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Kommentar MedizinpfuschSchluss mit der Scharlatanerie!

Jan Feddersen
Kommentar von Jan Feddersen

Die alarmierenden Nachrichten über die mangelhaften Stents und Silikonimplantate zeigen: Es braucht demokratische Institutionen, die vor Medizinpfusch schützen.

A uf Anhieb passen diese beide tatsächlich alarmierenden Nachrichten der Woche nicht zusammen: Dass einerseits Patienten, die sich in ihre Hirngefäße sogenannte Stents haben implantieren lassen, auf dass die Gefahr eines Schlaganfalls sich verringere, häufiger starben, weil sie diese Metallröhrchen in sich trugen; dass andererseits Frauen, die sich ein Silikonpräparat zur sogenannten Brustverschönerung haben einsetzen lassen, Präparate eines Scharlatans verpasst bekommen haben.

Auf den zweiten Blick haben beide Fälle das wichtigste Problem gemein: Sowohl die Stents als auch die Implantate zur sogenannten Verschönerung wurden nicht von unabhängigen, das heißt immer auch staatlichen Instituten auf Wirksamkeit und Ungefährlichkeit hin untersucht. Im Falle der Stents fand die Prüfung innerhalb des medizinisch-industriellen Komplexes statt, für die Ästhetisierungsteile gibt es ebenfalls keine Instanz von Konsumenten, die die riskanten Silikonkissen hätten unter die Lupe nehmen können.

Beide Fälle eint, dass auf dem medizinischen Feld fehlt, woran es auch auf anderen Feldern mangelt: eine taugliche, nicht interessegeleitete Untersuchung durch ExpertInnen. Der Verbraucher, die Verbraucherin - sie stehen machtlos vor einem Gutachterwesen, das in einer Hinsicht die Belange der Medizintechnikfirmen faktisch schützt, in anderer die selbstverständlichen Wünsche nach einer vorzüglichen Güte der Präparate zur Voraussetzung einer Genehmigung für den Einsatz in der plastischen Chirurgie macht.

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Jan Feddersen

ist Redakteur für besondere Aufgaben in der taz

Die Gründe sind nicht samaritanischer Art: Die Stents für potenzielle Schlaganfallopfer wurden nicht hinreichend untersucht, weil die Not der möglichen Patienten zu drängen scheint; die schadhaften Silikonteile konnten in den Markt lanciert werden, weil bereits das Thema - die Ästhetisierung dessen, was die Natur nicht hergibt - mit Scham und Diskretionswünschen behaftet ist.

Die Medizintechnik vermag immer mehr zu heilen und zu lindern, und die Chirurgie der Verschönerung wird so gewöhnlich werden wie die Verkronung kariöser Zahnreihen. Deshalb braucht es vor allem verbraucherdemokratische Institutionen, die vor Pfusch und tödlichen Gefahren schützen. Und zwar ohne Rücksicht auf die Interessen eines Unternehmens, das seine Erfindung des Stents offenbar eilig profitabel machen wollte.

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Jan Feddersen
Redakteur für besondere Aufgaben
Einst: Postbote, Möbelverkäufer, Versicherungskartensortierer, Verlagskaufmann in spe, Zeitungsausträger, Autor und Säzzer verschiedener linker Medien, etwa "Arbeiterkampf" und "Moderne Zeiten", Volo bei der taz in Hamburg - seit 1996 in Berlin bei der taz, zunächst in der Meinungsredaktion, dann im Inlandsressort, schließlich Entwicklung und Aufbau des Wochenendmagazin taz mag von 1997 bis 2009. Seither Kurator des taz lab, des taz-Kongresses in Berlin,und des taz Talks, sonst mit Hingabe Autor und Interview besonders für die taz am Wochenende. Interessen: Vergangenheitspolitik seit 1945, Popularkulturen aller Arten, besonders des Eurovision Song Contest, politische Analyse zu LGBTI*-Fragen sowie zu Fragen der Mittelschichtskritik. RB Leipzig-Fan, aktuell auch noch Bayer-Leverkusen-affin. Und er ist seit 2011 mit dem in Hamburg lebenden Historiker Rainer Nicolaysen in einer Eingetragenen Lebenspartnerschaft, seit 2018 mit ihm verheiratet. Lebensmotto: Da geht noch was!
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5 Kommentare

