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Militäreinsatz in AfghanistanUS-Militär warnt vor Niederlage

Der afghanische ISAF-Kommandeur, General Stanley McChristal, warnt in einem Geheimbericht vor einer schnellen Niederlage am Hindukusch, sollten nicht mehr Soldaten eingesetzt werden.

Während die US-Militärs weitere 30.000 Soldaten fordern, wird in Deutschland über den Abzug der knapp 4.200 Deutschen debattiert. Bild: dpa

DELHI taz | Die Worte des US-Befehlshabers in Afghanistan, General Stanley McChrystal, könnten deutlicher kaum sein: Die US-geführten Truppen müssten so schnell wie möglich ihrer Strategie ändern, sonst drohe ihnen die Niederlage. "Sollte es innerhalb der kommenden zwölf Monate […] nicht gelingen, die Wucht des Aufstandes umzukehren, könnte das in der Folge bedeuten, dass es nicht mehr möglich sein wird, den Aufstand niederzuschlagen", schreibt McChrystal in einem vertraulichen Strategiepapier, das die Washington Post in ihrer Montagsausgabe veröffentlicht hat.

McChrystal, der seit Juni sowohl der internationalen Afghanistan-Schutztruppe Isaf als auch der US-Armee in Afghanistan vorsteht, hat seinen Geheimbericht vor drei Wochen der US-Regierung übermittelt. Darin bestätigt er, was Beobachter bereits seit einiger Zeit feststellen: Dass sich der Einflussbereich der Taliban immer mehr ausweitet, weil die Menschen den Bezug zur Regierung in Kabul und zu den ausländischen Truppen verloren haben. Außerdem treibe die bisherige Strategie, Angriffe der Aufständischen mit Luftangriffen zurückzuschlagen, wegen der vielen zivilen Opfer immer mehr Menschen in die Arme der Aufständischen.

Daher sollen weitaus mehr Truppen in Afghanistan gegen die Aufständischen vorgehen. Die New York Times berichtet, US-Militärs gingen davon aus, dass McChrystal bis zu 45.000 weitere US-Soldaten für Afghanistan fordert. Dabei wurde ihre Zahl seit dem Frühjahr auf 68.000 erhöht und damit fast verdoppelt. Doch das Wichtigste sei ein Wechsel der Strategie, schreibt McChrystal in seinem Bericht weiter.

Das Stichwort dabei lautet: Glaubwürdigkeit. Die Menschen in Afghanistan vertrauten den ausländischen Truppen und der Regierung in Kabul immer weniger, schreib der General. "Fortschritte werden aus zwei Richtungen bedroht: durch einen robusten Aufstand und durch eine Vertrauenskrise in die Regierung und die internationale Koalition." Mit anderen Worten: Die Isaf-Soldaten sollten in Zukunft stärker mit den Menschen in Kontakt treten und sich mehr mit deren Kultur auseinandersetzen.

Tatsächlich ist die momentane Situation in Afghanistan problematisch: In den vergangenen Monaten kam es zu den schwersten Zusammenstößen zwischen Aufständischen und US-geführten Truppen seit langem. Die Zahl der getöteten Isaf- und US-Soldaten nimmt kontinuierlich zu. Dabei beschränken sich die Kämpfe nicht mehr, wie bis vor etwa einem Jahr, weitgehend auf den Süden und Osten des Landes. Vor wenigen Wochen kam es auch in der bislang relativ ruhigen Region um Kundus im Norden des Landes zu schweren Kämpfen zwischen Aufständischen und Soldaten der Bundeswehr, die dort stationiert sind. Berichte deuten darauf hin, dass sich immer mehr gewöhnliche Bürger den Aufständischen anschließen. Manche von ihnen sollen normalen Berufe nachgehen und nur am Wochenende und an Feiertagen an der Seite der Militanten gegen die US-geführten Truppen kämpfen.

Zugleich ist die Legitimitätskrise der afghanischen Regierung, die McChrystal beschreibt, vermutlich an ihrem kritischsten Punkt angekommen. Denn eigentlich sollte die kürzlich abgehaltene Präsidentschaftswahl der Regierung in Kabul Legitimität verleihen. Viele Afghanen sehen in Präsident Hamid Karsai jedoch eine Marionette der USA. Doch nach massiven Vorwürfen von Wahlfälschungen dürften viele Afghanen den wahrscheinlichen Sieger Karsai mit genauso viel Argwohn betrachten wie vor der Abstimmung.

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7 Kommentare

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  • W
    Wellington

    Raus da!

     

    Wer will denn noch diesen Krieg?

     

    Die Wirtschaft. Die nach Ressourcen und geostrategischen Positiönchen gierenden Westmächte.

     

    Das Volk, hier wie da, ist längst gegen diesen Krieg.

     

    Deswegen: Am Sonntag LINKS wählen -

    damit die Milliarden wirklich in Mädchenschulen und Brücken gesteckt werden, und nicht in Panzer und Bomben.

