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Twittertool gibt private Fotos weiterShitstorm über Twitpic

Nun also auch Twitpic: Der Dienst, mit dem sich Fotos auf Twitter hochladen lassen, verkauft Bilder privater Nutzer an andere. Die Empörung ist groß.

Und wem gehören diese Bilder jetzt? Startseite von Twitpic. Bild: screenshot twitpic

Ein Klick - und das Verhängnis nimmt seinen Lauf. Wer den jüngst mehrfach geänderten Nutzungsbedingungen des Online-Fotodienstes Twitpic zustimmt, stimmt damit auch zu, dass persönliche Fotos vom Anbieter genutzt, vervielfältigt, verteilt, abgewandelt sowie von Dritten übernommen und verwendet werden können - weltweit, ohne Entgelt für den Fotografen und auch für kommerzielle Zwecke.

Twitpic ist einer der Fotodienste, mit denen Bilder einfach und mit kurzen Links ins Netzwerk Twitter geladen werden können. Ist die Weitergabe von Fotos ein Skandal? Keineswegs. Twitpic treibt derzeit auf die Spitze, was andere Netzwerk- und Chatanbieter schon länger machen, etwa das Chatprogramm ICQ oder das weltweit größte Social Network Facebook (auch wenn man in den "Einstellungen" die Weitergabe von Fotos unterbinden kann).

Auch dort behalten sich die Anbieter vor, auf vom Nutzer erstellten Inhalt - Texte und Fotos - selbst zuzugreifen. Twitpic geht darüberhinaus, indem auch Dritten diese Rechte eingeräumt werden. Dabei ist die Art und Weise, wie dies geschieht, nicht eindeutig. Den geänderten Nutzungsbedingungen schob das US-Unternehmen einen Blogeintrag nach, in dem betont wird, Fotos und Copyright der Nutzer nicht preiszugeben, sondern im Gegenteil besonders zu schützen.

Man respektiere die Inhalte und Rechte der Nutzer, schreibt Twitpic-Gründer Noah Everett, gleichzeitig gelte aber: Wer eigene Inhalte auf Twitpic hochlade und zuvor die Bedingungen akzeptiert habe, der erlaube Twitpic die Nutzung dieser Inhalte - und er erlaube es auch den mit Twitpic verbundenen Partnern.

"Eine Momentaufnahme"

"Das widerspricht sich", sagt Till Kreutzer, Redakteur beim Webportal iRights.info und Spezialist für Urheberrecht in der digitalen Welt. Es handele sich bei diesem Widerspruch "möglicherweise um eine Momentaufnahme." Den Blogeintrag wertet er als eine "hastige Maßnahme, um Protesten von Twitter- und Twitpic-Nutzern" entgegenzuwirken. Und diese Proteste und Unmutsbekundungen gibt es zuhauf. Nutzer fordern Klarstellungen und Änderungen, empfehlen Alternativen, die Betreiber werden beschimpft, ein kleiner, aber internationaler "Shitstorm" zieht gegen das US-Unternehmen auf.

Sorgen müssten sich Nutzer aus Deutschland nicht machen, meint Kreutzer. Im Falle eines Rechtsstreits gelte hierzulande "in der Regel die für den Nutzer günstigste Auslegung der Nutzungsbedingungen". Die Änderungen interpretiert er, da sie über ähnliche Formulierungen in Online-Angeboten hinausgingen, als "überraschende Klausel". Und die sei eben nach deutschem Recht ungültig.

Es gebe dennoch zwei Probleme: Ein Rechtsstreit in diesem Fall könne kompliziert und langwierig werden, da er Ländergrenzen überschreite. Und: In Deutschland sei bisher noch kein Anbieter wegen solcher Regeln verurteilt worden, ein Präzedenzfall fehlt also. Die beste Waffe für Kreutzer ist derzeit: "Aufklären und in der Netzgemeinde Stimmung erzeugen."

Der Aufregung vieler Nutzer über Twitpic vorausgegangen ist ein geschäftliches Abkommen des Unternehmens mit der britischen Fotoagentur "Wenn". Daraus geht hevor, dass Fotos, die Berühmtheiten über Twitpic ins Netz stellen, von der Agentur weltweit vermarktet werden können - beide Unternehmen gaben dazu am Dienstag eine gemeinsame Erklärung heraus.

Dabei betonte der Leiter der Fotoagentur, Lloyd Beiny: "Die Annahme mancher, jedes auf Twitter verfügbare Foto sei kostenlos verfügbar, ist komplett falsch." Nach dem Deal zwischen Twitpic und "Wenn" könne jeder, der Fotos von Prominenten über Twitpic auf Twitter veröffentlichen wolle, dies tun - allerdings nur "mit der Erlaubnis von 'Wenn'." Eine Erlaubnis, die ihren Preis haben wird. Wie hoch er ist, wurde ebensowenig bekannt wie weitere Details des Deals oder der Nutzungsbedingungen von Twitpic. Fragen blieben von Twitpic und seinem Gründer Noah Everett bislang unbeantwortet.

