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Kommentar SteuersenkungEine kleine Lieferung

Stefan Reinecke
Kommentar von Stefan Reinecke

Eine Steuersenkung im Konjunkturboom hat ökonomisch gesehen keinen Sinn. Aber auf das ausgedörrte Feld der Liberalen soll mal ein Regenschauer niedergehen.

D ie Steuersenkung für die Mittelschicht, die Schwarz-Gelb plant, ist ein Geschenk für die Post-Westerwelle-FDP. Der Plan soll womöglich noch vor der Sommerpause hastig den Bundestag passieren, damit die FDP-Youngster bei den Wahlen im Herbst ihrem Publikum eine Lieferung präsentieren können.

Eine Steuersenkung im Konjunkturboom ist zwar ökonomisch eher sinnfrei - aber auf das ausgedörrte Feld der Liberalen soll endlich mal ein Regenschauer niedergehen. Man traut sich kaum, dies auszusprechen, so banal und offenkundig ist dieser Deal. Die interessante Frage ist, ob dieses Manöver den Liberalen etwas bringen wird.

Eher nein. Und zwar aus drei Gründen. Es scheint ausgemacht zu sein, dass es um weniger als 10 Milliarden Euro geht. Das klingt nach viel, aber wenn man mal grob taxiert, was das für einen Durchschnittsverdiener mit zwei Kindern im Monat bringt, kommt man auf einen Betrag unter 10 Euro. Das entspricht einer Runde preisgünstige Tiefkühlpizza für die ganze Familie.

taz

STEFAN REINECKE ist Parlamentskorrespondent der taz.

Außerdem wird es äußerst schwierig, Steuersenkungen am Bundesrat vorbei durchzudrücken. Die Neigung von SPD, Grünen und Linkspartei, dort zuzustimmen, ist bescheiden. Und falls die SPD-Grünen-Länder doch Ja sagen, werden sie der FDP das Copyright streitig machen. Drittens bahnt sich ein koalitionsinterner Deal an, der für die FDP übel ausgehen kann - nämlich der Tausch "weiche Haltung bei der Vorratsdatenspeicherung gegen flotte Steuersenkung".

Dafür spricht aus liberaler Sicht, dass man mit Datenschutz sowieso keine Wahl gewinnt. So ist es - doch die FDP kann mit Datenschutz sehr wohl Wahlen verlieren. Wer entscheidet sich schon für eine Partei, deren Ethos komplett in Euro umrechenbar ist? Hatten Lindner & Rösler nicht angekündigt, zur Abwechslung mal in ein anderes Horn zu tuten?

Es gibt noch eine Möglichkeit. Die Union zögert heftig, bei dieser Steuersenkung mitzuspielen. Und Finanzminister Schäuble kann ja sehr, sehr schlechte Laune verbreiten. Womöglich wird diese gewaltige Steuersenkung in den nächsten Wochen beachtlich schrumpfen, bis sie kaum noch zu erkennen ist.

Das wäre eine Art Wiederholung von 2009, als die FDP, losgelöst von jeder Wirklichkeit, von immer neuen Steuersenkungen fantasierte. Eigentlich sind Parteien lernende Organisationen, die nicht immer denselben Fehler machen. Eigentlich.

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Stefan Reinecke
Korrespondent Parlamentsbüro
Stefan Reinecke arbeitet im Parlamentsbüro der taz mit den Schwerpunkten SPD und Linkspartei.
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6 Kommentare

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  • S
    Stefan

    @ Dirk: Die Reform der Sozialbeiträge ist bitter nötig und hätte - im Gegensatz zu Steuersenkungen - auch Arbeitsmarktpolitische Wirkungen.

  • JK
    Juergen K.

    Bei allem Respekt,

     

    Geringverdiener sind für FDP und CDU CSU die Singles,

     

    die in irgendeinem Nobel-Loft wohnen und Lafers zum Kochen bestellen.

     

    Und die 10 Mrd auf diese Million zu verteilen, macht dann schon mal 5 000 Netto per Anno.

  • H
    Hasso

    Boh eh, 10 Euro für einen Durchschnittsverdiener mit 2-Kindern-das ist ja ein Geschenk des Himmels. Wie hoch ist die nächste Diätenerhöhung für diese Pappnasen?

  • H
    Hans

    Parteien machen immer die selben Fehler - Steuersenkungen sind per se nichts Gutes, sie bewirken weitaus weniger als andere politische Maßnahmen oder Gesetze. Und bei einem bereits ungerechten, nicht-ergibiegen Steuersystem führen Senkungen zu einer Verschlechterung der Steuereinnahmesituationen und zwar immer dann, wenn die Konjunktur schwächelt. Und das ist zyklisch, wiederholt sich ständig und wird in spätestens zwei oder drei Jahren auch hier in Deutschland stattfinden.

     

    Und dann ist der Katzenjammer groß und es wird wieder dort gespart, wo Sparen den größten Schaden anrichtet: bei Rentnern, Schülern, Studenten, Arbeitslosen, Kranken und bei der Arbeitsförderungspolitik - überall dort, wo Menschen ökonomisch schwach sind.

     

    Wir leben längst in einer Gesellschaft, die sich darin eingerichtet hat, zu ignorieren, wo die Fehler vergangener Jahre schadhaft wirkten. Kein Durchschnittsabgeordneter im Bundestag, kein Landesminister und kein Ministerpräsident will heute wirklich wissen, was Hartz-IV angerichtet hat.

     

    Und genauso verhält es sich mit der Steuerpolitik: Kein einziger Verantwortlicher will wirklich wissen, was es bewirkt, wenn Reiche nicht ausreichend, dafür Durchschnittsverdiener stark, intensiv und lückenlos besteuert werden.

    Warum auch, kommt eben nicht gut und momentan brummt die Konjunktur ja schön - da ist Sonnenschein und Regen für die FDP angesagt.

     

    Aber auf diesem Feld gedeiht schon längst nur noch Unkraut: Geld auf Kapitalmärkten, keine Investitionen oder kein privater Konsum, keine Konsolidierung der Innennachfrage, was die Regierung plant, verschlimmert die bestehenden Probleme und wenn Schäuble die FDP runter handelt oder redet, wird er am Ende auch mitmachen müssen.

  • V
    vic

    Eigentlich;)

  • D
    Dirk

    Schade, dass Herr Reinecke der schwarzgelben Koalition auf den Leim geht. Der Sprech von einer Entlastung der unteren und mittleren Haushalte ist reine Ideologie. Eine Senkung des Eingangssteuersatzes führt immer auch zu einer Entlastung der Spitzenverdiener und zwar einer höheren als die bei den Klein- und Mittelverdienenden. Es ist doch genau das was schwarz gelb schon mal gemacht hat und kurze Zeit später hat die unverdächtige OECD offiziell festgestellt wer wirklich entlastet wurde: die Spitzenverdiener. Klein- und Mittelverdiener und auch Familien erreicht man nicht durch geringere Steuern, sondern durch geringere Sozialbeiträge. Aber das wäre zuviel der Solidarität im - für die Reichen - schönen Deutschland.