Rürup über Reform der Pflegeversicherung: "Das ist allenfalls gut gemeint"

Hohe Verwaltungskosten, aber keine Verbesserung der Pflege - der Ex-Wirtschaftsweise Bert Rürup hält nichts von den Plänen des FDP-Gesundheitsministers Bahr.

Auf Kurs bleiben: Bert Rürup sieht keinen akuten Handlungsbedarf. Bild: dapd

taz: Herr Rürup, FDP-Bundesgesundheitsminister Bahr will die Finanzierung der Pflegeversicherung reformieren. Neben den existierenden Beiträgen soll jeder zwingend eine individuelle, kapitalgedeckte Zusatzversicherung abschließen. Wie sinnvoll ist das aus ökonomischer Sicht?

Bert Rürup: Die Frage ist, wofür will der Minister die Kapitalreserve? Herr Bahr lässt offen, ob damit der Anstieg des Beitragssatzes gedämpft werden soll. Laut Koalitionsvertrag soll die zusätzliche Kapitaldeckung verpflichtend und individualisiert sein. Das legt den Schluss nahe, dass es sich dabei um eine zusätzliche Finanzierungsquelle für zusätzliche Leistungen handeln soll. Das ist jedoch allenfalls gut gemeint.

Inwiefern nur gut gemeint?

Es war ein Fehler, bei der Einführung der Pflegeversicherung 1995 kein Element der Kapitaldeckung vorzusehen. Jetzt ist es zu spät und sehr teuer, dies zu reparieren. Da die zusätzliche Kapitaldeckung einerseits verpflichtend sein soll, aber andererseits ein sozialer Ausgleich zur Verhinderung einer Überforderung geringer Einkommen vorgesehen ist, dürfte das monatliche Zwangssparen kaum mehr als 10 Euro betragen. Dieser geringe Beitrag stünde in keinem Verhältnis zu den Verwaltungs- und Anlagekosten, die auf monatlich 3 Euro geschätzt werden. Ob mit den auf diese Weise angesparten Summen die Pflegeleistungen im relevanten Maße verbessert werden, darf man bezweifeln.

Warum hält die FDP dann so vehement an der Kapitaldeckung fest? Aus Ideologie?

Was im Bereich der Altersvorsorge richtig war und ist, muss nicht zur Absicherung des Pflegerisikos gelten. Man kann sich nicht des Eindrucks erwehren, dass hier einmal etwas aus Prinzip beschlossen wurde und man jetzt nicht mehr wider besseres Wissen davon wegkommt.

66, Wirtschaftswissenschaftler und emeritierte Professor. War bis 2009 Wirtschaftsweise. Er berät Banken und Versicherungen mit der MaschmeyerRürup AG.

Aber der Bedarf nach einer Finanzreform innerhalb der Pflege ist doch dringend?

Die Notwendigkeit einer Finanzierungsreform in der Pflegeversicherung wird zu hoch gehangen. Laut Regierungsschätzungen soll der Beitragssatz bis 2050 von derzeit 1,95 Prozent auf 2,8 Prozent steigen, wahrscheinlich werden es etwas über 3 Prozent sein. Das wäre prozentual gesehen ein sehr starker Anstieg, aber bezogen auf den gesamten Sozialversicherungsbeitrag gefährdet dieser Anstieg weder Wachstum noch Beschäftigung oder würde die zukünftigen Generationen über Gebühr belasten.

Was schlagen Sie statt der Kapitaldeckung vor?

Statt neue Minikapitalstöcke in der Pflege anzulegen, halte ich es für sinnvoller, den Höchstbetrag des staatlich geförderten Altersvorsorgesparens von 4 auf 4,5 Prozent zu erhöhen.

Der Vorteil?

Damit hätte man im Alter ein höheres Einkommen und könnte daraus den gestiegenen Beitragssatz in der Pflegeversicherung bequem zahlen und hätte zudem noch Geld für zusätzliche Pflegeleistungen.

Aber die private Altersvorsorge ist freiwillig. Es hätten nur Menschen Pflegeleistungen zu erwarten, die ohnehin die Möglichkeit haben, privat vorzusorgen. Das ist ungerecht.

Das ist ein Problem. Aber hier dürfen Sie nicht übersehen, dass die Pflegeversicherung als Teilkaskoversicherung eingeführt wurde. Diejenigen, die nicht entsprechend vorsorgen könnten, hätten einen höheren Anspruch auf Sozialhilfe.

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