piwik no script img

Junger tunesischer Oppositioneller Hadhili"Wir haben gezeigt: Alles ist möglich"

"Bleibt friedlich und lasst euch nicht spalten", rät der junge tunesische Oppositionelle Nibras Hadhili. Eine Diktatur könne gestürzt werden, und zwar über das Netz.

Auch diese Illustration wurde über das Netz verbreitet. Bild: Michael Thompson – Lizenz: CC-BY
Reiner Wandler
Interview von Reiner Wandler

taz: Erst Tunesien, jetzt vor allem Ägypten. Ist die Stunde der arabischen Jugend gekommen?

Nibras Hadhili: Keine Frage. Was uns in Tunesien geglückt ist, zeigt den jungen Menschen in der ganzen arabischen Welt, dass Veränderungen möglich sind. Die Angst vor einem starken Regime ist nicht mehr länger in den Köpfen der Jugend. Wir haben gezeigt, dass alles möglich ist. Eine Diktatur kann gestürzt werden. Wir können für eine bessere Zukunft kämpfen.

Erleben wir jetzt eine Entwicklung wie Ende der achtziger Jahre in Osteuropa?

Die Situation ist vergleichbar. In beiden Fällen haben die Menschen eine vor allem psychische Barriere überwunden. Wir werden jetzt überall in der arabischen Welt Proteste gegen die autoritären Systeme erleben.

Bisher haben viele geglaubt, dass eine Revolte in der arabischen Welt zwangsläufig gewalttätig verlaufen werde, weil es an Freiräumen fehle, die Unzufriedenheit auszudrücken. Viele erklärten auch den islamistischen Terror damit.

Auch damit hat Tunesien aufgeräumt. Wir haben gezeigt, dass die Massen, dass die Bevölkerung in der Lage ist, ein Regime zum Einsturz zu bringen, ohne Gewalt anzuwenden, ja sogar ohne eine politische Führung zu haben. Die jungen Menschen hier in Tunesien einte die Forderung nach mehr Gerechtigkeit und nach dem Ende des korrupten, autoritären Regimes. Das reichte. Als die Regierung auf die Proteste mit Gewalt gegen Zivilisten reagierte, schloss sich die ganze Bevölkerung zusammen.

Ist das die Revolte der gebildeten Jugend?

Auf Tunesien trifft das sicher zu. Die Jugend hier ist zu einem großen Teil sehr gut gebildet. Und sie hat Zugang zu allen Plattformen und sozialen Netzwerken im Internet. Das hat es sehr leicht gemacht, uns zusammenzuschließen, uns zu organisieren. Der virtuelle Raum war der Freiraum, den das Regime im wirklichen Leben nicht zuließ.

Bild: privat
Im Interview: NIBRAS HADHILI

NIBRAS HADHILI 24, Informatikstudent, Reporter des tunesischen Oppositionsradios Kalima und aktives Mitglied der Studentengewerkschaft Uget.

Welchen Rat würden Sie den ägyptischen Jugendlichen auf den Weg geben?

Es ist wichtig, für ein einziges Ziel einzutreten, nämlich für den Sturz der Diktatur. Alle Anstrengungen müssen diesem Ziel gelten. Andere Forderungen haben in einer solchen Bewegung erst einmal nichts verloren. Nur so können alle Strömungen, ohne Ausnahme, an den Protesten teilnehmen. Die Bewegung darf sich nicht spalten lassen.

Wenn irgendwelche Strömungen versuchen, sie zu vereinnahmen oder andere Strömungen auszuschließen, wird die Revolution scheitern. Außerdem ist es sehr wichtig, dass die Revolution friedlich bleibt. Nur so werden sich immer mehr Menschen den Protesten anschließen. Und das friedliche Vorgehen garantiert, dass die Revolution auch von außen mit Sympathie betrachtet wird.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • WB
    Wolfgang Bieber

    Das Netz hat eine beeindruckende Wirkung entfaltet, von Teheran bis Tunis. Von Social Media-Revolutionen dürfen wir trotzdem nicht sprechen. In 140 Zeichen ist noch kein Diktator gestürzt worden:

    http://bit.ly/eDpLt3

  • E
    end.the.occupation.73

    >> Wir haben gezeigt: alles ist möglich

     

    Und was passiert hierzulande?

     

    Wir wäre es denn mit: "Stopppt den Krieg in Afghanistan!", "Stoppt den Krieg gegen die Armen - Stoppt Hartz IV!", "Stoppt die Rettung der Milliardäre - Keine Rettung für kriminelle oder unfähige Kapital-Funktionäre!", "Stoppt aberwitzige und gefährliche Technologien!", "Stoppt alle megalomanen Bauprojekte!", "Stoppt die geistige Kasernierung an deutschen Universitäten!" , "Stoppt die ethn. Säuberung in Jerusalem!" nicht zu vergessen "Stoppt die geistige Ödnis und den Opportunismus in den Redaktionen!".

     

    Die Tunesier haben es uns vorgemacht - nun sind wir dran - oder?

     

    Ach ja - mit Mausklicks alleine wird das natürlich nicht gehen - und auch nicht allein durch das Füllen von Kommentarspalten ...

  • S
    steffen

    So wie die Osteuropäer sich von der Religion des Diktatur-Kommunismus befreit haben wollen die Menschen in den arabischen Ländern weder Diktaur noch einen bis in jeden privaten Winkel des Lebens greifenden Islam.

    Es ist ihnen zu gönnen, denn jede ausschließliche Form ob nun Kommunismus, Islam oder welche Religion auch immer entrechtet Menschen...

    Demokratie ist eine Schnecke, aber besser als alles was den Menschen als bisehrige "Endlösung" eingefallen ist.

     

    Viel Glück