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Rabbi torpediert Nahost-Gespräche"Pest und Verderben"

Kurz vor neuen Friedensgesprächen wird der Mentor der Regierungspartei Schas ausfällig. Rabbi Ovadia Josef bittet Gott, die Palästineser ins Verderben zu führen.

Rabbi Ovadia Josef provoziert mit gewalttätigen Sprüchen. Bild: dpa

JERUSALEM taz | Der 89-jährige Rabbi Ovadia Josef hat in Israel Spekulationen darüber ausgelöst, ob er nun endgültig senil geworden ist. Die Palästinenser fordern die internationale Verurteilung der "Aufforderung zum Völkermord", und das Weiße Haus ist demonstrativ ungehalten über den Religionsgelehrten.

Grund der Aufregung war die Wochenendansprache Ovadia Josefs, in der er "all den bösen Menschen, die Israel hassen, wie Abu Masen [Palästinenserpräsident Mahmud Abbas]" wünscht, "ins Verderben zu gehen". Möge "Gott eine Plage über sie bringen und über all die schlechten Palästinenser, die Israel verfolgen", wetterte Josef weiter.

Derart "aufrührerische" Bemerkungen, so verlautete aus Washington, "schaden den Friedensbemühungen". Diese Woche am Donnerstag wollen Palästinenser und Israelis unter der Schirmherrschaft der USA wieder direkte Gespräche aufnehmen.

Der greise Mentor der orientalisch-orthodoxen Koalitionspartei Schas provoziert nicht zum ersten Mal. Dabei zielt er auf Palästinenser ebenso wie auf die "Ungläubigen" in Israel und bisweilen auch auf Aschkenasim, die aus Europa immigrierten Juden.

Die während des Holocaust Getöteten, so erklärte er vor gut einem Jahr, seien "Wiedergeburten von Sündern früherer Generationen". Und das weltliche Schulsystem nannte er einst eine Einrichtung von "Narren, die sich wie Tiere benehmen".

Solange Rabbi Ovadia seine Opfer im eigenen Staat sucht, bleibt der Schaden überschaubar. Innerhalb Israels regt sich über den alten Gelehrten kaum noch jemand weiter auf. Mit dem Chef einer Partei, die mit hunderttausenden disziplinierten Anhängern große Popularität im Volk genießt, würde es ohnehin kein Politiker aufnehmen wollen.

Regelmäßig zu den Wahlen pilgert einer nach dem anderen zu Ovadia, um sich in aller Öffentlichkeit den Segen für die eigene Partei zu holen.

Diesmal bereitete das vorlaute Mundwerk des Rabbiners Regierungschef Benjamin Netanjahu doch einige Probleme. Dies war wahrscheinlich auch das Ziel. Die konservative Partei unterstützte zwar zu Beginn des Friedensprozesses den Verzicht auf Gebiete, nimmt aber inzwischen eine kompromisslose Haltung ein.

Netanjahu distanzierte sich von Ovadia Josef, dessen Ansichten "weder meine noch die der Regierung reflektieren". Israel habe die Absicht, "Friedensverhandlungen aufzunehmen, um eine Einigung zu erreichen und den Konflikt zu beenden".

Ein Dauerthema bei den bisherigen Verhandlungen ist für Israel die antiisraelische Hetze in den palästinensischen Medien und zum Teil noch in den Schulbüchern.

Mit Josefs jüngsten Aussagen können die Palästinenser den Spieß nun umdrehen. Israel müsse mehr tun, um den Hass zu stoppen, meinte Saeb Erikat, der palästinensische Verhandlungschef. Josef fordere speziell die Ermordung von Präsident Abbas, der in ein paar Tagen schon Regierungschef Netanjahu gegenübersitzen werde, mahnte Erikat und fragte: "Ist das die Art, wie die israelische Regierung ihre Öffentlichkeit auf eine Friedensvereinbarung vorbereitet?"

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14 Kommentare

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  • T
    TOM

    Rainer: Du glaubst gar nicht wie oft Menschen dort von Israelischen Truppen getötet werden oder beschossen werden, ohne das du auch nur irgendwas davon mitbekommst. Das passiert mehrmals die Woche!!! Aber um das zu verstehen und zu wissen, müsste man sein Blickfeld erweitern und auch andere Quellen durchforsten als nur die Deutschen

  • S
    sam

    @Rainer David W. Früh

    Ovadia ist der spirituelle Führer von Schas (Also von mindestens 10% der Israelischen Bewölkerung).

    was Ovadia sagt nehmen viele sehr ernst in seiner Gemeinde ... ich verstehe nicht warum wudert man sich, wenn darüber berichtet wird..

    es wurde über den ermördeten vier israelis nicht explizit berichtet, Über dass zbs. gar auch nicht:

    "Israeli tank fire kills three in Gaza"..

    "One report said the two of those killed were a 91-year-old man and his 33-year-old grandson"

    "One Thai farm worker in Israel has been killed by rocket fire from Gaza in the past 18 months while scores of Palestinians in Gaza have been killed over the same period"

    Quelle bbc: http://www.bbc.co.uk/news/world-middle-east-11278903

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Auch interessant, dass die TAZ lieber über einen altesdementen, wunderlichen Rabbi berichtet, als über vier von Palästinensen ermordete Israelis.

  • H
    Happes

    Immer, absolut immer wenn professionelle Religiosität (ganz gleich welche Religion!) und signifikanter politischer Einfluss Hand in Hand gehen, kommt so ein verblödeter Bockmist dabei heraus. Oder kann mir jemand ein schlüssiges Gegenbeispiel nennen?

