piwik no script img

Griechischer Aktivist über Krise"Es fühlt sich so an wie 1941"

Es wird keinen sozialen Konsens über die Sparmaßnahmen geben, sagt Aktivist Christos Giovanopoulos. Seine zentrale Forderung lautet: Raus aus dem Euro!

Kommunisten demonstrieren auf dem Syntagma-Platz in Athen. Bild: reuters
Frauke Böger
Interview von Frauke Böger

taz: Herr Giovanopoulos, Referendum, kein Referendum: Was ist da los bei Ihren Politikern?

Christos Giovanopoulos: Es herrscht große Unsicherheit. Auf der einen Seite ist den Machthabern klar, dass sie keinen sozialen Konsens erreichen können - egal wie sie entscheiden. Auf der anderen Seite ist der starke Druck der EU, von Deutschland und Frankreich, mit Bail-out und Haircut weiterzumachen.

Halten Sie diese Maßnahmen der EU für richtig?

Christos Giovanopoulos

42, ist Filmwissenschaftler und Mitglied der Kommunikationsgruppe der Empörten ("Indignados") vom Syntagmaplatz.

Selbst wenn sich die politische Führung Griechenlands dafür entscheidet, ist es zweifelhaft, ob sie die geforderten Maßnahmen überhaupt in die Tat umsetzen kann - und ob diese ausreichen. So müsste ein Haircut mehr als 75 Prozent umfassen, um sich auf die Praxis auszuwirken. Persönlich habe ich ohnehin eine ganz andere Meinung darüber, was passieren sollte.

Und die wäre?

Griechenland müsste die Zahlung aller Schulden verweigern und aus dem Euro aussteigen. Damit würde der griechische Staat seine Souveränität über seine Wirtschafts- und Finanzpolitik zurückgewinnen.

Der Ausstieg aus dem Euro würde eine Abwertung der eigenen Währung bedeuten.

Zumindest für eine gewisse Zeit, ja, aber das wird Zeit geben, um die Wirtschaft wiederaufzubauen. Das größte Problem sind nicht die Schulden, das größte Problem ist die Rezession: die hohe Arbeitslosenquote, die Umgehung von Steuerzahlungen und die Schließung vieler Betriebe. Die Summen, die der öffentliche Sektor verliert, sind immens.

Was halten Sie von Neuwahlen?

Ich glaube nicht, dass die eine Lösung bringen werden. Keine der Parteien, von den Kommunisten bis zur Ultrarechten, wollte das Referendum, weil es einen viel radikaleren Effekt auf das politische System ausgeübt hätte als Neuwahlen. Sie wollten keine klare Position zur EU, sie wollen Sitze im Parlament. Die Wahlen werden das Misstrauen und die Unzufriedenheit der Griechen und damit die Instabilität nur verstärken.

Sie hätten also ein Referendum zum Euro begrüßt?

Um das klar zu sagen: Ich würde mir einen Aufstand wünschen, der die Regierung stürzt und alle ihre Vertreter von der Bühne fegt. Gleichwohl war die Idee des Referendums so kritisch, weil alle, von Merkel und Sarkozy bis zum letzten griechischen Parlamentsmitglied, wussten, dass ein Nein zum Euro die Wirtschaftspolitik seit den fünfziger Jahren infrage gestellt hätte.

Im Sommer gab es starke Proteste; jetzt, wo die Lage noch kritischer ist, scheint sich die Bewegung zurückzuziehen.

Die Bewegung ist nicht verschwunden, auch wenn sie nicht mehr auf dem Syntagmaplatz in Athen ist. Es gibt zwei Formen des Ausdrucks sozialer Unruhe in Griechenland. Zum einen die dauerhafte Präsenz draußen, wie bei den "Empörten" oder wie beim Widerstand gegen die Invasion der Nazis. Es war der Protest, der Papandreou dazu gebracht hat, das riskante Manöver eines Referendums anzustreben. Die zweite Form findet an konkreten Orten statt - Arbeitsplätzen, Unis, Nachbarschaften, überall. Und das wird dafür sorgen, dass die Maßnahmen nicht zu verwirklichen sein werden. Zum Beispiel gibt es starke Institutionen, die den Athenern, die keine Eigentumssteuer zahlen wollen, rechtlichen Beistand anbieten.

Sie vergleichen die Politik der EU mit der Invasion der Nazis von 1941?

Für die Griechen fühlt es sich so an. Die gegenwärtige Situation ist natürlich nicht die gleiche, aber in einer Hinsicht halte ich sie für vergleichbar: Die EU ist ein wirtschaftlicher Superstaat, komplett undemokratisch, der alle Möglichkeiten nationaler Souveränität unterdrückt.

Links lesen, Rechts bekämpfen

Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

9 Kommentare

 / 
  • OO
    Oracle of Delphi b

    Die deutschen Politiker tragen den Euro vor sich her wie eine Monstranz - so als ob die europäische Idee sich mit der Pistole auf der Brust statt durch praktizierte Vielfalt und freiwilliges Zusammengehen verwirklichen könnte.

     

    Der Euro und die europäische Idee sind keineswegs identisch -

    lange vor der Einführung des Euros wurden die Währungen in Kerneuropa zu sehr stabilen Kursen untereinander gehandelt, aber die Finanzminister konnten wenigstens noch ab- oder aufwerten.

     

    Der Euro war schon immer ein Alibi für den Mangel an politischer Union und echter Demokratie; genauso wie der Beitritt armer Länder nichts anderes bedeutete, als vordemokratische Staaten ohne Verpflichtungen den großen Banken, Medienkonzernen wie der WAZ-Gruppe und Lebensmittelketten Westeuropas auszuliefern.

     

    Lokales Know-How hat sich dabei kaum entwickelt - Nokia hat jetzt auch in Cluj in Rumänien seine Show abgebrochen und zieht weiter, bald werden sie einen neuen Planeten finden.

     

    Das 'Mehr Europa' der Politiker ist hohl, es heisst nur, dass die Mitglieder des Clubs für ihre Pleite nicht haften wollen - nicht einmal für fast 20 Jahre Berlusconi!

     

    Haftung, Übernahme von Verantwortung auf der Ebene, auf der die Probleme entstanden sind, ist nirgendwo zu sehen.

    Stattdessen mehr Gipfel, weniger Demokratie, kein Referendum, Notlösungen ohne Strategie.

     

    Nach einem Austritt aus dem Euro wird die Drachma sich möglicherweise halbieren oder auf ein Drittel herabsinken -

    umso besser, denn die griechischen Schulden in Euro werden dann definitiv unbezahlbar und Banken, Versicherungen, Pensionsfonds, die sich eine goldene Nase an der Pleite verdient haben, gehen für die Zukunft leer aus.

     

    Wenn schon Ackermann möchte, dass GR den Euro beibehält - dann müsste eigentlich jeder wissen, wo es langgeht.

  • A
    andreas

    Sich erst Jahrzehnte durch die anderen EU Länder massiv subventionieren lassen und dann wenn die Kohle alle ist beschweren das gespart werden muß. Nicht schlecht :0/

    Jedes Land (außer bisher in der EU) kann nur soviel Geld ausgeben wie es einnimmt auf Dauer.

    Was auch sonst !?

    Berlin wird auch noch merken, daß es ohne die Bundesländer im Süden dieses Landes kaum ein paar Monate überleben könnte.

    Auf Kosten Anderer zu Leben gelingt eben nur eine Zeit lang, auf Dauer fällt das aber dem dümmsten Geber auf !

    Völlig egal ob Griechenland aus der EU und dem Euro(wo man sich ja eh reingemogelt hat)

    aussteigt es ist und bleibt pleite!!!

    Schuld daran sind weder Finnland, Malta noch Deutschland oder Frankreich...

  • GM
    Griechenland muss drin bleiben!

    Ich kann die Wut und Verzweiflung dieses Aktivisten gut verstehen und solidarisiere mich mit den begroffenen Griechinnen und Griechen.

    Es ist eine fiese Erpressung und perfide Strategie, mit drei Akteuren gleichzeitig anzugreifen: EU, EZB, IWF und bliateral Merkel BRD.

    Die griechische Bevölkerung hat keine Schulden bei uns, denn die Rüstungsgüter, Großwaffen haben sie seit den 80ern nicht bestellt.

    Die Deutschen Steuerzahler sind nicht Zahlmeister, sie profitieren von den Zinsen und den Transfers.

    Die Banken sanieren sich mit Hilfe der Euro-Zonen-Politik.

    NUR: Raus aus dem Euro wäre fatal für sie:

    die Drachme fiele ins tausendsel des heutigen Werts und die Schulden blieben in Euro bestehen.

    Es wäre mehr Elend.

    Klar kann die Währung abgewertet werden, das bringt aber nicht sein, keine 5%.

    Die Wirtschaft ist einfach schon zu zerrüttet.

    Griechenland sollte die Exporte aus Kerneuropa boykottieren und ihre Lebensmittel selbst produzieren.

    Es geht nicht allein um Staatsanleihen. Die Finanzmarktpolitik kann wieder zurückverlagert werden.

    Schluss mit der ERpressung, das Geld ist da"

  • E
    Europäer

    Anders als anno 41 haben die Griechen eine Möglichkeit des Widerstandes: Einfach aus der EU austreten!

     

    Also, warauf warten sie noch?

  • 5M
    5. mai

    Das waren Hans-Martins letzte Worte, bevor er sich im Kofferraum erhängte: "Was wollt ihr dennn? Zuerst habe ich für Adolf ihren Vorläufer und dann für Euch die EG aufgebaut"

  • K
    KFR

    Welche Demokratie bitte ? Selbst die so verherrlichte Antike war nichts Räte-republik und Oligarchie von Seilschaften.

     

    BTW: warum klappt der Hebel nicht ?

    Wer hat die Hebelgesetze erfunden ?

    Ein gewisser Arichimedes !

    Nationalität ?

    Grieche ! qed

     

    und sie konnten nicht mal die Akropolis wieder aufbauen, ist doch bezeichnend oder ?

  • S
    Silvia

    tja!so isset!der mann weiss wovon er redet...it ain't worth a thing,if it ain't got that swing...toatoatoatoatooooooo

    wat soll ich mich da über die paar rechten pappnasen aufregen,wenn ich doch weiss,wo die wirklichen extremisten sitzen?häh?abba diesmal wissen es sehr viel mehr menschen,als damals-viiiiiiiieeeeeel meeeeeehr!!!!!!!!!

  • P
    P.Haller

    Sehe ich genauso.

    1941 sind die Deutschen eben mit Waffen usw. eingefallen, heute wird das alles auf "elegante"

    Art und Weise erledigt. Die neuen Tyrannen Merkel und Sarkozy werden sich schon noch ihre europäischen Kolonien untereinander aufteilen.

    Ich frage mich bloss, warum das alles so still und leise über die Bühne gehen kann ?

    Haben wir inzwischen alle keinen Arsch mehr in der Hose ? Oder glauben wir, dass facebook das schon machen wird ?? Dumpfsinnigkeit kennt keine Grenzen!!

  • W
    Waldküre

    das will rössler auch