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Holocaust-EntschädigungsfondsBetrug mit Opfer-Geldern

Das Geld sollte Bedürftigen helfen, doch Mitarbeiter bedienten sich: In den USA hat es bei Fonds für Holocaust-Überlebende mehr als 5.500 gefälschte Anträge gegegeben. Es geht um Millionen.

In den USA wurde Betrug im Namen von Holocaust-Opfern betrieben. Bild: reuters

Zwei von Deutschland finanzierte Entschädigungsfonds für Holocaust-Überlebende sind nach Erkenntnissen der US-Staatsanwaltschaft um mehr als 42 Millionen Dollar (30 Millionen Euro) betrogen worden. US-Staatsanwalt Preet Bharara sprach am Dienstag in New York von einem seit langem andauernden Betrugskomplott. Unter den 17 Angeklagten sind demnach auch ein früherer Stiftungsdirektor sowie sechs Mitarbeiter. Die Fonds werden von der Conference on Jewish Material Claims Against Germany betreut.

Bharara wirft den angeklagten Stiftungsmitarbeitern vor, mehr als 5.500 Anträge gefälscht zu haben. Außerdem sollen Leute dazu gedrängt worden sein, Mittel aus dem Fonds zu beantragen, die keine Berechtigung dazu gehabt hätten. Die Claims Conference habe die Ermittler im vergangenen Dezember auf den Betrug aufmerksam gemacht. Die Angeklagten hätten russisch-jüdische Einwanderer in den New Yorker Gemeinden in den Betrugsskandal verwickelt, in manchen Fällen hätten sie sie davon überzeugt, einen Anspruch auf Zahlungen aus den Fonds zu erheben.

Die Angeklagten hätten die Forderungen erfunden, entsprechende Anträge gestellt und die Zahlungen dann untereinander aufgeteilt, sagte die New Yorker FBI-Chefin, Janice Fedarcyk. "Fonds, die von der deutschen Regierung geschaffen und finanziert wurden, um Holocaust-Opfern zu helfen, wurden von den Gierigen abgeschöpft - und nicht wie geplant an die Bedürftigen ausgezahlt."

Nach Angaben der Ermittler geht es um zwei Geldtöpfe. Der Hardship Fonds sieht eine Einmalzahlung in Höhe von 3.600 Dollar (rund 2.600 Euro) an NS-Opfer vor, die während des "Dritten Reichs" aus ihren Wohnorten vertrieben wurden. Der sogenannte Artikel-2-Fonds unterstützt Holocaust-Überlebende, die weniger als 16.000 Dollar (rund 11.500 Euro) im Jahr zur Verfügung haben, mit etwa 411 Dollar pro Monat.

Bislang seien 4.957 Fälle identifiziert worden, in denen betrügerische Anträge auf Hilfe aus dem Hardship Fonds gestellt worden seien, teilten die Ermittler weiter mit. Der Schaden betrage rund 18 Millionen Dollar. In vermutlich 658 Fällen sei der Artikel-2-Fonds missbraucht und um insgesamt 24,5 Millionen Dollar betrogen worden.

Zwölf der Angeklagten wurden am Dienstag festgenommen, fünf weitere befinden sich bereits seit längerem in Gewahrsam. Nach Angaben der Behörden bekannten sich bereits vier Angeklagte schuldig. Den mutmaßlichen Betrügern drohen bis zu 20 Jahre Gefängnis.

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9 Kommentare

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  • G
    gerhard

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    In der NYTimes heißt es im Artikel

    "U.S. Says Holocaust Fund Was Defrauded "(November 9, 2010)

     

     

    "Over 16 years, the suspects used fake identification documents, doctored government records and a knowledge of Holocaust history to defraud the fund "

     

    Die Sache läuft so also schon seit über 16 Jahre!

    Das scheint also nicht nur eben mal ein "Ausrutscher" irgendeines Angestellten gewesen zu sein!

  • M
    Margarete

    Ja, ich habe etwas anderes erwartet und leider ist dieses betrügerische Handeln etwas, was unzähligen Menschen schadet, da es zu bestätigen scheint, was "alle" "schon immer wußten".

