UN-Menschenrechtskommissarin zu Syrien: "Todesschusstaktik" gegen Rebellen
Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, kritisiert die Gewalt in Syrien massiv. Diese sei "noch schlimmer geworden". Davon will das Regime nichts wissen.
GENF taz | Die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Navi Pillay, hat dem Regime von Syriens Präsident Assad vorgeworfen, mit einer gezielten "Todessschusstaktik" gegen Oppositionelle vorzugehen. In einer Rede vor der UN-Generalversammlung in New York kritisierte die Südafrikanerin am Montagabend zugleich das russisch-chinesische Veto gegen eine Syrien-Resolution des Sicherheitsrats.
"Die Führung in Damaskus geht mit Panzern, Artillerie und Scharfschützen gegen unbewaffnete Demonstranten vor, und ohne Warnung wird auf Menschen geschossen, die friedfertig für ihr Recht eintreten", erklärte die Hochkommissarin für Menschenrechte bei ihrem Auftritt vor der Generalversammlung.
"Art und Ausmaß" der von den Sicherheitskräften begangenen Taten zeigten, dass "seit März 2011 wahrscheinlich Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden". Mit ihrem Veto gegen eine Syrien-Resolution des Sicherheitsrates hätten Moskau und Peking das Assad-Regime noch ermutigt, kritisierte Pillay. Seitdem sei "die Gewalt noch schlimmer geworden".
Systematische Kampagne
Nach den Erkenntnissen der Hochkommissarin sind in Syrien "allein im letzten Jahr 5.400 Menschen ums Leben gekommen, vor allem Zivilisten und Soldaten, die nicht auf Zivilisten schießen wollten". Es sei praktisch unmöglich, diese Zahl zu aktualisieren, weil das Regime allen Beobachtern den Zugang verweigere, kritisierte Pillay. "Aber wir wissen, dass es jeden Tag mehr werden."
Die Hochkommissarin sprach von einer "großen und systematischen Kampagne der Aggression gegen Zivilisten" in Syrien. Es gebe "mehr als 18.000 Gefangene", für die kein Haftbefehl vorliege. Sie habe den UN-Sicherheitsrat aufgefordert, den Internationalen Gerichtshof einzuschalten.
Die Proteste gegen das Regime stufte Pillay als "weitgehend friedlich" ein, wobei der bewaffnete Widerstand in letzter Zeit aber zunehme.
Botschaft fühlt sich unschuldig
Syriens UN-Botschafter Baschar Dschaafari wies die Vorwürfe zurück. Sein Land kämpfe "nur gegen Terroristen". Der von der Arabische Liga vorgeschlagene Einsatz von UN-Blauhelmsoldaten zum Schutz der Demonstranten sei absurd: "Wir schicken ja auch keine Soldaten in die USA, um die Occupy-Wall-Street-Demonstranten zu schützen."
Zu einer Blauhelm-Mission der UNO wird es nicht kommen, da Voraussetzung hierfür die Zustimmung des Assad-Regimes und ein Waffenstillstand in Syrien wären. Das erklärten nach Russland und Chinas gestern auch die USA, die Türkei sowie Frankreich, Großbritannien und Deutschland.
Bei einem Treffen mit dem Generalsekretär der Arabischen Liga, Nabil Elarabi, am Dienstag in Berlin kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel weitere Sanktionen der EU an "zur Unterstützung des Kampfes gegen das Assad-Regime".
Merkel erklärte, die Arabische Liga habe zu Syrien eine "feste Haltung eingenommen, die deutlich auf die Menschenrechtsverletzungen durch die Regierung Assad" hinweise. Die EU unterstütze diese Haltung und werde sie durch weitere Sanktionen untermauern.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen