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Wahl in JamaikaErdrutschsieg der Sozialdemokraten

Entgegen aller Umfragen: Bei vorgezogenen Wahlen auf der Reggaeinsel verlieren die Konservativen. Deren Einbruch beschert den Sozialdemokraten die Regierungsverantwortung.

Viel Arbeit für Wahlsiegerin Portia Simpson Miller: Der Tourismus boomt, aber fast die Hälfte der Bevölkerung in Jamaika hat keinen festen Job. Bild: dpa

SANTO DOMINGO taz | Glaube versetzt Berge. Der tiefgläubige jamaikanische Ministerpräsident Andrew Holness hat kurz vor Jahreswechsel die bittere Erfahrung machen müssen, dass dies eine Binsenwahrheit ist. Nach nur zwei Monaten im Amt muss der 39 Jahre alte Adventist und Spitzenkandidat der konservativen jamaikanischen Arbeiterpartei Jamaica Labour Party (JLP) eine bittere Wahlniederlage hinnehmen und künftig die Oppositionsbank drücken.

Auch muss er mit der Schmach leben, dass er mit nur knapp zwei Monaten die kürzeste Amtszeit seit der Einführung allgemeiner Wahlen in Jamaika seit 1944 innehatte. Entgegen aller Umfragen und Expertenvorhersagen hat die sozialdemokratische Nationale Volkspartei, die People’s National Partei (PNP), die Parlamentswahlen für sich entschieden und nach dem vorläufigen Endergebnis 41 (2007 – 27 Sitze) der insgesamt 63 Parlamentssitze errungen.

Die Sozialdemokratin Portia Simpson Miller, die vor vier Jahren nach gerade mal einem Jahr ihr Amt verlor, wird neue Staatschefin. Noch in der Nacht zum Freitag räumte der Wahlkampfleiter die Niederlage der Arbeiterpartei ein. „Das Volk hat gesprochen“, sagte Karl Samuda. Ministerpräsident Andrew Holness wollte mit den um ein Jahr vorgezogenen Wahlen die Reggaeinsel, in der jährlich rund 20.000 Deutsche Urlaub machen, wieder in ruhigeres Fahrwasser bringen und seine Position sichern.

Im Oktober hatte der damalige konservative Regierungschef Bruce Golding überraschend seinen Rücktritt erklärt. Er übernahm damit die Verantwortung für eine der schwersten Krise des Landes und gab den Regierungsstab an seinen Bildungsminister weiter.

Bürgerkriegaähnliche Auseinandersetzungen

Golding reagiert damit – wenn auch zeitverzögert – auf die bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen im Mai 2010 in einer der Vorstädte der jamaikanischen Hauptstadt Kingston. 76 Menschen waren damals umgekommen, als die Polizei versuchte, einen der Drogenbosse des Landes, Christopher „Dudus“ Coke, festzunehmen und an die USA auszuliefern.

Tivoli Gardens war gleichzeitig der Wahlbezirk Goldings und „Duke“, wie sich herausstellte, ein überaus spendabler Unterstützer des Staatschef. Seit „Dudus“ Coke in den USA im Gefängnis sitzt und inzwischen, nach einer Absprache mit den US-Behörden, auch über Internas seiner finanziellen Unterstützung der jamaikanischen Politik erzählt, waren die Amtstage Goldings gezählt.

Nach Angaben der jamaikanischen Wahlbehörde beteilten sich nicht mal die Hälfte der 1,6 Millionen Stimmberechtigten am Urnengang. Das Land hat insgesamt 2,8 Millionen Einwohner. Die Kandidatin der sozialdemokratischen Volkspartei, Simpson Miller, die im Dezember 66 Jahre alt wurde, machte sich mit dem Wahlsieg ein nachträgliches Geburtstagsgeschenk.

Ihre Aufgabe wird allerdings nicht leicht sein. Seit einer Umschuldung muss die drittgrößte Karibikinsel für die Schuldenbedienung fast zwei Drittel ihres Staatshaushalt verwenden. Zwar ist die Wirtschaftslage im Gegensatz zu anderen Karibikinseln nicht schlecht, der Tourismus boomt und nach einem Einbruch sind auch die Deviseneinnahmen der im Ausland lebenden Jamaikaner wieder über zwei Milliarden US-Dollar gestiegen.

Aber fast die Hälfte der Bevölkerung hat keine feste Arbeit und muss sich mit Gelegenheitsjobs und durch die finanziellen Unterstützung von im Ausland lebender Familienangehörigen über Wasser halten.

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4 Kommentare

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  • M
    Marvin

    Un wat iss mit Homophobie?

    Ist da eine der Parteien 'n bisschen weniger krass dafür?

  • US
    Uli Schrag

    Lieber Hans-Ulrich Dillmann,

     

    Seit wann liegt Santo Domingo auf Jamaika??? Ich hoffe, die restlichen Informationen sind besser recherchiert als die einleitende Ortsangabe!

  • B
    Beate

    Erdrutschsieg bedeutet bei Wahlen mit überwätigender Mehrheit siegen.

  • AB
    Armin Burkhard

    Ihren Kommentar hier eingeben Erdrutschsieg? Was soll das denn bitte sein?