  • F
    franzW

    Wenn immer mehr Truppen erforderlich sind, kann die Zustimmung der Afghanen zu der westlichen Intervention nicht so groß sein, wie die Politiker und Medien hier versuchen, es uns einzureden.

    Von "Al Quaida" ist da die Rede, von "Terroristen". Das klingt nach kleinen, konspirativen Gruppen und Banden. Das kann so wohl nicht stimmen. Sprachen nicht auch die deutschen Besatzer in der Sowjetunion von den Partisanen als "Banditen" und von "Bandenbekämpfung"?

  • M
    Malik

    Das ist nun Obamas letzte Chance, diesen Krieg zu beenden. Statt sich zu immer mehr Krieg verleiten zu lassen und sich auch als Person vollends in diesen sinnlosen Krieg zu verstricken. Er sollte eine politische Initiative zu dessen Beendigung ergreifen. Verhandlungen mit allen Kräften in Afghanistan + Taliban, natürlich. Einbezug Pakistans und anderer Nachbarn. Ziel: Waffenstillstand sofort, Bildung einer afghanischen Koalitionsregierung (nun + Taliban, natürlich, so ist die Lage). Abzug aller ausländischen Truppen, Wiederaufbauhilfe mit den Milliarden, die momentan jeden Monat durch Krieg verloren gehen. Aktuell gibt die BRD viermal mehr für den Krieg aus als für den afghanischen Wiederaufbau. Bei den USA ist das Verhältnis sogar 1:10. Wofür? Für immer mehr Tote? Oder für die vorgebliche Befreiung der Afghaninnen? Naja, dazu möchte ich gerne Informationen, wieviele Zivilisten, und darunter wieviele dieser zu "befreienden" Frauen, der Westen mittlerweile durch deren Bombardierung und umbringen "befreit" hat.

  • V
    vic

    Meine lieben Generäle, es gibt nichts zu gewinnen, für niemand. Es bleiben auf beiden Seiten nur Verlierer.

    Nur dass die Einen gehen und die Anderen bleiben. Und ihr werdet nicht bleiben.

    Vielleicht geht´s ja in den Schädel, wenn mal einer den Stahlhelm (oder Carbon?) abnimmt.

  • F
    Freya

    Die Erfahrungen Russlands in Tschetschenien, Israels im Gazastreifen und Pakistans im Swat-Tal zeigen, dass General McChristal richtig liegen dürfte: Ohne massivsten Truppeneinsatz ist gegen Islamisten genauso wenig zu erreichen wie seinerzeit gegen die Nazis.

     

    Die Islamisten scheinen über Friedensangebote nur zu lachen. Gegen alles führen sie ohne Not Krieg, vor allem gegen die eigenen Landsleute, gegen die Informationsgesellschaft und sogar gegen Buddhastatuen.

     

    Mit gewohnten Kritierien, wie materieller Not und übler Kindheit, ist das kategorisch kriegerische Wüten des Millionärssohnes Osama Bin Laden und seiner Gesinnungsgenossen genauso unerklärlich wie einst der Terrorismus der Pastorentochter Ulrike Meinhof.

  • L
    Laila

    Mit beinahe ähnlichen Worten griffen die USA massiv in Vietnam ein. Nach wieviel Millionen Toten mußten sie raus?

    Afghanistan = Vietnam II.

    Und nun Rückzug der Bundeswehr, sofort.

    Wer nach 8 Jahren Krieg so dasteht wie der 'Westen' dort, wer nach 8 Jahren Krieg nur Potemkin'sche Erfolge aufweisen kann, wer nach 8 Jahren Krieg jammert, zuviel gebombt und zuviel Einheimische getötet statt ihre 'Herzen' gewonnen zu haben, wer uns noch immer von 'Terroristen' erzählt, diese aber mit 100 000 Soldaten bekämpfen will, wer die Taliban nicht als gleichwertige Menschen, sondern als zu zivilisierende Barbaren sieht (Rom läßt grüßen), usw.sollte irgendwann Konsequenzen ziehen, sein Scheitern wunderschön verpacken, seinen Kram auch schön einpacken, Afghanistan weiter wirtschaftlich und mit guten Worten unterstützen, aber aufhören von zukünftig noch mehr zu erwartenden zivilen und militärischen Opfern zu faseln. Die westlichen Interventionstruppen abziehen. Sofort.

  • WW
    Walter Wasilewski

    Warnung vor einer Niederlage.

    Das ist das Ergebnis von 8 Jahren Militäreinsatz?Die Lösung noch mehr Soldaten noch mehr Tote?

    Wenn das Volk mit dem vorhandenen Militär einer Meinung ist und das Volk die amtierende Regierung als eine bessere Regierung hält-warum -warum- ist man seit 8 Jahren immer noch einem Widerstand ausgesetzt? Einem Widerstand der durch noch mehr Krieg allein noch mehr Opfer Zerstörung und Tod bringen wird. Raus aus Afghanistan-

    Die Schlaumeier an die Front. Der Einsatz wird vom Volk Afghanistan nicht angenommen !

    Walter Wasilewski