Verschiedene Referate unter ihm haben Projekte des Instituts in seiner Zeit als Chef mit über 8 Millionen Euro gefördert. Mal flossen 347.767 Euro für ein Projekt, mal waren es über 2,7 Millionen.

Im Februar 2010 machte die Universität den Abteilungsleiter zum Honorarprofessor. Nach dem Berliner Landeshochschulgesetz sind an die Berufung zum Honorarprofessor die gleichen Kriterien anzulegen wie an die Berufung auf reguläre Professuren. Welche Leistungen Lukas dafür nachgewiesen haben soll, ist unklar. Die Gutachten, die seiner Ernennung zugrunde liegen, sind geheim. Mit dem Titel ist zwar kein Honorar verbunden, aber Prestige.

Wenige Monate nach seiner Ernennung zum Honorarprofessor liefen am DAI-Labor zwei neue Projekte an, für die Lukas’ Abteilung große Summen bewilligte. Für eines der Vorhaben gab das Bildungsministerium 1.365.506 Euro, für ein anderes 1.465.366 Euro. Laufzeitbeginn war jeweils der 1. September 2010. Das Bundesbildungsministerium kann kein Problem erkennen. Ein Sprecher sagte: „Anträge der TU Berlin auf Bewilligung von Fördermitteln werden in gleicher Weise nach sachlichen Kriterien bearbeitet und beschieden wie die Bewilligungsanträge aller anderen Antragsteller.“ Seit seiner Ernennung zum Honorarprofessor habe Lukas keinen Bewilligungsbescheid an die TU Berlin abgezeichnet.

Das dürfte stimmen, denn für die konkreten, operativen Zuwendungen ist nicht Lukas verantwortlich, seine Mitarbeiter sind es. Doch kann ein Unterabteilungsleiter, kann ein Referent unbefangen über Zuwendungen entscheiden, wenn die Beziehungen des Abteilungsleiters zu einem Institut so eindeutig sind?

Für Timo Lange von Lobbycontrol ist klar: „Dass die Verleihung eines solchen Titels in zeitlichem Zusammenhang mit Geldzuweisungen aus dem Ministerium zu einem Interessenkonflikt führt, ist klar. Das hört sich nach einem Dankeschön an.“ Und weiter: „Es hätte im Verantwortungsbereich der Ministerin Annette Schavan gelegen, dafür zu sorgen, dass der Anschein korrupten Verhaltens in ihrem Hause vermieden wird.“

Das Ministerium bewertet den Fall dagegen anders. Ein Sprecher sagte der taz, man habe ein ausdrückliches Interesse daran, dass Beamte Praxiserfahrungen sammelten und einen engen Draht zu wissenschaftlichen Institutionen hielten.

Viele Wissenschaftler schütteln inzwischen den Kopf, wenn sie hören, wer an ihrer Uni wieder mit dem Ehrenprofessorentitel geschmückt werden soll.

Dass Annette Schavan nie Handlungsbedarf in der Angelegenheit sah, zeigt sich an ihrer eigenen Person: Im Jahr 2009 akzeptierte sie eine Honorarprofessur der Freien Universität Berlin. Nach dem Trubel um ihre Doktorarbeit könnte ihr dieser Titel nun allerdings abhandenkommen. MARTIN KAUL

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen