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Comiczeichner Ralf König über sein Frühwerk"Ich steh auf ausgewachsen"

Anfangs war der Comiczeichner Ralf König nur im schwulen Underground ein Star. Ein Gespräch über seine heute irritierenden frühen Arbeiten.

Comic-Zeichner Ralf König in einem Nachbau seines Arbeitsplatzes während einer Ausstellung in Oberhausen. Bild: dpa

taz: Herr König, wir haben bei Recherchen zum Thema Pädosexualität in der taz - einer der taz-Gründer war pädosexuell - im Archiv einen Ihrer Comics gefunden, der 1980 als Vorabdruck in unserer Zeitung erschienen ist. Heute ist dieses Frühwerk vergriffen, man kommt gar nicht mehr so einfach daran.

Ralf König: Zum Glück! Das muss aus "Schwulcomix 1" gewesen sein, das waren wirklich meine ersten Striche.

Der Comic prangert die Strafverfolgung eines Mannes an, der einen Jungen - genauer: einen Teenager - zum Oralsex animiert hat. Das hätten wir Ihnen nicht zugetraut.

Das klingt auch nicht nach mir. Wenn mir heute diese alten Sachen zum Signieren vorgelegt werden, dann laufe ich immer rot an. Ich finde meine Anfänge ziemlich fürchterlich. Aber den genauen Inhalt dieser Geschichte weiß ich ehrlich gesagt gar nicht mehr. Das ist dreißig Jahre her.

Haben Sie denn Ihren ersten Comicband nicht mehr?

Nein, mir waren diese alten Sachen irgendwann so peinlich, dass ich die entsorgt habe. Ich hoffte, dass andere die dann auch nicht mehr sehen.

Als Sie das gezeichnet haben, waren Sie neunzehn Jahre alt, ein junger Tischler mit Hauptschulabschluss, der in dem westfälischen Dorf Westönnen bei seinen Eltern lebte. Wie kamen Sie auf diese Geschichte?

Comics habe ich schon als Kind gezeichnet, irgendwann fing ich dann an, mein Coming-out mit meinen Zeichnungen zu begleiten. Meine ersten Comics erschienen in so linken Schwulen-Zeitungen - Rosa Flieder vor allem. Damals wurde so ziemlich alles sofort gedruckt, Hauptsache es war irgendwie schwul. Es gab einen großen Hunger nach Öffentlichkeit und Leuten, die Texte schreiben. Im Rosa-Winkel-Verlag habe ich dann das erste Heft gemacht - und da war wohl dieser Comic drin, der noch nicht mal lustig sein sollte.

Aber warum ein so pädofreundlicher Inhalt?

Das Thema lag in der Luft damals. Ich hab das gezeichnet, weil ich zu der Zeit zu jedem Quatsch meinen Senf dazugab. Was sicherlich mit reinspielte: Vorher war der Film "Die Konsequenz" im Fernsehen gelaufen.

Ein Film über einen Schauspieler, der sich im Gefängnis in den 16-jährigen Sohn des Gefängnisaufsehers verliebt.

Ein sehr trüber, dramatischer Film von Wolfgang Petersen. Damals war der ein Riesenskandal, weil er das Thema Homosexualität ins Fernsehen brachte. Es gab ja nur drei Programme und dann hat sich der Bayerische Rundfunk auch noch geweigert, das zu senden. Ich lebte noch auf dem Dorf. Ich war allein, ich wusste, dass ich schwul bin, hatte aber noch mit niemandem darüber geredet. Ich hatte ein eigenes Zimmer und einen kleinen Fernseher - und da habe ich mir den Film angeguckt. Das war ein erschütterndes Schlüsselerlebnis.

taz
Im Interview: 

Dieses Interview mit Comiczeichner Ralf König erscheint zusammen mit vielen anderen spannenden Geschichten in der sonntaz vom 16./17. April 2011 – ab Sonnabend zusammen mit der taz an ihrem Kiosk oder am eKiosk auf taz.de. Die sonntaz kommt auch zu Ihnen nach Hause: per Wochenendabo. Und für Fans und Freunde: facebook.com/sonntaz

Warum?

Die zwei Botschaften waren: Ich bin nicht allein. Und: Schwulsein ist ein großes Drama. Der Film war ja so eine Tragödie! Der 16-jährige Sohn des Gefängnisaufsehers war am Ende ein gebrochener Junge, der überhaupt nicht mehr mit der Welt und sich klarkam. Und es gab damals ja wirklich überhaupt keine positiven oder heiteren Vorbilder für mich, es gab nur ein Signal: Schwulsein ist tragisch. In dem Film ging es - genau wie später in meinem Comic - um eine unglückliche Liebe zwischen einem erwachsenen Mann und einem Teenager. Der Junge im Comic hatte sogar auch so lange Haare und so einen Pony wie im Film.

Wir haben unter Kollegen diskutiert: Wie ist Ihr Comic eigentlich gemeint?

Tja-ha - das frage ich mich nach dreißig Jahren auch. Zu welchem Schluss seid ihr gekommen?

Wir waren uns nicht einig. Das ist ja heute alles ein hoch vermintes Terrain.

Ja, aber damals, Ende der siebziger Jahre, war es das nicht. Man verurteilte nicht so schnell und es war vieles nicht bekannt, die ganzen Missbrauchsfälle, man wusste nichts von den Dimensionen, egal ob schwul oder nicht. Im Kino lief "Schulmädchen-Report", das gäbe es heute auch nicht mehr.

Damals gab es noch den Paragrafen 175 - das Schutzalter für schwule Geschlechtsakte lag bei 18, das für lesbische und heterosexuelle bei 14. Heute würden die meisten Leute die Handlung Ihres Comics vermutlich als sexuellen Missbrauch werten.

Möglich, ja.

Und damals: Haben Sie sich darin vielleicht an Ihrer eigenen Jugend abgearbeitet? Waren Sie selbst mal verliebt in ältere Männer?

Ich hatte zumindest nie pädosexuelle Neigungen, ich steh auf ausgewachsen, haarig und stämmig. Das war schon damals so. Ich weiß, dass ich als Pubertierender schon erwachsene Männer geil fand, nicht unbedingt gleichaltrige Jungs. Wenn man in der Pubertät ist, pulsiert die Libido. Ich hätte es bestimmt aufregend und spannend gefunden, wenn ich jemanden gehabt hätte, mit dem ich manches hätte ausprobieren können.

Und wie sehen Sie das heute?

Die damalige Behauptung bestimmter Gruppen, dass Kinder und Jugendliche auch Sex mit Erwachsenen haben könnten und das sei unproblematisch, die ist natürlich falsch und fatal. Ältere Männer haben keine Berechtigung, sich an Pubertierende heranzumachen. Ich weiß auch gar nicht, was das damals mit mir gemacht hätte, wenn es mir passiert wäre: Was hätte der anrichten können? Das ist hochsensibles Terrain, klar. Aber damals wurde ja noch ganz vieles in einen Topf geworfen. Man forderte nach rechts und nach links Freiheit und Emanzipation und sexuelle Verwirklichung. Und ich habe mir bei diesem Comic vermutlich einfach gar nichts gedacht. Ich habe gehört, dass es gefordert wird, und diesen Film gesehen und hab was dazu gezeichnet.

Wie sah denn Ende der siebziger Jahre schwules Leben in Westönnen aus?

Da war gar nichts. Da gabs nur einen älteren Mann, der immer in der Kneipe saß und vor sich hin trank. Wenn einer von uns Jungs pinkeln ging, konnte man die Uhr danach stellen, dass er hinterherkommt. Der hat einen nicht angepackt, auch nicht angelabert. Der stellte sich nur neben die Pinkelrinne und schielte herüber. Wir fanden das nicht mal eklig. Ein tragischer Typ. Wir haben uns ein bisschen über den lustig gemacht.

Wie alt waren Sie da?

Zwölf, dreizehn. Mein Bild vom Schwulsein war deshalb sehr, sehr negativ.

Sie haben später Kontakt zu einer Schwulengruppe in Dortmund aufgenommen. Was haben Sie da vorgefunden?

Das Schwulenzentrum war in einem Vorort von Dortmund im Hinterhof, ein ehemaliger Fischladen, gelb gekachelt, der eigentlich abgerissen werden sollte. Da trafen sich langhaarige Gestalten aus allen Ecken der Gegend und stellten fest, dass sie nicht alleine sind. Ein Fortschritt, denn die Zeiten vorher waren ja noch schlimmer.

Inwiefern?

Wer in den Sechzigern wagte, eine Schwulenkneipe aufzumachen, der musste Razzien ertragen. Die Kneipen wurden sofort von der Sittenpolizei geschlossen. Dann kam die Liberalisierung, das Schwulenzentrum war für uns ein großer Energieschub, es wurde gefeiert ohne Ende, wir hatten sehr viel Spaß. Da gabs Kulturprogramm, Theatergruppen, Feten. Ich stellte fest: Schwulsein kann ja total Spaß machen, ich muss gar nicht dramatisch vor die Hunde gehen! Da war Befreiung in der Luft, ein Nicht-mehr-Schämen. Zu den Diskussionen kam auch mal ein Transsexueller, den fand ich befremdlich. Ich war vom Dorf und hatte noch nicht so viel gesehen. Dann saß da dieser große Mann im Kleid mit Perücke, tiefer Stimme und Bartschatten und erzählte von seinen Problemen: Dass er sich im falschen Körper fühlte, umoperieren lassen will. Auch das hatte mit "schwul" im Grunde nichts zu tun.

Gab es dort - wie in anderen Schwulenzentren - auch eine Pädosexuellengruppe?

Eine Pädogruppe habe ich in Dortmund nie gesehen. Aber es gab auswärts Pädogruppen, und ich erinnere mich, dass die eher nervten. Das waren Leute, die wohl aus Nürnberg kamen.

Sie meinen die Nürnberger Indianerkommune, die sich für straffreien Sex zwischen Erwachsenen und Kindern einsetzte?

Ich erinnere mich dunkel: Die waren selbst eher jung. Wenn über irgendwas Schwulenpolitisches diskutiert wurde, dann dauerte es nicht lange, bis zwei oder drei von denen auf die Bühne kamen, die Rechte von Kindern und Jugendlichen einforderten und die Veranstaltung sprengten. Damals lag das Schutzalter für Schwule ja noch bei achtzehn Jahren. Und so schwamm da vieles in einem großen Eintopf mit. Da wurde hier und da was gefordert und nicht genau differenziert. Ob Schwule und Pädos womöglich gar nicht dieselben Ziele verfolgen, darüber wurde nicht viel nachgedacht.

War sexueller Missbrauch für Sie damals ein Thema?

Nein. Ich war selbst nur neugierig, ich wollte Sex haben - und zwar jetzt und sofort. Nach einer Pubertät und Jugend des Verheimlichens. Aber war das nicht bei den Heteros das Gleiche? Ich erinnere mich dunkel an den Film "Bilitis" von David Hamilton - da sah man sehr junge Mädchen, die Zärtlichkeiten austauschten. Oder den Film "Zärtliche Cousinen", kann man den nicht auch in dem Zusammenhang sehen? In der Zeit war es noch ein Tabu, über sexuellen Missbrauch zu sprechen und wie oft und massiv das vorkommt, in den Familien, Heimen, überall. Das durfte es wahrscheinlich nicht geben.

Erinnern Sie sich an die Debatten im Schwulenzentrum?

Wir haben in Dortmund allen Ernstes diskutiert und abgestimmt, ob man erst mal alle küssen muss, wenn man den Laden betritt. Das war damals fast Pflicht, man küsste halt erst mal jeden, ob man ihn gut kannte oder nicht. Dann stellte jemand den Antrag: Können wir damit aufhören? Am Ende wurde beschlossen, dass man nur noch den küssen müsse, den man wirklich küssen wolle.

Was ist heute der korrekte Umgang mit Pädosexuellen?

So wie es jetzt gesetzlich geregelt ist, ist das ganz richtig: Sex von Erwachsenen mit Kindern steht unter Strafe und es gibt gestaffelte Schutzaltergrenzen. Selbst wenn man den großen Schwung holt und erwähnt, dass die Griechen mit Knabenliebe ganz anders umgegangen sind und dass einiges an unserer Sexualmoral sehr katholisch ist - man muss in einer Gesellschaft eine Grenze finden und sagen: Hier beginnt das Schutzalter!

Finden Sie die aktuelle Missbrauchsdebatte hysterisch?

Nee, ich finde die eigentlich angemessen. Es war doch gut, dass die Presse richtig draufgehauen hat, als die Missstände bei den Pfarrern aufgeflogen sind. Wenn Missbrauch stattfindet und Kinder und Jugendliche ihr Leben lang darunter leiden, was ihnen jemand angetan hat, ist es richtig, dass das öffentlich intensiv diskutiert wird.

Pädosexuelle durften sich jahrelang in Schwulenzentren treffen. Schwulenmagazine informierten Pädosexuelle, wann und wo sie Gleichgesinnte finden konnten. Gibt es da für die Schwulenbewegung nicht auch was aufzuarbeiten?

Das glaube ich nicht. Für die Schwulen ist das Thema einfach vorbei. Wer ist denn jetzt noch aktiv von den alten Hasen, die damals die Schwulengruppen gegründet haben? Die haben sich alle längst ins Private zurückgezogen oder sind gestorben.

Gibt es überhaupt noch eine Schwulenbewegung?

Das habe ich mich schon vor zwanzig Jahren gefragt, wie politisch das Ganze ist. Andererseits gab es in den Achtzigern einen starken selbstbewussten Zusammenhalt, als Aids aufkam. Ich sehe in den Großstädten eine Infrastruktur, die für sich läuft. Es gibt hier in Köln kein wirkliches Schwulenzentrum mehr. Gut, es gibt das Anyway, eine Anlaufstelle für junge Schwule und Lesben. Und in Berlin das SchwuZ. Aber wird da noch politisch diskutiert? Da werden eher Partys gefeiert. Die Zeiten haben sich geändert. Früher musstest du mit Herzklopfen in eine fremde Stadt fahren und an einer Tür klingeln, wo dich ein Türsteher musterte. Was das für einen Mut brauchte. Heute gibt es das Internet und es ist zum Glück leichter, Kontakte zu finden.

Ist der Kampf der Schwulen für Gleichberechtigung gewonnen?

Ich sehe da seltsam getrennte Entwicklungen. Einerseits dieses Wowereit-Westerwelle-Phänomen: Immer mehr Leute sagen öffentlich, dass sie schwul sind und es interessiert eigentlich keinen. Das ist eine sehr liberale und erfreuliche Strömung. Andererseits ist vieles davon nur eine Fußgängerzonenfreiheit. So nenne ich das. In größeren Städten wie Köln, Berlin, Hamburg kann man mit seinem Freund Arm in Arm durch die Innenstadt laufen und es stört keinen. Aber schon auf der anderen Rheinseite in Köln-Kalk würde ich das nicht mehr machen.

Und wie lebt es sich im Jahr 2011 in Westönnen?

Da möchte ich heute auch nicht zwölf sein und merken, dass ich schwul bin. Das ist dann vielleicht nicht mehr so, dass alle aus allen Wolken fallen, wenn man sein Coming-out hat. Aber normal ist es sicher auch nicht.

Wissen Sie, was auf der Website von Westönnen über Sie als Dorfberühmtheit steht?

Nein, was steht denn da?

Da steht: "Seine Klassenkameraden erinnern sich noch gerne an ihren Mitschüler, immerhin hatte er ja zu der Zeit noch nicht sein ,Coming-out' erlebt, was insbesondere seine weiblichen Klassenkameradinnen zu berichten wissen."

Was? Ich habe mein "Coming-out erlebt"? Das steht da wirklich? Unlängst hatte ich ein Klassentreffen und habe nach dreißig Jahren die Leute aus meiner Hauptschule wiedergesehen. Was natürlich aus bekannten Gründen erschütternd bis erheiternd war. Die Jungs, die ich damals sexy fand, waren jetzt vollständig auseinandergegangen. Die Frauen hatten sich generell viel besser gehalten. Ich kam herein, Margaret kam mir entgegen, ich rief laut: mein erster Zungenkuss. Alle lachten. Nur sie war etwas konsterniert.

Sie hatten als Schüler also erst mal Freundinnen?

So war das mit vierzehn: Man hat mit den Mädchen geknutscht, weil es von einem so erwartet wurde. Aber ich schielte beim Küssen auf Horst-Dieter, mit dem hätte ich wer weiß was Jugendgefährdendes getrieben!

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10 Kommentare

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  • IS
    Ilja Schmelzer

    Schade, ich hatte mehr von Ralf König gehalten.

     

    Dass man es sich heutzutage nicht mehr leisten kann, zum Thema Pädophilie eine vom Mainstream abweichende Meinung öffentlich zu äußern, ist verständlich. Aber könnte man dann nicht wenigstens dazu schweigen?

  • H
    Horst

    Dem Kommentar von Kurt Hartmann kann ich nur zustimmen. Von Ralf König bin ich nach diesem Interview schwer enttäuscht. Sieht fast so aus, als ob er nur die Themen reflektiert betrachtet, bei denen das gerade "in" ist (momentan Religion). Seine (früheren) Comics widerlegen ihn selbst.

  • T
    Thom

    Oh, Mann! "Sie haben vor 30 Jahren Sex mit Teenagern positiv dargestellt - was haben Sie zu Ihrer Verteidigung zu sagen?".

     

    Finde dieses Interview sehr, sehr, SEHR enttäuschend. Man muß bei König ja gar nicht bis 1980 zurückgehen und irgendwelche Underground-Jugendsünden hervorkramen, die eh kein Mensch gelesen hat. Was ist mit der Geschichte "175" aus "Beach Boys" von 1989 (Zitat, gerade nachgeschlagen:"Und dann waren wir beide nackt und begingen wunderbare Straftaten im Sinne des § 175")? Was ist mit "Bullenklöten" von 1992 (das vielen als sein bestes Werk gilt), wo sich Konrad von "Konrad und Paul" (den wichtigsten und beliebtesten Figuren Königs) in einen Minderjährigen verliebt?. Dann wäre da noch "Schillerlöckchen" - darin geht es u.a. drum - ich zitiere aus der Beschreibung auf Königs offizieller Webseite - "warum Mogli im Dschungelbuch so gern auf Balus pelzigem Bauch liegt [...] und um die gute, alte griechische Knabenliebe - hätte das Christentum nicht den Spaß gebremst!" Das ist von 2009.

     

    Und jetzt wird so getan, als gäbe es solche Themen bei ihm nur in irgendwelchen peinlichen, vergessenen Frühstwerken. Ich finde das äußerst unappetitlich, wie König hier dazu getrieben wird (oder, wie man wohl leider eher sagen muß, sich willfährig zeigt) Geschichtsrevisionismus zu betreiben und einen großen Teil seines Werks mehr oder weniger zu verleugnen.

     

    Also, Leute - "Bullenklöten", "Beach Boys" und "Schillerlöckchen" besser auch nicht mehr zum Signieren vorlegen. Man will den Künstler ja nicht in Verlegenheit bringen.

     

    Zitat: "Damals gab es noch den Paragrafen 175 - das Schutzalter für schwule Geschlechtsakte lag bei 18, das für lesbische und heterosexuelle bei 14. Heute würden die meisten Leute die Handlung Ihres Comics vermutlich als sexuellen Missbrauch werten."

     

    Was für ein Schwachsinn. Am Anfang des Interviews ist von einem Teenager die Rede. Wenn der Junge also nicht gerade 13 ist (und wenn das der Fall wäre, hätte die taz das sicher konkret gesagt), ist also genau das Gegenteil der Fall - damals wäre es sexueller Mißbrauch gewesen, eben wegen der gerade erwähnten homophoben Gesetzgebung - heute ist es keiner mehr, eben weil Schwule dafür gekämpft haben, dass diese Diskriminierung abgeschafft wird. Aber die taz interessiert sich anscheined nicht für die realen legalen Verhältnissen (die ja, wenn man die hier offenbar geltenden Sexualmoralvorstellungen anlegt, als geradezu widerlich permissiv angesehen werden müssen), sondern dafür, was "die meisten Leute" "als sexuellen Mißbrauch werten".

  • PN
    Peter Näf

    Schande über Ralf König, wie er ureflektiert das Credo der Feministinnen nachbetet. War doch mal ein kritischer Geist!

    Dabei schreibt er selbst: "Wenn man in der Pubertät ist, pulsiert die Libido. Ich hätte es bestimmt aufregend und spannend gefunden, wenn ich jemanden gehabt hätte, mit dem ich manches hätte ausprobieren können."

  • A
    alekto

    Sympathischer Mann: so erfrischend ehrlich. Und reflektierter als die meisten, auch wenn er das so flapsig formuliert. daumen hoch!

  • MV
    Mondrian v. Lüttichau

    Ralf König kann einem fast leid tun bei seinem rhetorischen Eiertanz, um nur in kein Fettnäpfchen zu treten, - denn schließlich, wie die TAZ-Redakteurin sagt: "ist das ja heute alles ein hoch vermintes Terrain!"

