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Ausstiegsszenario für Stuttgart 21Regierung streitet über S21-Kosten

Eine Studie des grünen Verkehrsministeriums in Stuttgart kalkuliert Ersatzansprüche auf 350 Millionen Euro. SPD-Staatssekretär Ingo Rust äußert Zweifel an den Zahlen.

Rohre des Grundwassermanagements für das Bahnprojekt Stuttgart 21. Bild: dpa

NADINE MICHEL taz | Befürworter und Gegner von Stuttgart 21 streiten sich vor der Volksabstimmung über die Kosten für einen Ausstieg aus dem Bahnprojekt. Während die Befürworter mit den von der Deutschen Bahn genannten 1,5 Milliarden Euro argumentieren, hat Baden-Württembergs Verkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Donnerstag eine völlig anderslautende Studie veröffentlicht.

Sollten die Projektgegner die Volksabstimmung am 27. November gewinnen, müsse das Land Ersatzansprüche in Höhe von rund 350 Millionen Euro zahlen. Zu diesem Ergebnis kommt die vom Ministerium beauftragte Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Märkische Revision.

Im Gegensatz zur Bahn hat sie etwa den Kostenanteil herausgerechnet, den die Stadt Stuttgart der Bahn für die frei werdenden Gleisflächen gezahlt hat, um diese zu bebauen. Die Bahn müsste die Summe zwar zurückzahlen, würde dadurch aber keinen Schaden erleiden, denn sie stünde nach der Rückzahlung genauso dar, als wenn es die S-21-Verträge nie gegeben hätte.

Die Stadt hingegen könnte sich über 708 Millionen Euro freuen. Auch berechnen die Wirtschaftsprüfer keine 194 Millionen Euro Ausstiegskosten für die Neubaustrecke nach Ulm. Denn das Land wolle die ICE-Trasse unabhängig von S 21 bauen.

Pläne für provisorischen Knast

Am Ende der Rechnung bleibt schließlich ein Betrag von 453 Millionen Euro Ausstiegskosten. Diese seien aber nicht gleichzusetzen mit den Ersatzansprüchen gegenüber dem Land. Denn die Bahn könnte beispielsweise nicht die Kosten in Rechnung stellen, die vor dem Zeitraum des Vertrauensschutzes angefallen sind, also vor entsprechenden festen Vereinbarungen. Das wären zwar Ausstiegskosten für die Bahn, diese müssten aber nicht vom Land bezahlt werden.

Der Staatssekretär für Finanzen und Wirtschaft, Ingo Rust (SPD), äußerte öffentlich Zweifel. Unter anderem wirft er Hermann vor, so zu tun, als könnte nur die Bahn Ersatzansprüche stellen. Dabei vergesse er die anderen Projektpartner.

Unterdessen sorgen in der S-21-Bewegung Pläne der Polizei für Ärger. Die Polizei will ein provisorisches Gefängnis aus Containern bauen, um dort gegebenenfalls bis zu 200 Personen in Gewahrsam zu nehmen. Die Ausschreitungen im Juni hätten gezeigt, dass die friedliche Stimmung kippen könne. Das Aktionsbündnis gegen S 21 sieht darin einen Versuch, vor dem Volksentscheid Stimmung gegen die Demonstranten zu machen.

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3 Kommentare

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  • V
    Viper

    Zitat von Heiko Höfle: Im Gegenteil: Stuttgart bekommt 740 Millionen zurück! Die Planungskosten für die Neubaustrecke dürfen ebenfalls nicht gerechnet werden, da diese auch ohne S21 gebaut werden kann - und die Volksabstimmung wird ausschließlich über den Bahnhof an sich gehalten!

     

     

    Sie machen genauso eine Milchmädchenrechnung wie der Verkehrtminister Hermann.Von wem bekommt denn Stuttgart die 740 Millionen ? Richtig, vom Land Baden-Würtemberg,also macht das Ländle 740 Millionen Euro Miese und bekommt nix dafür. Merke Stuttgart ist nicht gleich Baden Würtemberg.Die Neubaubaustrecke kann nach den derzeitigen Planungen und Verträgen NICHT ohne S21 gebaut werden. Die Volksabstimmung geht lediglich über die Kostenbeteiligigung und nicht über den Bahnhof an sich. Egal wie die Abstimmung ausfällt,die Bahn darf trotzdem bauen,wenn sie will. Hier gilt das Baurecht, das hat sogar Kretschmann erkannt.

  • K
    kaheins

    wir sehen die spd moechte der bahn moeglichst viel steuergeld in den rachen werfen ...so ist sie die spd ....die menschen die diesen quatsch bezahlen sollen sind der spd voellig schnuppe

  • HH
    Heiko Höfle

    Ingo Rust hat Unrecht. Er weiß das nicht nur, es kann sogar belegt werden:

     

    Auf der offiziellen Informationsseite zu S21 erklärt Bahn-Technikvorstand Volker Kefer persönlich, wie die 1,5 Milliarden zusammengesetzt sind:

     

    http://direktzu.de/stuttgart21/messages/31895

     

    740 Mio gehen zurück an die Stadt Stuttgart.

    115 Mio gehen zurück an den Flughafen.

    170 Mio Planungskosten für Neubaustrecke nach Ulm

    -------------

    1,025 Mrd

     

    Diese Summe mag die Bahn als Ausstiegskosten bezeichnen - uns Büger (und das Land) betreffen diese jedoch nicht! Im Gegenteil: Stuttgart bekommt 740 Millionen zurück! Die Planungskosten für die Neubaustrecke dürfen ebenfalls nicht gerechnet werden, da diese auch ohne S21 gebaut werden kann - und die Volksabstimmung wird ausschließlich über den Bahnhof an sich gehalten!

     

    Doch Ingo Rust und Claus Schmiedel zweifeln selbst die offiziellen Zahlen der Bahn an? Langsam machen die sich richtig lächerlich.