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  • M
    Markus

    Ein peinliches "journalistisches" Niveau - einfach dumm, sachlich komplett falsch, sehr holprig geschrieben. Ich hoffe, dass der "Autor" dieses "Artikels" dafür nicht auch noch ein Honorar bekommen hat. Schlechter geht es echt nicht, da haben St. Pauli Titten News mehr Tiefgang. Und falls hier einer die St. Pauli Titten News nicht kennt: Das ist kein allzu anspruchsvolles Magazin, aber im Vergleich zu diesem taz-Artikel haben die Titten-News das Niveau des Ulysses.

  • I
    Implantat

    ION hats erfasst!

     

    wieso druckt taz wieder artikel aus der schülerzeitung?

    so schlecht geschrieben, zusammengestückelt und mit mieserablen wortschöpfungen "Verkronung!!" dem thema versucht, gerecht zu werden. es ist nur zu vermuten, was der "reporter für besondere aufgaben" im szenen-café eigenommen hat, während er versucht hat, sich seinen drink zu finanzieren.

    bitte ncht mehr!

  • I
    ion

    .... nachdem Frau H. Haarhoff und andere taz-Redakteure in den vergangenen Tagen/Wochen fast täglich (auch tages-synchron) von der Silikon-Front berichteten, gibt 's jetzt Herrn Feddersens´ Rundumschlag, der in grob vereinfachender 'Argumentation' alle (derzeit möglichen) chirurgischen Eingriffe in einen Topf wirft, umrührt und gefährlich simplifiziert behauptet: "Sowohl die Stents als auch die Implantate zur sogenannten Verschönerung wurden nicht von unabhängigen, das heißt immer auch staatlichen Instituten auf Wirksamkeit und Ungefährlichkeit hin untersucht."; Und in Bezug auf die nicht näher definierten Stents wird in dem Artikel-Potpourri leider nirgendwo erwähnt, worin deren vermeintlicher Mangel lag, aber: "eine taugliche, nicht interessegeleitete Untersuchung durch ExpertInnen." gefordert, als gäbe es keinerlei!

    Die auf der Hand liegende Intention der thematisch gebundenen taz-Autoren kulminiert in: "die Chirurgie der Verschönerung wird so gewöhnlich werden wie die Verkronung kariöser Zahnreihen."; Derlei Prognose mag sich für wahnhafte Gesellschaften als zutreffend erweisen - aber es besteht definitiv keinerlei Anlass die so genannten 'Schönheits'-operationen den medizinischen, chirurgischen Versuchen von lebens-rettenden / -verlängernden Massnahmen gleichzustellen; Und / oder die Erhaltung kariöser Zähne auf die Ebene von nicht medizinisch indizierten Tittenerweiterungen zu schreiben, ist nicht nur unzulässig, sondern "interessengeleitet", Herr Fedderesen. Vielleicht sollen dann die solidarisch aufgebauten, gesetzlichen Krankenkassen demnächst auch noch für Schäden durch unsachgemäß ausgeführte Eingriffe beim Frisör aufkommen?

    Gestern abend sah man im zdf bei Markus Lanz einen betroffen dreinglotzenden Prof. Dr. Peter Vogt, plastischer Chirurg, der entgegen der sonstigen Berichterstattung einfach behauptete, der für die Produkte der PIP zuständige deutsche Tüv (Rheinland) sei "schlicht und feinfach betrogen worden" - welch Wunder(!), wenn man seine Kontrollen bei einem Hersteller (mit krimineller Energie) immer vorher anmeldet! Als hätte sich der Tüv nicht auf dem freien Markt Implantate des Herstellers aus verschiedenen Chargen besorgen können, die er dann sachgerecht untersucht, analysiert.

    Die Berichterstattung und Tendenziösität der taz-Autoren in diesem Themenkomplex erscheint mir dann doch sehr dilettantisch, unrecherchiert oder wider besseres Wissen im Szene-Café auf dem Labtop zusammengetackert - "Schluss mit der" redakteurischen "Scharlatanerie" ("für besondere Aufgaben")!

  • AG
    Adi Golbach

    Die Spitze des Eisbergs ist das. Das gesamte sog. Gesundheitswesen ist strukturell völlig verkorkst. Ein durch massive Lobbyeinflüsse vergifteter Fluss. Es sollte besser "Krankheitswesen" heißen. Nicht minder schlimm geht es bei der Zulassung von Heilmitteln zu oder schon bei der Abgrenzung, was überhaupt ein Heilmittel ist. So werden z.b. kostengünstig hergestellte und erwiesener Maßen wirksame Vitaminpräparate durch absurde, nach vielen Studien im Ausland längst überholte Dosierungsvorgaben der Deutschen Gesellschaft für Ernährung in Verbindung mit hanebüschenen gesetzlich flankierten Vorschriften daüber, was nur in Apotheken verkauft werden darf (aber teilweise nur auf Einzelbestellung und bei individueller Nachfrage, also ohne dass die Präparate im Computer der Apotheke gelistet sein dürfen !) künstlich verteuert (bis zu Faktor 10 gegenüber Niederlanden)und durch weitere rigide Vorgaben behindert. Und Ärzte verdienen mehr daran, die Leute krank zu halten als sie gesund zu machen und sich darum zu bemühen, dass sie sich selbst gesund erhalten.

    Wie frustrierend muss das sein für die Leute, die in diesem System organisierter Verantwortungslosigkeit arbeiten und etwas im eigentlichen Interesse der Menschen verbessern wollen? Welche Partei traut es sich, die Herkulesaufgabe anzupacken und diesen gigantischen Saustall auszumisten?

  • R
    Randbemerker

    Naja, nicht das ich der Grundaussage widersprechen würde, aber die Darbietung ist mal wieder stark emetogen ( vulgo zum Kotzen).

    Vor vielen Jahren war es die taz, die einer linguistischen Studie über die Verwendung bestimmter negativ konnotierter Begriffe im Zeitungsdeutsch eine gewosse Öffentlichkeit verschaffte. Damals ging es um die auffallend häufige Kombination von negativer Begrifflichkeit in räumlicher und kontextueller Nähe zu nicht deutscher Herkunft beschreibender Begriffe (Drogengeld - Ausländer, türkischer Rausschmeisser etc.) besonders in der bürgerlichen Presse.

     

    Hier passiert gerade ähnliches! Seit dem Lied vom Dr. Eisenbart und früher ist Scharlatan wohl mit dem ärztlichen Beruf verknüpft. Pfusch (ohne den Zusatz "am Bau") assoziieren wohl auch recht viele Menschen mit ärztlichen Fehlverhalten.

     

    Nur, wo genau kritisiert der Kommentar ärztliches Verhalten?

    In der frühen flächendeckenden Übernahme nicht auf Langzeiteffekte untersuchter Techniken (Stents). Was aber wenn der Druck dazu auch aus der ach so informierten Öffentlichkeit kommt, die auch für ihren Medizinkonsum stets das neueste Gadget verlangt? Die Industrie "informiert" flächendeckend über die Innovation und am nächsten Tag will der mündige, googlegebildete Konsument dann die innovativste Behandlunf für sich und droht sofort dorthinzugehen wo er/sie bekommt was er will und gleichzeitig mit Klage und tripadvisor.

     

    Und die aufgeklärte Konsumentin, die sich von irgendwem oder was hat einreden lassen, das es ganz in Ordnung ist der Natur "etwas auf die Sprünge zu helfen" und deswegen einen billigen boobjob will. Wie macht man der klar, dass Qualität Geld kostet? Wo doch jeder weiss wie reich diese ÄrturInnen doch sind und da sollen die ruhig mal runter mit dem Preis sonst ersteigert man sich halt im Internet seine neue Oberweite bei irgend einem dubiosen Hinterhofschnitzer.

     

    Ach und da wären ja noch die sogenannten Krankenhausunternehmer, die versuchen noch ein klein wenig mehr shareholder value und Dividende und Bonus aus den Konsumenten zu quetschen und zunehmend medizinische Entscheidungen von sogenannten Managern treffen lassen.

     

    Aber solange man unterstellen kann, daß eigentlich die Àrztinnen und Ärzte schuld sind ist die Pressewelt ja in Ordnung...