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50 Jahre MauerbauLinkspartei will "junge Welt" kündigen

Die sozialistische Zeitung "junge Welt" provozierte mit einer Ausgabe zum Jubiläum des Mauerbaus. Teile der Linkspartei fordern jetzt, das Blatt zu boykottieren.

Offiziell hält die Partei keine Genossenschaftsanteile an der linken Tageszeitung. Über den Umfang der geschalteten Anzeigen schweigt die Linke. Bild: dpa

BERLIN taz | Die Titelseite der sozialistischen Tageszeitung junge Welt (jW) vom Samstag sorgt für heftige Kritik aus den Reihen der Linkspartei. Zum 50. Jahrestag des Mauerbaus dankte das Blatt etwa für "28 Jahre Hohenschönhausen [ehemaliges Stasigefängnis, d. Red.] ohne Hubertus Knabe".

"Ich finde das hochgradig zynisch", sagte Luc Jochimsen, Bundestagsabgeordnete der Linkspartei, der taz. Für Hinterbliebene von Maueropfern sei das ein Schlag ins Gesicht. Sie forderte, die finanzielle Unterstützung durch die Partei, etwa in Form von Anzeigen, zu beenden. In der nächsten Fraktionssitzung solle darüber abgestimmt werden.

"Das ist gezielte Provokation und der Höhepunkt einer langen Reihe von Fehlgriffen", kritisiert auch Bundestagsvize Petra Pau. Sie arbeite mit dem Blatt, das sie mehrfach persönlich beleidigt habe, seit Jahren nicht mehr zusammen.

Die jW war Sprachrohr der DDR-Jugendorganisation FDJ und wird noch heute besonders vom antikapitalistischen Flügel der Linkspartei als solches genutzt. Die innenpolitische Sprecherin der Fraktion, Ulla Jelpke, war jahrelang Ressortchefin, viele Abgeordnete schreiben für die Zeitung.

Auf Parteiveranstaltungen ist die jW mit Ständen präsent. Offiziell halten weder Partei noch Fraktion Genossenschaftsanteile. Über den Umfang der geschalteten Anzeigen schweigt die Linke. Parteichefin Gesine Lötzsch betont, dass die jW "von der Linken weder redaktionell noch sonst wie beeinflusst wird".

Dass die Zeitung dennoch privilegiert behandelt wird, stößt vielen GenossInnen bitter auf. "Wir sollten die Sonderbehandlung beenden", sagte Fraktionsvize Katja Kipping der taz. Man müsse klarmachen, dass man mit dieser Geschmacklosigkeit nichts gemein habe.

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22 Kommentare

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  • L
    Lustig

    Vor allem die geriatrische Frau Jochimsen, die 75jährige Bundestags-Oma, protestiert gegen die Junge Welt. Kein Wunder.

  • W
    Weinberg

    Einige Foristen glauben offenbar, dass es sich bei dem Käseblatt um das Parteiorgan der Linkspartei handelt.

     

    Wer heute um 7:15 Uhr das Interview mit Oskar Lafontaine im Deutschlandfunk gehört hat, konnte erfahren, dass er dieses Nicht-Parteiorgan in keiner Weise schätzt. Für seine klaren Worte ist der Saarländer bestens bekannt.

     

    Nach der medialen Abgang der „jungen welt“ aber ein Tipp für einen medialen Lichtblick. Heute um 21:45 Uhr sendet das ARD-Fernsehen ein wirklich wunderbares Leckerli …

  • D
    DerDemokrator

    @linker Spinner

     

    Es ist eben genau bisher nur eine Partei für linke Spinner die irgendwelchen Wunschträumen nachhängen wollen ohne sich mit der Realität des Lebens zu befassen. Dahinein paßt auch das man mit Mauerbau und Schießbefehl so überhaupt nichts zu tun haben will und eben auf dem Stuhl sitzen bleibt, wenn andere der Mauertoten gedenken, wenngleich das Staatstragende darin inzw. sehr pathetisch daher kommt. Trauerfeiern sind nun mal nicht für Halligalli geeignet.

     

    Ciao

    DerDemokrator

  • E
    end.the.occupation

    Witzig auch, dass die "LINKE" hier auf der rechten Seite Werbung macht.

     

    Aber sicher beeinträchtigt das nicht die journalistische Sorgfalt der taz. Die RECHTE - Ramelow et Bartsch - sind hier ja schon immer gern gesehene Stammgäste, vor allem wenn Sie auf die eigene Partei schiessen.

     

    Und das die Werbung "rechts" zu sehen ist - das hat natürlich keine politische Bedeutung.

