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LOréal-Affäre in FrankreichKontakte zur obersten Bourgeoisie

Im Zusammenhang mit der Steuerhinterziehung durch LOréal-Erbin Bettencourt fordert die Opposition den Rücktritt der Regierung.

Steht im Zentrum der Kritik: der heutige französische Arbeitsminister Eric Woerth. Bild: reuters

PARIS dpa/taz | Die Affäre um mögliche Hilfen aus der französischen Regierung für Steuerhinterziehung von Multimilliardären spitzt sich zu. Am Montag forderte das Sozialisten-Vorstandsmitglied Jean-Christophe Cambadélis erstmals den Rücktritt der gesamten Regierung. Der Sprecher der Regierungspartei UMP, Xavier Bertrand, warf den Sozialisten eine "schändliche Menschenjagd" vor. Die Opposition wolle nur die Rentenreform von Arbeitsminister Eric Woerth behindern.

Woerth war der ab 2007 bis März 2010 für die Steuern und den Kampf gegen die Steuerflucht zuständige Minister. Er verfügte über exzellente Kontakte zum Vermögensberater der reichsten Französin, der zugleich Arbeitgeber seiner Gattin war. Patrice de Maistre, der als Berater für Liliane Bettencourt ein auf rund 15 bis 17 Milliarden Euro geschätztes Vermögen verwaltet, hat mittlerweile zugegeben, dass er für seine Arbeitgeberin fast 80 Millionen Euro auf Bankkonten in der Schweiz vor dem Fiskus ins Trockene gebracht hat und wegen drohender verschärfter Amtshilfe der Eidgenossen nach Asien und Lateinamerika transferieren sollte.

Ausgangspunkt dieser Affäre waren Gespräche zwischen der LOréal-Erbin Bettencourt und ihrem Berater, die der Butler der Milliardärin mit einem Diktafon aufgezeichnet hat. Diese Bespitzelung belegte auch enorme Zuwendungen Bettencourts an ihren nimmersatten Freund und Protégé François-Marie Banier. Er soll von seiner Gönnerin annähernd 1 Milliarde Euro bekommen haben. Wegen Verdachts auf Ausnutzung der Willensschwäche der alten Dame muss er sich ab Donnerstag dafür vor Gericht verantworten.

28 CD-ROMs mit kompromittierenden Dialogen über viel Geld und Tricks zur Umgehung der Steuerbehörden sind nun in der Hand der Polizei. Ebenso diverse Informationen über -grundsätzlich nicht illegale - Wahlspenden an die Regierungspartei UMP, deren Schatzmeister Eric Woerth heißt.

Die 87-jährige Bettencourt hat sich bereit erklärt, mit dem Steueramt zusammenzuarbeiten. Damit aber ist diese Affäre längst nicht für alle Beteiligten ausgestanden. Denn bislang schienen Informationen über die Vermögen der obersten Bourgeoisie in Frankreich gut vor der Öffentlichkeit geschützt. Wer hätte je auch nur den Namen des Vermögensverwalters de Maistre erfahren oder sich für seine Beziehung zum Haushaltsminister Woerth interessiert? Niemand hätte sich daran gestoßen, dass der Minister dem Chef seiner Frau den Orden der Ehrenlegion umhängt. Nie wäre ein Zusammenhang hergestellt worden mit der Tatsache, dass wenige Monate nach seiner eigenen Berufung in die Regierung Madame Woerth in die Dienste der Vermögensverwaltung von Liliane Bettencourt trat. Und dies laut de Maistre auf ausdrücklichen Wunsch des Ministers.

Jetzt kommen täglich weitere Enthüllungen ans Licht. So hat die Staatsanwaltschaft von Nanterre bereits im Januar 2009 der Steuerverwaltung Hinweise auf mögliche Steuerdelikte bei Bettencourt gegeben. Eine Kontrolle bei dieser Sponsorin der Regierungspartei war aber offenbar nicht opportun. In Frankreich kann die Justiz nicht direkt wegen Steuerdelikten ermitteln, und für allfällige Nachforschungen über Persönlichkeiten ist ein Komitee im Ministerium zuständig, das bis vor wenigen Wochen von Woerth geleitet wurde. Heute ist er als Arbeitsminister für die Rentenreform verantwortlich, die für Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy oberste Priorität besitzt.

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