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Tunesiens Star-Blogger Slim 404Vom Twitterer zum Machthaber

"Es tut gut, den Justizminister zu hören, der einen Haftbefehl verliest, der mit Namen Ben Ali anfängt", schreibt Slim404. So twittert ein tunesischer Staatssekretär.

Arbeitet für die Übergangsregierung: Slim Amamou. Bild: dpa

Tunesien braucht kein Wikileaks. Tunesien hat Slim Amamou. Der Blogger und Internetaktivist sitzt als Staatssekretär für Jugend und Sport in der Übergangsregierung. Auf den Kabinettssitzungen macht er das, was er am besten kann: Er twittert - live mit seinem Smartphone.

Der junge Informatiker ist unter dem Namen Slim404 landesweit bekannt. Die Zahl im Namen ist eine Anspielung auf die Nachricht "404 not found", die immer dann auftauchte, wenn Tunesier eine oppositionelle Webseite oder einen unliebsamen Blog aufriefen. "Das tut gut, den Justizminister zu hören, wie er einen Haftbefehl verließt, der mit dem Namen Ben Ali anfängt", meldete sich Slim404 von der ersten Kabinettssitzung Montag vor einer Woche.

Amamou verbrachte die letzte Tage unter dem gestürzten Diktator Zine El Abidine Ben Ali in Haft. Ihm wurde vorgeworfen hinter den Cyberangriffen zu stehen, die immer wieder die Webseiten der Regierung lahmlegten. Am Vorabend des Rücktritts von Ben Ali wurde er schließlich auf freien Fuß gesetzt.

Über sein reelles Leben gibt Slim404 wenig bekannt. In den Kurzbios bei Facebook oder Twitter redet er weder über sein Alter noch über seinen Familienstand. Er unterhalte einen kleinen Informatikbetrieb und gehöre der tunesischen Piratenpartei an, ist alles, was zu lesen ist. Nur einmal trat er ins reelle Leben. Im Mai 2010 meldete er mit zwei weiteren Bloggerkollegen eine Demonstration gegen die Zensur in Tunis an. Der Marsch wurde verboten, Slim Amamou abgeführt.

Die Bloggerszene sieht ihn entweder als ihr Sprachrohr oder fordert ihn zum Rücktritt auf. "Ich werde zurücktreten, wenn ich das für mich entscheide" antwortet Slim404 und nimmt seine Arbeit auf. Er kümmert sich um die völlige Eliminierung der Internetzensur und sucht online "Ökoaktivisten, die Tunesien bei einer Klimakonferenz vertreten", oder er gibt bekannt, dass das Ministerium für Jugend und Sport 20 Prozent des Budgets an schwarze Kassen von Ben Ali überwiesen hat.

Und er twittert, wenn ihn einer der älteren Minister auf die fehlende Krawatte anspricht, und teilt der Welt mit, dass er im neuen Büro als erste Amtshandlung Linux installiere.

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2 Kommentare

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  • L
    Laura

    Auf Operation: Tunisia folgte Operation: Algeria.

     

    Aktuell ist Operation: Egypt.

    www.anonnews.org/?p=press&a=item&i=290

     

    Es gibt ein "ANONYMOUS PRESS RELEASE, January 25, 2011"

    in dem Anonymous die Presse um Berichterstattung über Tunesien, Algerien, Ägypten ... bittet.

     

    Es gerüchtet, in den IRC-Kanälen gebe es einen Raum extra für Journalisten.

  • WB
    Wolfgang Bieber

    Facebook und Co. sind also doch nicht nur schlecht. Sie können einen wertvollen Beitrag zur Demokratisierung leisten, auch wenn sie sicherlich nicht das Allheilmittel sind: http://bit.ly/gdb0Gf