piwik no script img

Wilfried Block, Vater einer ermordeten Lehrerin"Fürsorgepflicht verletzt"

Ein Jahr nach dem Mord an der Bremer Lehrerin Heike Block hat ihr Vater ein Disziplinarverfahren beantragt: Der Schulleiter habe zu spät und falsch reagiert.

Dezember 2009: Ein Porträtfoto der ermordeten Lehrerin vor dem Eingang des Gymnasiums. : dpa
Interview von Klaus Wolschner

taz: Herr Block, vor einem Jahr ist Ihre Tochter von einem ehemaligen Schüler ermordet worden. Sie haben jetzt Dienstaufsichtsbeschwerde gegen den Schulleiter gestellt. Warum kommen Sie nicht zur Ruhe?

Wilfried Block: Der Schulleiter hat in mehreren Interviews und auch in der Schule verbreitet, das Protokoll unserer Tochter sei nicht wahrheitsgemäß.

Ihre Tochter hatte über Monate eine Art Tagebuch geführt. Darin schrieb sie, sie stoße auf "Unverständnis": Was sie über das Verhalten des Schülers schreibe, werde vom Schulleiter "nicht ernst genommen".

Ja. Aber er schildert die Vorgänge ganz anders. Er will keine Verantwortung für die Vorgänge an der Schule übernehmen.

Aber Sie halten ihn für mitverantwortlich?

Ja. Er hätte viel eher und deutlich mehr tun müssen, um unsere Tochter zu schützen.

Wilfried Block

68, hat sein Leben lang für Daimler gearbeitet, anfangs in Stuttgart, zuletzt in Hamburg, wo er mit seiner Frau Magdalene lebt.

Das alles macht eine Tote auch nicht wieder lebendig.

Wir sind sehr deprimiert, dass das Protokoll unserer Tochter angezweifelt wird. Sie konnte ja, als sie diese Notizen über die Auseinandersetzung mit dem Schüler niederschrieb, nicht ahnen, dass dieser sie töten würde.

In dem Gerichtsverfahren hat der Schulleiter geäußert, ihm sei der Konflikt damals nicht so klar gewesen.

In den Notizen unserer Tochter steht, dass er angeordnet hat, dass sie dem Schüler Einzelunterricht gibt - obwohl sie und auch eine Kollegin dem Schulleiter gesagt hatten, dass jener Schüler unsere Tochter stalkt.

Heike war Ihre einzige Tochter?

Wir haben auch einen Sohn, der anderthalb Jahre jünger ist.

Gibt es irgendetwas, das einen hinwegtrösten kann über so einen Verlust?

Wir haben von unserem Sohn große Unterstützung, das hilft uns.

Sie haben Ihre Tochter in den letzten Monaten vor dem Mord intensiv begleitet.

Unsere Tochter lebte allein. Sie hat mich in diesen Monaten als ihren Berater gesehen. Ich hatte ihr empfohlen, das Protokoll zu schreiben. Sie war noch eine Woche vor ihrem Tod bei uns.

Die Landesschulbehörde Lüneburg soll nun ein neutrales Urteil über die Frage fällen, ob der Schulleiter sich stets richtig verhalten hat. Aber auch die Schulbehörde war doch informiert - und hat die Situation falsch eingeschätzt.

Das bestreitet die Schulbehörde. Aber sie war informiert, und sie hat nichts unternommen. Und dann konnte sie schon drei Wochen nach dem Tod unserer Tochter feststellen, sie könne kein Fehlverhalten des Schulleiters erkennen. Der Schulleiter hat eine Fürsorgepflicht für seine Lehrer, dieser Fürsorgepflicht ist er nicht nachgekommen. Uns, die wir das kritisieren, ist dann auf der Internetseite der Schule Rufmord vorgeworfen worden.

Glauben Sie, dass Ihre Tochter noch leben würde, wenn der Schulleiter sich anders verhalten hätte?

Das wäre Spekulation. Soweit möchte ich nicht gehen. Der Schulleiter hat keine Schuld an dem Tod unserer Tochter. Wenn der Schulleiter auf uns zugekommen wäre und gesagt hätte: "Es tut mir leid, ich habe die Situation falsch eingeschätzt, es tut mir von Herzen leid" - wenn es diese Geste gegeben hätte, dann hätte es nicht diese Zuspitzung gegeben. Wir haben eine halbe Stunde vor dem Gerichtssaal gewartet und der Schulleiter stand einige Meter neben uns. Er sah meine Frau zum ersten Mal - er ist nicht gekommen, ihr die Hand zu geben.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen