Wahlkampfaffäre: Polizeibesuch bei der CDU
Razzia bei der CDU in Niedersachsen. Bundespräsident Wulff und Ministerpräsident McAllister unter Verdacht.
In der Wolfsburger Stadtwerke-Affäre um mögliche illegale Wahlkampffinanzierung für den jetzigen Bundespräsidenten Christian Wulff wurde es am Donnerstag konkret. Staatsanwaltschaft und Polizei haben die niedersächsische CDU-Zentrale in Hannover durchsucht und Akten sichergestellt. Nach Angaben der Stadt Wolfsburg kamen die Ermittler ins Rathaus und in die Büros der Stadtwerke. Fahnder des Landeskriminalamtes (LKA) durchsuchten insgesamt 16 Gebäude, teilte die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit.
Die Staatsanwaltschaft und die Verwaltung des Bundestags ermitteln wegen des Vorwurfs, 2002 und 2003 seien CDU-Wahlkämpfe in Niedersachsen teilweise auf Kosten der Wolfsburger Stadtwerke geführt worden. Einen Bericht, nach dem auch die Privathäuser von Wolfsburgs Oberbürgermeister Rolf Schnellecke (CDU), von Stadtwerke-Vorstandschef Markus Karp und von Stadtwerke-Pressesprecher Maik Nahrstedt durchsucht wurden, wollte die Staatsanwaltschaft nicht bestätigen.
In den Stadtwerken seien Unterlagen aus den Jahren 2000 bis 2008 sichergestellt worden, teilte das Unternehmen mit. Man gehe davon aus, dass die Ermittlungen etliche Wochen dauern würden. "Wir sind dafür gerüstet, dass das Verfahren eine gewissen Dimension hat", sagte Staatsanwalt Joachim Geyer. Deswegen seien die Ermittlungen dem LKA übertragen worden.
Der beurlaubte Pressesprecher Maik Nahrstedt hatte vorige Woche den Stein ins Rollen gebracht:
Öffentliche Anschuldigungen erhob er, nachdem die Wolfsburger Stadtwerke ihm schwerwiegende Pflichtverstöße vorgeworfen und der Untreue verdächtigt hatten.
Mit einer Klage gegen das Hausverbot seines Arbeitgebers war Nahrstedt am Dienstag gescheitert.
Das Arbeitsgericht Braunschweig begründete seine Entscheidung damit, dass am Landesarbeitsgericht Hannover im Oktober eine Berufungsverhandlung in der gleichen Sache angesetzt ist.
Die Stadtwerke Wolfsburg bereiten unterdessen die fristlose Kündigung Nahrstedts vor.
Der inzwischen vom Dienst suspendierte Nahrstedt hatte behauptet, auf Kosten der Stadtwerke Wahlkampf für die CDU und den OB-Wahlkampf von Schnellecke betrieben zu haben. Dabei hatte er den ehemaligen CDU-Wahlkampfmanager Karp als Drahtzieher genannt.
SPD-Landesgeschäftsführer Michael Rüter fordert, dass der jetzige Ministerpräsident David McAllister über die Praktiken im Landtagswahlkampf 2002 / 2003 informieren müsse. Es sei nicht glaubhaft, dass McAllister als damaliger CDU-Generalsekretär nicht in die Arbeitsplanung des Wahlkampfes einbezogen war.
Der jetzige Generalsekretär Ulf Thiele wies das zurück: "Wir sind nicht Beschuldigte in diesem Verfahren." Die Staatsanwaltschaft habe erklärt, dass die CDU "unverdächtig" sei. Die Partei hatte die Vorwürfe zurückgewiesen. Ein zwölf Punkte umfassender Prüfbericht wurde an die Staatsanwaltschaft, den Bundestagspräsidenten und die Stadtwerke geschickt.
Nahrstedt hatte erklärt, während seiner Arbeitszeit im Auftrag von Karp im Landtagswahlkampf 2003 für die CDU unterwegs gewesen zu sein. Er habe zu Wahlkampfterminen einen Dienstwagen der Stadtwerke genutzt und über diese Spesen und andere Kosten abgerechnet. Dadurch seien dem städtischen Unternehmen Verluste - und der CDU Vorteile - von mindestens 100.000 Euro entstanden.
Die Wolfsburger Allgemeine Zeitung berichtet, sie habe schriftliche Belege dafür, dass führende Köpfe der Landes-CDU Nahrstedt Arbeitsaufträge erteilt hätten. Darunter soll dem Bericht zufolge auch der damalige CDU-Sprecher Olaf Glaeseker gewesen sein, ein enger Vertrauter von Wulff und heute Sprecher des Bundespräsidialamtes.
Die Opposition fordert, Wulff müsse sich jetzt äußern. "Wenn er von diesen Vorgängen wusste, hat er eine schwere Bürde auf das Amt des Bundespräsidenten geladen", sagte Bodo Ramelow (Linke). Und Stefan Wenzel, Grünen-Fraktionschef in Niedersachsen, erklärte: "Wir wollen wissen, ob sich Christian Wulff des Personals und der finanziellen Ausstattung der Stadtwerke bedient hat, um sich den Weg an die Macht zu bahnen."
Noch schweigt der Präsident.
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