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7 Kommentare

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  • H
    hrz

    @nerdfisch:

     

    Ich denke, ich habe das schon richtig verstanden. Es sind immer nur "die Anderen", die ihre Daten für alle zur freien Verfügung stellen sollen. Wenn es um die eigenen Daten geht, ist man dann plötzlich nicht mehr so "modern".

  • M
    m4lvin

    unschöne Sache, aber meiner Meinung nach wird man an diesem Beispiel jetzt mal sehen können ob die liebe twitter-Gemeinde Wert auf DAtenschutz legt oder nicht.

     

    Ersatz(-Anbieter) für twitpic gibt es schließlich zu Hauf.

  • D
    deviant

    @Ingo:

    Das ist keine Interpretation, dort steht eindeutig, dass man alle Rechte an Material/Information aufgibt und an ICQ übergibt; das ist kein einfaches Nutzungsrecht, sondern eine echte Eigentumsübertragung.

    Würde ich zum Beispiel ein privates Tape über ICQ versenden, könnten die es verkaufen, wenn ich das aber täte, wäre das eine Copyrightverletzung gegenüber ICQ; das ist für mich ein klarer Hinweis auf eine Eigentumsübertretung.

     

    Hinzu kommt ja, was für mich gerade bei einem Dienst wie ICQ problematisch ist: Es impliziert, dass sie alle Gespräche speichern (um überhaupt Zugriff auf diese Recht zu haben) und dass sie sie lesen (dürfen).

     

     

     

    Oder, um es mit den Worten des CCC zu sagen:

    "Das heisst konkret, dass die beispielsweise deine Logs mitschneiden, deine selbstgeschriebenen Gedichte in Buchform herausbringen und dich dann verklagen koennen, weil du deine eigenen Gedichte veroeffentlichst."

    (http://ulm.ccc.de/~marcel/warum-jabber.htm)

  • I
    Ingo

    @deviant: "Ergo: Alles was man bei ICQ tut oder sendet, ist damit Eigentum von ICQ...": Das interpretierst du falsch, wuerde ich sagen. Man gibt seine Rechte auf und erlaubt ICQ LLC. explizit die Nutzung. Fuer mich als juristischen Laien klingt das redundant -- wenn man all seine Rechte eh aufgibt (das Material also effektiv in oeffentlichen Besitz ueberfuehrt), braucht man eigentlich auch keinem explizite Nutzungsrechte zu erteilen. Aber wie dem auch sei, man uebertraegt jedenfalls die Urheber-/Besitzrechte nicht auf ICQ LLC., sondern erlaubt nur jedwede Nutzung.

  • N
    nerdfisch

    @hrz:

    Das Recht der Daten wird hier übertragen - das hat nix mit der Einstellung der freien Verwendung von Medialen Inhalten zu tun - einfach mal drüber nachdenken....

  • D
    deviant

    Toll, wie hier die AGB von ICQ verharmlost werden, wenn hier von soetwas wie "Nutzungsrecht" gesprochen wird! Ich hab keine Ahnung, wie die Bedingungen bei facebook oder twitpic aussehen, weil ich mich damit noch nicht beschäftigen musste, aber bei ICQ geht es weit über ein bloßes Recht auf Nutzung hinaus.

    Ich zitiere mal: "You agree that by posting any material or information anywhere on the ICQ Services and Information you surrender your copyright and any other proprietary right in the posted material or information. You further agree that ICQ LLC. is entitled to use at its own discretion any of the posted material or information in any manner it deems fit, including, but not limited to, publishing the material or distributing it." (Etwa: Sie stimmen zu, dass sie durch das Senden von Material oder Informationen in irgendwo in den ICQ Services ihr copyright und jedes andere proprietäre Recht auf das versendete Material aufgeben. Sie stimmen außerdem zu, dass ICQ LLC. berechtigt ist, es nach eigenem Ermessen in jeglicher für angemessen erachteten Art und Weise zu nutzen, einschließlich, aber nicht beschränkt auf, der Veröffentlich des Materials oder seine Verbreitung.).

     

    Ergo: Alles was man bei ICQ tut oder sendet, ist damit Eigentum von ICQ....

  • H
    hrz

    War es nicht das, was wir wollten, als wir begannen, nach der Abschaffung des Urheberrechts zu rufen? Im Netz darf jeder alles, ohne Grenzen. Dolle Sache, oder nicht?

     

    Also, warum dann jetzt die Aufregung, daß andere schonmal damit begonnen haben, alles nach Lust und Laune zu nutzen, was sie in die Finger bekommen?

     

    SCNR