  • J
    Jörn

    @m4rc: "Wer möchte schon ernsthaft für 28 Jahre Überwachungsstaat danken." Du scheinst einen gesunden Menschenverstand zu haben und auf der anderen Seite die junge Welt nicht zu kennen. Die möchten sich wirklich für 28 Jahre Überwachungsstaat bedanken, das meinen die leider bitterernst. Die halbe Redaktion besteht aus Stasi-Spitzeln, die stolz auf ihre frühere Arbeit sind. O-Ton Arnold Schölzel: "Sie haben 16 Millionen verraten" auf die Frage der moralischen Ebene seiner Spitzeltätigkeit gegen Kommilitonen. Nein, wenn es in Deutschland eine Zeitung gibt, die wirklich fern jeder Ironie und jeden Humors ist, dann die junge Welt. Dagegen war das ND in seiner Form als Zentralorgan der SED ein Satireblatt.

     

    Trotzdem, gegen die Pressefreiheit hat der Aufruf gar nichts, er will die jW auch nicht verbieten oder den Linke-Mitgliedern das Abo untersagen. Es geht darum, dass es nicht mehr sein kann, dass neben der Rechtfertigung von Mauer und Gefängnis eine große Anzeige der Linken-Fraktion im Bundestag prangt. Es geht darum, dass parteiöffentlich Genossenschaftsanteile gezeichnet werden und dass die junge Welt für lau Stände auf Linken-Festen besetzen oder ihre Zeitungen auf Versammlungen verteilen darf. Letztlich wird hier mit dem Einsatz von Mitgliedsbeiträgen übelste Relativierung von Verbrechen unterstützt. Wer so einen "Medienpartner" hat, muss sich über die Bücher des Laienhistorikers Hubertus Knabe oder entsprechende Artikel in der Springer-Presse nicht wundern.

  • W
    Weinberg

    Die Redakteure des Käseblattes „junge Welt“ (nach eigenen Angaben mit einer Auflage von 17.000 Exemplaren) haben sich einen Therapieplatz in einer Klappsmühle redlich verdient.

     

    Unabhängig von der Tatsache, dass die Thesen des Herrn Hubertus Knabe mitunter etwas krude sind, ist dieser in dem besagten Käseblatt erschienene Artikel äußerst zynisch und in seiner Geschmacklosigkeit nicht zu überbieten.

     

    FAZIT: DÜMMER GEHT ES NIMMER!

  • W
    Wenstruba

    Danke liebe TAZ, dass ihr darüber berichtet.

    Danke liebe TAZ, dass ihr das Gegenstück zur JW seid.

    Danke liebe TAZ, dass ihr zur Demokratie beigetragen habt.

    Danke liebe TAZ, ich sage einfach mal danke für all die Jahre!

     

    Mal ehrlich, ich war gerade dabei, wieder die JW lesen zu wollen, dann der Tag des Mauerbaus und ich dachte, ich steh wieder in Berlin-West vor der Mauer, hinter der viele BürgeRinnen auf Carepakete meiner Oma des Westens warten. Jakobs-Kaffe, Ariel-Pulver, Wrangler...all die schönen Dinge die wir hatten und auf die der Osten steil war.

     

    Die spinnen, die Gallier!

  • A
    andilotta

    Also ich fand die Titelseite vom letzten Samstag super!

  • S
    Spalte

    Spaltet euch endlich, damit ich auch endlich mal weiß was ich bekomme, sollte ich euch mal wählen.

  • SS
    Svetozar Schnuckelberger

    Wenn ich das richtig verstehe, soll die "Sonderbehandlung" aber doch gerade nicht beendet, sondern die jW vielmehr einer solchen zugeführt / sonderbehandelt werden?

  • V
    vic

    Das offizielle Regierungssprachrohr Bild ist nicht besser, nur rechter. Und führende Parteimitglieder der Linken haben zum Thema jw alles gesagt, was zu sagen war.

  • M
    mike

    zum glück ist die jw immer noch kritisch und deckt moralische verkommenheit auf und ihr als grünes hetzblatt (tz) solltet so einen artikel nicht online stellen

  • F
    fratz

    Hier kann man die komplette Stellungsnahme der Emanzipatorischen Linken lesen, jener Strömung, die diesen Boykott fordert: http://diefreiheitsliebe.de/freiheit/emazipatorische-linke-will-junge-welt-boykottieren

  • 1
    16LE

    Wann interessiert sich die LINKE eigentlich mal wirkungsvoll und öffentlich wahrnehmbar für SOZIALE GERECHTIGKEIT?

  • J
    Jonathan

    Meine Güte. Wird Zeit, dass ich die jW abonniere.

  • S
    Stefan

    Schon etwas mehr als eine geschmacklose Provokation.

  • M
    m4rc

    Ja, es war eine bewusste Provokation. Wer möchte schon ernsthaft für 28 Jahre Überwachungsstaat danken.

    Aber solange hier keine Straftaten begangen werden, wird eine Zeitung noch drucken dürfen, was sie will. Muss man nicht kaufen, muss man nicht einmal gut finden.

    Man kann bei der Titelseite "Danke" ein Augenzwinkern erkennen, sofern man das überhaupt will.

    Die Mitglieder zu zwingen sich ein anderes "Sprachrohr" zu suchen dürfte rechtlich nicht haltbar sein.

    Man mag von "Junge Welt" halten was man mag: Es ist eine Zeitung und diese ist durch das Grundgesetz geschützt als Presseerzeugnis frei von staatlichem und von Vorgaben drucken zu können, was sie wollen. Also darf man auch scheinbaren Nonsens drucken. Das machen alle anderen Blätter (mal mehr, mal weniger) täglich zur Genüge.

  • MS
    Mark Seibert

    Nach nur einem Tag haben sich schon über 150 Genossinnen und Genossen - Promis und Basis - gefunden, die ein Ende jeglicher Kooperation mit der jW fordern: www.Freiheit-und-Sozialismus.de

  • A
    Alexander

    Ach Gottchen, was wird sich auf einmal angestellt!

     

    Ich habe die Linke schon mehrfach gewählt, weil sie einfahc die Einzigen sind, die derzeit linkes Gedankengut vertreten und ich werde es vermutlich auch noch mehrmals tun.

     

    Aber die sollen sich gefälligst nicht so haben! Die sollen mal schön still sein!

    Wer ständig Stasi, Mauer und was-weiß-ich-noch-alles relativiert und von der westdeutschen Erfahrung mit Vergangenheitsbewältigung aber ums Verrecken nichts lernen will, der hat es doch nicht anders verdient!

     

    Statt dass die sich mal fragen, warum linke Zeitschriften auf so eine Idee kommen und warum die Pointe auch gut genug (sie ist verdammt gut! Musste hier irgendjemand NICHT spontan lächeln?) ist, das auch schleunigst zu drucken!

     

    Auf einmal ist man voller Pietät bei den Angehörigen der Opfer!

    Aber beim Mauergedenken sitzen bleiben und die Vorsitzende den Mauerbau ursächlich ausschließlich auf den II. Weltkrieg zurückführen lassen.

     

    Dazu fällt einem doch einfach nichts mehr ein!

  • T
    Tillmann

    Wer Begriffe wie "Sonderbehandlung" (Kipping) in den Mund nimmt, sollte lieber schweigen.

  • JL
    julius lieske

    Teile der Linkspartei?

    Wo sind die üblichen anderen Verdächtigen? Pau, Jochimsen und Kipping können doch nicht alle sein, die Hubertus Knabe verteidigen und sich vor der veröffentlichten Meinung in den Staub werfen.

    Eine Zeitung über Anzeigen-Entzug unter Druck zu setzen, damit die Redaktion schreibt, was der Kunde verlangt - Hm, woher kenne ich das nur?

    Besonders schön finde ich die taz-Formulierung, dass die JW "offiziell" keine finanzielle Unterstützung durch Parteigelder erhält. Na. Da läuft doch was? So im Untergrund, mit Seilschaften und so? Vielleicht stecken da die restlichen Trilliarden des Parteivermögens, die damals nicht - folgsam wie die Schäfchen gegenüber dem Wolf- von der Partei an den Klassenfeind ausgeliefert worden sind.

    Sollte das so sein, könnten "Teile der Linkspartei" ja eine Kampagne "Enteignet die Junge Welt" ins Leben rufen.

  • LS
    Linker Spinner

    Genau liebe Linke!

    Stellt die Zusammenarbeit mit einer der ganz wenigen Medien ein, für die ihr tatsächlich eine Partei und nicht bloß eine Kapitalverwalterin von DDR-Vermögen seid, die am besten verboten gehört.

     

    Und als nächstes schließt ihr dann alle Mitglieder aus, die irgendwann einmal nicht vollumfänglich der Parteilinie gefolgt und diese verteidigt haben. Und diejenigen, die dann übrig sind, die treffen sich alle zwei Monate zur Parteivollversammlung in Jupp's Treff, drüben an der Geschäftsstelle, ihr wisst schon...

     

    Wie sagte schon Tucholsky? "Es is so ein beruhjendes Jefiehl. Man tut wat for de Revolutzjon, aber man weeß janz jenau: mit diese Pachtei kommt se nich."

    So isses mit der Linken auch: Das Parteiprogramm ist halbwegs sympathisch, aber es gibt nicht einen Abgeordneten, der auch nur zwei Wählerstimmen wert wäre.