Solaranlagen im Westjordanland: Bulldozer gegen Hütten
Israel will von Deutschland mitfinanzierte Sonnenkollektoren abreißen. Die ersten Hütten von palästinensischen Hirten mussten schon dran glauben.
SAADET THALAH taz | Gegen halb elf Uhr morgens erklimmen die Beamten der israelischen Zivilverwaltung mit sechs Autos und zwei Bulldozern die kargen Hügel im Süden von Hebron. Das winzige Dorf Saadet Thalah ist ihr Ziel.
Ohne Vorwarnung und ohne den hier lebenden palästinensischen Hirten Zeit zu lassen, ihre Tiere aus den Ställen zu holen, lassen sie die Wellblechwände und Holzstützen einreißen. Noch Tage später liegt eins der Schafe dort, wo insgesamt vier unter den einstürzenden Latten ihren Tod fanden.
"Sie haben den Viehmist in unser Wasserloch geworfen", ist Dschamil Awad noch immer fassungslos über die Zerstörung seiner sechs Hütten und Ställe. "Das können wir nicht mehr trinken." Die Leute, die hier in Höhlen und Zelten leben, gehören zu den Ärmsten im Westjordanland. Das verschmutzte Wasserloch war nach regenreichen Monaten so voll wie seit Jahren nicht mehr. "Es sind über 500 Kubikmeter in dem Loch", schätzt Awad. "Wenn wir Wasser kaufen müssen, kostet uns jeder Kubikmeter 30 Schekel", also sechs Euro.
Schon vor acht Jahren hatte die israelische Zivilverwaltung, die über die Hälfte des Westjordanlands, die sogenannte C-Zone, kontrolliert, einen Abrissbefehl erlassen. Mit Hilfe der israelischen NGO "Rabbiner für Menschenrechte" legten die Hirten Einspruch ein. "Solange das Verfahren andauerte, sollten wir vor dem Abriss sicher sein", sagt Awad, der nun fürchtet, dass die Bulldozer zurückkommen könnten.
Das nächste Mal wären möglicherweise die Sonnenkollektoren dran, die seit einigen Monaten die Leute in dem Dorf mit Strom versorgen. Im Januar erreichte die Bauherren der Erlass, die Arbeit umgehend einzustellen. Im Lexikon der israelischen Zivilverwaltung ist das die Vorstufe zum Abriss.
Hinter einem einfachen Drahtzaun, der sie vor den Ziegen, Schafen und Eseln schützt, liegen die modernen Sonnenkollektoren neben einem der Zelte. Es ist die 16. Anlage, die die israelische Zwei-Mann-Initiative Comet-ME (Community Energy Technology in the Middle East) seit Ende 2009 in der Region aufgebaut hat. Die beiden Physiker zielen damit, laut eigener Definition, auf die "soziale und wirtschaftliche Stärkung" der Palästinenser in entlegenen Gebieten.
Strom für 500 Menschen
"Sechs der Anlagen unterliegen seit Anfang des Jahres dem Arbeitsverbot", sagt Elad Orian, einer der beiden Israelis. Die Stromanlage in Saadat Thalah stand kurz vor der Fertigstellung. Die Solarzellen arbeiten seit September, und die Einzelteile für ein Windkraftrad hätten nur noch zusammengeschraubt und verkabelt werden müssen.
Das Projekt stieß auf breite Unterstützung. Auf Vermittlung von medico international finanzierte das Bundesaußenministerium einen Großteil der Anlagen, die über 500 Menschen mit Strom versorgen. "Zehn weitere wären nötig", sagt Orian, um alle Dörfer in der abgelegenen Region zu versorgen. "Wenn ein Abriss droht, ist es schwerer, Spenden für die Finanzierung zu bekommen", fügt er hinzu.
Auch nach mehrmaligen Anfragen ist von der Zivilverwaltung keine Auskunft zu erhalten. Die Zeitung Haaretz zitiert eine Stellungnahme, derzufolge die Solaranlagen illegal seien und deshalb eine gerichtliche Order verfügt wurde, die "derzeit von den relevanten Komitees diskutiert wird". Die Bundesregierung macht Druck. Das Thema war Teil der Gespräche, die Bundesaußenminister Guido Westerwelle vor drei Wochen in Israel führte. Mit 400.000 Euro ist die Regierung in Berlin an dem Projekt beteiligt.
"Was uns erschreckt, ist, dass unangekündigt Bulldozer kommen und anfangen zu wüten", sagt Luke McBain von medico international in Jerusalem. Damit sei klar, dass "das unserem Projekt auch passieren kann". Notfalls könnten die Anlagen wieder abgebaut werden, aber dazu bräuchte man Zeit. Gegen den Befehl zum Arbeitsstopp ist inzwischen Einspruch eingelegt worden. "Normalerweise werden solche Prozesse eingefroren", meint McBain, was hieße, dass die Stromanlagen nicht abgerissen werden. "Es gibt aber auch Ausnahmen."
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