  • L
    Lothar

    „Holocaust-Entschädigung“ ist der Begriff eine Vereinfachung oder willentlich eingesetzter Sprachgebrauch!!??

     

    Ich möchte als entschädigungspolitischer Basisarbeiter darum bitten den Begriff des "Holcaust-Entschädung" nicht ohne klare Erläuterung zu

    verwenden.

     

    Es gab eine Debatte um den Begriff "holocaust", ob er überhaupt tauglich ist für den Völkermord an den europäischen Juden verwendet werden soll.

    Holocaust, wörtlich Brandopfer, da denke ich ist Shoa der treffenderer Begriff.

    Im allgemeinen Sprachgebrauch hat sich indes "Holocaust", sozusagen

    definitionsmächtig und wirkungsmächtig durchgesetzt.

     

    Sie sprechen von Holocaust-Entschädigung.Was meine sie da genau?

     

    Die Entschädigung nach dem EVZStiftG (Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft"(sogen. Zwangsarbeiterentschädigung)

    oder das Bundesentschädigungsgesetz!!??

    Tauglich ist dieser Begriff allemal nicht und ungenau auch. Es gibt viele verschiedene Opferkategorien und Gruppen und „Entschädigungszahlungen“ an NS-Opfer.

    Bitte genaue Begrifflichkeit und zeitliche Einordnugn ist nötig. Wenn und was meines sie!!??

     

    Wollen sie mit der undifferenzierten Begrifflichkeit den Antisemitismus befeuern.

    Oder gar die offizielle bundesrepublikanische Gedenk- und Erinnerungspolitik

    das „Holocaust-Gedenken“ zur Staatsräson erhoben hat, bestärken?

    Wollen sie die „ Greueltaten“ der Nazis das Wort reden und weitere NS-Opfer, als nichtexistent postulieren?

     

     

    Als ein langjähriger aktiver Akteur im geschichts- und

    erinnerungspolitischen Prozess möchte ich auf die "relativierenden

    Tendenzen“ im Umgang mit dem Begriff „HolocaustEntschädigung“ hinweisen und

    um Achtsamkeit und eien differenzierte Benutzen des Begriffen bitten.

     

    Es verbleibt

    mit kritischen Grüssen

     

    Lothar

  • M
    Müller

    Wunderschön anzusehen, wie sich die Antisemiten jetzt wieder demaskieren.

     

    "haben wir etwas anderes erwartet" - natürlich nicht, schließlich geht es ja um Juden und die sind bekanntlich gierig und wollen mit diesem Holocaust nur abkassieren.

     

    "wie Finkelstein schon gezeigt hat" - es geht bei diesem Fall um 6 Kriminelle, deren Handlungen natürlich sanktioniert werden. Nicht wie bei Finkelstein um die "Holocuast Industrie".

  • RD
    Rainer David W. Früh

    Bravo,

     

    das ist jetzt der Startschuss, dass auch der schmierigste Antisemit aus seinem Loch geschlichen kommt!

    Die ersten sind schon da. Es wird jetzt bestimmt heiter in diesem Forum!

  • WU
    wendy undich

    und das antisemitische ressentiment, die selbstgefällige stumpfheit des denkens und die einfache auflösung in dichotomisches schwarz-weiß denken ist ein erneutes mal vollzogen! der, der immer schon wusste, wie es läuft, kann sich im lehnstuhl ein weiteres mal bestätigt zurückfallen lassen, und seinem nachbarn, der ebenso einfältig daherdenkt, ´wissend´ und ´verstehend´ zunicken. das nennt sich dann ´komplexes nachdenken über die welt´. ich übernehme das zitat: "haben wir anderes erwartet?" passt auch hier ganz gut..

  • RF
    R.E. Ffolkes

    Diese Idioten. Waren sich womöglich nicht darüber im klaren, welchen Schaden sie damit über das finanzielle hinaus anrichten.

     

    (Wie man an den ersten Kommentaren schon sehen kann.)

  • J
    Johnny

    Welch eine Überraschung. Aber wie sie Norman Finkelstein geschasst und als Antisemiten beschimpft haben, als er ganau diese Mißstände schon vor Jahren in seinem Buch offengelegt hat.

  • TA
    The Alien

    Haben wir anderes erwartet?