piwik no script img

Erster Piraten-Prozess seit 400 Jahren"Jugendverkehrssache" Piraterie

In Hamburg stehen zehn Somalier im ersten Piraten-Prozess seit 400 Jahren vor Gericht. Einer von ihnen könnte schnell freigelassen werden - weil sein Alter ungewiss ist.

Will noch weitere "wichtige Fragen" klären: Der Vorsitzender Richter Bernd Steinmetz. Bild: dapd

HAMBURG taz | Der erste Piratenprozess seit der Hansezeit hat am Montag in Hamburg mit einer Schlappe für die Staatsanwaltschaft begonnen. Die Verteidigung erschütterte zwei Gutachten, mit denen die Strafmündigkeit eines angeblich 13-Jährigen belegt werden sollte. Nun könnte seine Freilassung folgen.

Dabei hat es die Anklageschrift in sich. Die Somalier im Alter zwischen 13 und 48 Jahren sollen im April nach einer halbstündigen Verfolgungsjagd mit zwei Speedbooten den deutschen Frachter "MV Taipan" mit Maschinenpistolen sowie einer Panzerfaust beschossen und später geentert haben. Eine geplante Entführung scheiterte wohl nur daran, dass sich die Seeleute in einen schusssicheren Schutzraum flüchteten. Die Beweislage scheint erdrückend.

Bezeichnenderweise ist die Große Strafkammer 3 des Landgerichts auf "Jugendverkehrssachen" spezialisiert, erläuterte Richter Bernd Steinmetz. Drei der zehn Angeklagten gaben ihr Alter mit 16 und jünger an. Einer von ihnen behauptet, er sei 13 Jahre alt. Damit wäre er nicht strafmündig.

Die Staatsanwaltschaft konnte den notwendigen Nachweis, dass der Junge zur Tatzeit bereits 14 war, nicht erbringen. Zwei medizinische Gutachten widersprechen sich, und die Verteidigung warf den Experten vor, das Alter des Jungen geraten zu haben. Eine auf das Jahr genaue Altersbestimmung ist wissenschaftlich umstritten. Zudem überraschten die beiden Anwälte des Angeklagten mit einer Geburtsurkunde und einer eidesstattlichen Erklärung der Mutter.

Richter Steinmetz will noch weitere "wichtige Fragen" der Anwälte klären. Dazu gehört die eher dubiose Rolle deutscher Behörden. Marinesoldaten aus den Niederlanden hatten die Seeräuber auf dem unter liberianischer Billigflagge fahrenden Containerschiff einer Hamburger Reederei festgenommen. Holland lieferte dann die Somalier in die Hansestadt aus. Bis dahin waren festgesetzte Piraten in Kenia abgeurteilt worden. Vor dem Strafgericht demonstrierte derweil ein Dutzend Aktivisten gegen "koloniales Recht".

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

2 Kommentare

 / 
  • R
    Rene

    Piraten??? Wo ist denn die Augenklappe? Spaß bei Seite...wenn an mir regelmäßig der Wohlstand vorbeischippert und ich in meinem Land Hunger und Elend erleben müsste, würde ich nichts anderes tun. Ist nur legitim...

  • Q
    Querulant

    Wenn das der Strötebecker wüsste...