     

    Mit atheistischen Grüßen, ...

  • JC
    Joseph C.

    Ich bezweifle, dass Rabbi Josef alle Palästinenser meinte!

    Er wendet sich vermutlich nur gegen die Fatah von Präsident Abbas, die früher ganz offensichtlich eine terroristische Organisation war. Seit den Friedensverhandlungen unter Jassir Arafat gilt die Fatah im Westen als "gemäßigt". Aber viele Israelis trauen der Fatah immer noch nicht. Sie hat ihrer Meinung nach nicht genug getan, um den palästinensischen Terror gegen Israelis zu stoppen. Dass die Zahl der Anschläge in den letzten Jahren stark zurückgegangen ist, liegt hauptsächlich an dem von Israel erbauten Sicherheitszaun.

  • S
    Stefan

    >>Möge "Gott eine Plage über sie bringen und über all die schlechten Palästinenser, die Israel verfolgen"

  • S
    sue

    @paula merz

    der mann ist als einflussreicher rabbi mentor (!)der regierierungspartei (!)schas - selbstverständlich ist das eine nachricht wert, wenn er hassreden auf die palästinensische bevölkerung schwingt.

    danke, susanne knaul!

  • S
    Sondermann

    Au weia, Josef!

  • AB
    Alex B.

    @Stefan:

    Ovadja Josef ist mitnichten nur ein Privatmann und "bekloppter Rabbi", sondern das Oberhaupt einer Partei, die auf fast 10% der Stimmen kommt und in den letzten Jahren an einigen Koalitionen beteiligt war. Er ist kein israelischer Sarrazin ohne wirkliche Macht, der nur ein bisschen provoziert, sondern eine einflussreiche Figur.

    Und ein Einzelfall ist das Ganze auch mal mitnichten. Recherchieren Sie dochmal, was Matan Vilnai, damals Israels Vize-Verteidigungsminister, im Gaza-Krieg über die Palästinenser kommen lassen wollte.

  • PM
    Paula Merz

    Susanne Knaul hatte ja selten zur Nahostpolitik etwas Profundes beizutragen. Ist ihr aber inzwischen so sehr der Schreibstoff ausgegangen, daß sie unbedingt die (völlig uninteressanten) verbalen Ausfälligkeiten eines israelischen Rabbiners in einer deutschsprachigen Zeitung verbreiten lassen muß? Gibt es sonst zum Thema weiter nichts zu schreiben? Dann sollte sie es lieber lassen und auf bessere Zeiten warten. Oder sich einem anderen Thema zuwenden.

    Bitte, liebe TAZ-Redaktion, verschone uns in Zukunft vor den Artikel von Susanne Knaul zum Thema Nahost!

  • AB
    Alex B.

    Da sieht man mal wieder, wie wenig sich Fundamentalisten und Reaktionäre der verschiedenen Religionen doch unterscheiden. Mittlerweile sind nicht nur die Palästinenser im Griff der Hassprediger, sondern die Israelis ebenso immer mehr. Erst, wenn beide Seiten die religiösen Einpeitscher abschütteln, ist ein Frieden möglich.

  • AN
    Ano Nymus

    Bin ja mal gespannt, auf welche Weise Broder Kritik an den Aussagen von Ovadia Josef mit Antisemitismus gleichsetzen wird...

  • S
    Stefan

    Natürlich sind solche Aussagen ein Problem für Israel, weil sie nicht die Meinung der Israelis wiedergibt. Weiterhin gilt bezüglich Israel die Devise, dass ein belgter Einzelfall der Beweis für das Gesamte darstellt. Wen interessiert da schon die offizielle "staatliche" Hetze der PA gegen Israel? Also keine bekloppten Privatleute, sondern Offizielle!

    Interessant, dass eine solche Äußerung als Torpedierung von Friedensgesprächen geswertet wird, während sich wohl keiner die Frage stellt, ob die Hetze der PA wirklich dem Frieden nützen? "Ein Dauerthema bei den bisherigen Verhandlungen ist für Israel die antiisraelische Hetze in den palästinensischen Medien und zum Teil noch in den Schulbüchern." Genau, ein Thema für Israel, aber sicher nicht für uns. Wir hypen lieber einen bekloppten Rabbi zum Friedenshindernis.

     

    Fatah, Hamas, Islamische Djihad, Hisbollah und alle Palästinenser warten quasi auf einen Friedenvertrag und dann kommt so ein bekloppter Rabbi, der ihnen einen Strich durch die Rechnung macht. Das ist bitter.

  • O
    Otto

    "Die während des Holocaust Getöteten, so erklärte er vor gut einem Jahr, seien "Wiedergeburten von Sündern früherer Generationen."

     

    Wow, ein ultraorthodoxer Jude, der den Holocaust auf einer religiösen Ebene quasi relativiert? Eine neue Spezies!

     

     

    Wieder einmal ein Zeichen dafür, dass Religion allgemein dazu tendiert, Schaden anzurichten. Bei den angesprochenen hunderttausenden von Anhängern dieses Lobotomierten will ich gar nicht daran danken, wie viele von denen tatsächlich dem Aufruf ihres Führers folgen werden, zumal der Zeitpunkt dieser Provokation, angesichts der bevorstehenden Zusammenkunft von Netanjahu und Abbas, mit Sicherheit kein Zufall ist.