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Zahl der Pflegebedürftigen steigtAltenpflege, Branche mit Zukunft

In Heimen und Kliniken fehlen jetzt schon die Fachkräfte. Und das, obwohl die Zahl der Pflegebedürftigen in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

Die Pflegewirtschaft warnt vor einem Notstand und fordert mehr Pflegekräfte. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Pflegebranche benötigt in den kommenden Jahren mehr Fachpersonal denn je. Bis 2020 werden in ambulanten und stationären Pflegeeinrichtrungen zusätzlich mehr als 220.000 qualifizierte Vollzeitkräfte gebraucht, in den Krankenhäusern werden es in den nächsten zehn Jahren bis zu 140.000 sein. Zu diesem Schluss kommt eine Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln, die der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) in Auftrag gegeben hatte und die am Dienstag vorgestellt wurde.

Der Bedarf wächst, weil die Zahl der Pflegebedürftigen steigt: von derzeit 2,5 Millionen auf rund 4 Millionen im Jahr 2050. Darauf machen Demografen seit längerem aufmerksam und warnen ebenfalls vor einem Pflegefachkräftemangel.

Derzeit arbeiten in der Pflege 970.000 Beschäftigte. Für 2050 prognostiziert der bpa hier ein Wachstum auf 1,7 bis 2,2 Millionen Teilzeit- und Vollzeitkräfte. Aber wo sollen die herkommen? Schon heute findet sich für drei unbesetzte Stellen in der Altenpflege nur eine arbeitssuchende examinierte Fachkraft.

Bernd Meurer, Präsident des bpa, fordert daher zusätzliche Ausbildungsplätze, gezieltere Um- und Weiterbildungen für Krankenhauspersonal oder Mütter nach der Elternzeit sowie eine sinnvollere Zuwanderungspolitik. Darüber hinaus müssten Berufsabschlüsse qualifizierter ausländischer Fachkräfte hierzulande unbürokratischer anerkannt werden.

Pflege ist nach wie vor eine Frauendomäne und demzufolge schlechter bezahlt als stark männlich besetzte Berufszweige. Laut Meurer, der selbst drei Pflegeheime betreibt, würden manche Einrichtungen freiwillig mehr zahlen - allein um als Arbeitgeber für Fachpersonal attraktiver zu sein. "Aber ich kann über Gehälter nicht frei verhandeln, ich muss das mit den Kostenträgern abstimmen", sagte Meurer. Und die - Pflege- und Sozialkassen sowie Pflegeversicherung - machten da nicht mit.

Viele Pflegeeinrichtungen bieten flexible Arbeitszeiten und verschiedene Zeitmodelle an. Auch über Betriebs-Kitas werde nachgedacht, sagte Meurer: "Die tragen sich aber nur bei großen Betreibern." Die meisten Einrichtungen indes seien kleine Familienbetriebe, die sich hauseigene Kitas nicht leisten könnten.

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5 Kommentare

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  • H
    HKVD

    Kinderheime schließen und das Personal da arbeiten lassen. Die spielen doch so gerne den Menschen zwischen den beiden.

  • B0
    Bürger 08/15

    Wieder ein neues Berufsgebiet, wo man Konkurrenz durch billige ausländische Arbeitskräfte schaffen will statt die heimischen Arbeitslosen vernünftig auszubilden und ordentlich zu bezahlen für diese äußerst schwierige Aufgabe.

     

    Nicht jeder ist für Altenpflege geeignet, sowohl physisch als auch psychisch wird einem Pfleger viel abverlangt. Stress und körperliche Belastung sind in Pflegeberufen ein Hauptgrund für die hohe Personalfluktuationsrate.

     

    Überall liest man in den letzten Monaten was vom angeblichen "Fachkräftemangel", klasse Sache das, warum schickt man nicht die 8 Millionen inoffiziellen und teilweise ausgebildeten Arbeitslosen da hin und gibt ihnen endlich einen vernünftigen Job statt sie für 1€ Kippen sammeln zu lassen?

     

    Unwort des Jahres 2011: "Fachkräftemangel" in der Bananenrepublik Absurdistan.

  • PO
    Peter Opfermann

    Die Bezahlung in der Pflege ist durchaus angemessen (zumindest die Tariflöhne). Dass es bei den privaten Pflegediensten schwarze Schafe gibt, die versuchen Pflege-(hilfs-)kräfte mit einem Billiglohn abzuspeisen, ist auch klar, das ist aber in anderen Branchen nicht anders.

    Dass die Pflege in der Misere steckt, hat eher damit zu tun, dass zum einen der Gesestzgeber kein Interesse an einer starken (und damit auch teuereren) Pflege hat (so gab es schon Anfang der 90er Jahre aus Reihen der Pflege Bestrebungen eine Pflegekammer einzuführen, der Gesetzgeber hat die Pflege allerdings nie als verkammerungsfähigen Beruf eingestuft), zum anderen daran dass das berufspolitische Engagement der Pflegenden ausgesprochen gering ist (was sicher auch darauf zurückzuführen ist, dass Pflege ein Frauenberuf ist), und sich dieses geringe Engagement dann auch noch auf verschiedene Pflegeverbände und Gewerkschaften aufteilt. Eine Durchsetzungsfähige "Masse" an Pflegekräften bekommt man so nicht zusammen.

    Was fehlt ist eine vernünfitge Fachkräftequote (auch und gerade für ambulante Dienste). Pflegen kann eben nicht jeder, aber auch die Regierung, die immer wieder mal darüber nachdenkt Langzeitarbeitslose zu Pflegekräften zwangszuverpflichten, erweckt diesen Anschein.

    Darüberhinaus sollte das Gehalt gerechter gestaltet werden: finde ich das Grundgehalt noch ganz ansprechend für einen Ausbildungsberuf, gibt es auch mit einem Aufstieg zur Stations-, Bereichs- oder Pflegedienstleitung nur sehr geringe Gehaltszuwächse. Ausserdem muss der Dienst zu ungünstigen Zeiten (Nachts, am Wochenende und an Feiertagen) besser bezahlt werden.

    Was auf der Gegenseite von den Pflegenden verlangt werden muss, ist eine zwingend abzuleistende Zahl an Fortbildungen, die besuchet werden.

  • RE
    Rah Ering

    Branchen-Missstände müssen beseitigt werden

     

    Würde man die Pflegefachkräfte auch angemessen entlohnen, wäre es um die Branche bestimmt besser bestellt. Immer wieder berichten MitarbeiterInnen in der privaten Pflege - öffentlich - über “Lohndumping“ und Arbeitsüberlastung, sprich “Ausbeutung“ durch die Arbeitgeber. Das Ergebnis: “Pflegeskandale“ und die Abwanderung der Pflegefachkräfte in andere Berufe – die ArbeitnehmerInnen “stimmen mit den Füssen ab“; für Berufseinsteiger wird die Pflegebranche zunehmend uninteressant – ihr eilt ein schlechter Ruf voraus!

  • TF
    Thomas Fluhr

    Na, die Gesetze wurden doch schon geändert, jetzt müssen die EU_Billigarbeiter nur noch kommen. Warum sollte man also deutschen Pflegekräfte Gehälter zahlen, von denen man leben kann, die verschieden früher oder später in der Arbeitslosenstatistik und tauchen als billige Zwangsarbeiter bei der Zeitarbeit wieder auf.