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Verschollen geglaubte Skulpturen gefundenKunst unterm Bau

Elf von den Nazis beschlagnahmte und verschollen geglaubte Skulpturen der Moderne werden beim Grabungen für den U-Bahn-Bau am Roten Rathaus gefunden.

Eine Besucherin betrachtet das Bildnis der Schauspielerin Anni Mewes von Edwin Schaff aus dem Jahr 1921. Bild: dpa, Stephanie Pilick

Gut, dass es den Bau der ungeliebten "Kanzler-U-Bahn" gibt, muss man jetzt wohl sagen. Bei Grabungen vor dem Roten Rathaus haben Archäologen elf Kunstwerke geborgen, die einstmals zur NS-Schau "Entartete Kunst" von 1937 gehörten. Die verschollen geglaubten Skulpturen waren zufällig bei Erdarbeiten für die Verlängerung der U5 im Kellerschutt kriegszerstörter Häuser unter dem Rathausplatz entdeckt worden.

Bei den Kunstwerken handelt es sich um Bronzefiguren und Büsten aus Keramik im schnittigen Stil der Klassischen Moderne und des Kubismus - darunter so berühmte wie der "Kopf" (1925) von Otto Freundlich, "Stehendes Mädchen" (1930) von Otto Braun oder die "Schwangere" (1918) der Bildhauerin Emy Roeder. Deren Werke waren aus den Museen in Berlin, Hamburg, Karlsruhe und Stuttgart wie 16.000 andere im Rahmen der nationalsozialistischen Aktion "Entartete Kunst" 1937 beschlagnahmt und nach der Wanderausstellung durch das Nazi-Reich verkauft, versteckt oder vernichtet worden.

Der "sensationelle Schatz", wie Berlins Landesarchäologe und Direktor des Museums für Vor- und Frühgeschichte, Matthias Wemhoff, am Montag bei der Präsentation der Skulpturen sagte, war im Frühjahr 2010 aufgespürt und gehoben worden. Ein Bauarbeiter hatte bei Enttrümmerungsarbeiten für den U-Bahnbau auf Flächen an der ehemaligen Königstraße 50 - gegenüber dem Roten Rathaus - eine stark verschmutzte Metallfigur gefunden.

Berlins Archäologen gruben tiefer und landeten Treffer, so Wemhoff. Im August seien erste Zusammenhänge zur NS-Schau herausgefunden worden. Experten der Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK), der Forschungsstelle "Entartete Kunst" an der FU sowie der staatlichen und städtischen Museen Berlins hätten in "engagierter Zusammenarbeit" Informationen zu den Werken recherchiert. Wemhoff: "Und jetzt konnten die zum Teil erheblich korrodierten Kunstwerke eindeutig identifiziert werden."

Obwohl für drei Stücke noch kein Nachweis gelungen sei, bedeute der Fund "ein kleines Wunder", sagte der Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit. Noch nie seien Kunstwerke mit diesem Hintergrund entdeckt worden. Die freigelegten Skulpturen seien Dokumente zur Geschichte Berlins und "Zeugnisse des NS-Wahns". Durch den Fund konnte die Absicht der Nazis, diese Kunst zu vernichten, "letztlich konterkariert werden", so Wowereit.

Wie die Skulpturen unter den Rathausplatz gelangten, ist noch unklar. Sicher sei nur, so Wemhoff, dass das Wohnhaus Königstraße 50 im Krieg ausbrannte. Die nicht brennbaren Bronze- und Keramikstücke "könnten dabei in den Keller durchgerutscht" sein. Möglich sei auch, dass ein Bewohner des Hauses, Erhard Oewerdieck (1893 bis 1977), eine Verbindung zu den Kunstwerken gehabt haben könnte. Der Steuerberater und Treuhänder Oewerdieck hatte bis 1941 Büroräume im vierten Stock angemietet. Mit seiner Frau Charlotte hatte er während des Krieges jüdischen Mitbürgern geholfen. Möglich ist, dass er die Kunstwerke versteckte.

Die offenen Fragen und den Weg der Werke will SPK-Chef Hermann Parzinger auf einem Kolloquium 2011 "umfassend erforschen lassen". Dabei muss auch geklärt werden, was aus den Skulpturen und möglicher Restitutionsansprüche der Museen wird. Alle Bodenfunde - wie diese Skulpturen - sind Eigentum des Landes Berlin. Darauf wies Klaus Wowereit am Montag hin. Die Skulpturen sind darum ab Dienstag im Neuen Museum für die Öffentlichkeit ausgestellt.

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