    Tatsächlich, eine offene (und angemessen differenzierte) Debatte scheint kaum mehr möglich zu sein, weil alle Angst haben, auf eine Mine zu treten. Besonders bedauerlich ist, daß fast nur Pädosex-Aktivisten wie Kurt Hartmann diese Debatte anmahnen - mit den falschen Argumenten.

     

    Zur "freien Entfaltung der Persönlichkeit" (Art. 2 GG) gehört eben auch, daß Kinder diese ihre Persönlichkeit IN KINDGEMÄSSER WEISE entfalten

    können sollen! Und von Sex steht im Art. 2 ebensowenig wie vom Recht auf Autofahren mit 10 Jahren oder sonstiger denkbarer Schwachsinn.

    Natürlich muß über sehr vieles im einzelnen immer neu diskutiert werden. Gesetzliche Regelungen verallgemeinern notwendigerweise die Vielfalt des individuellen Lebens, außerdem ändern sich soziale Umstände, Erfahrungen und Kenntnisse kommen dazu. Begrenzt wird die offene bürgerrechtspolitische Debatte aber vor allem durch mediengestützte modische Sprachregelungen, durch die Furcht, sich unbeliebt zu machen, durch die Neigung, mit den Wölfen zu heulen..

  • KH
    Kurt Hartmann

    Ihren Kommentar hier eingeben:

    Ich (Jahrgang 1956) gehöre zu den alt-Bewegten die Ralf König immer bewundert und mit Begeisterung gelesen und auch in der schwulen Presse der 80er und 90er mit promotet haben.

    Heute reflektiert er meines Erachtens nur unzureichend die Pädo-und Missbrauchsfrage der schwulen Bewegung der damaligen Zeit. Bis zum Ende der 80er Jahre lief die rechtspolitische Debatte entlang "einvernehmlicher Sexualität" die bei Homos ebensowenig wie bei Heteros NICHT strafbar sein sollte. Es gab noch den Schwulenparagrafen 175 StGB und der gab damals Anlass das Sexualstrafreht kritisch in Frage zu stellen.

     

    Heute ist eine offene Debatte kaum noch möglich, weil aus dem "sexuellen Missbrauch" eine Art von Kinderschutzideologie geworden ist. Leute, die als Kinder positive sexuelle Erfahrungen mit Älteren gemacht haben, werden häufig zensiert und totgeschwiegen. Die Dialektik ist leider gekippt.

    Dennoch wäre eine offene bürgerrechtspolitische Debatte notwenig. Einvernehmlicher Sex ist grundsätzlich in Deutschland ein Bürger- bzw. Menschenrecht (Art. 2 Grundgesetz). Für die Grundrechte gibt es jedoch keine Altersgrenze, die gelten von Anfang an. Aber für beidseitig gewünschten und genossenen Sex gibt es eine Altersgrenze (§176 StGB). Dieser Widerspruch wird zu wenig reflektiert. Ab welchem Alter ist der Mensch eigentlich lust-und orgasmusfähig? Erst ab 14 Jahren - sozusagen über Nacht? Die Debatte wird zu wenig kontrovers geführt. Die Alt-Bewegten, die sich nicht von den Pädos distanziert haben, kommen nicht mehr zu Wort und "einvernehmlichen Sex" legalisieren wollen, kommen nicht mehr zu Wort.

  • CG
    Christian Gropper

    Ich kenne den Comic nicht. Die Beschreibung Teenager lässt aber vermuten, dass es sich um einen Jugendlichen handelt mit dem Sex auch nach den heutigen Gesetzen erlaubt ist. Erstaunlich also, dass sich die taz so inkompetent an der Missbrauchshysterie beteiligt, wie leider auch schon in der Diskussion um den verstorbenen taz-Mitgründer. Ich bin gespannt mit welcher Begründung sich die taz in zwanzig Jahren für das Ganze entschuldigen wird.

  • AD
    Archibald Douglas

    "Irritierend" ist gut. Ich bins nicht gewesen, die Pfarrer warns. Aus der Ecke kam Becker, das war seine Ideologie. Schämt euch.

  • D
    David

    Danke fürs Interview.

     

    Echt nen ehrlicher und sympathischer Mensch der Ralf König.