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Grüne-Spitzenkandidatin Simone PeterMission einer Trümmerfrau

Simone Peter übernahm die saarländischen Grünen in einer schwierigen Situation. Jetzt wird der Machtkampf zwischen ihr und Landeschef Hubert Ulrich entbrennen.

Simone Peter hat die Führung der Partei unter schwierigen Bedingungen übernommen. Bild: dpa

BERLIN taz | Der Druck, der auf Simone Peter lastete, war enorm: Peter, 46, ehemals Umweltministerin und jetzt grüne Spitzenfrau im Saarland, musste verhindern, dass ihre Partei aus dem Landtag fliegt. Bei den Grünen brauste im Saarland angesichts der ersten Hochrechnungen Applaus auf. Fünf Prozent, das würde reichen. Doch dann wich der Jubel bedrückten Mienen.

Allen war klar: Ob Peter ihre Mission wirklich erfüllt hat, war noch nicht endgültig sicher. „Ich bin optimistisch“, sagte sie am Sonntagabend der taz. Am späten Abend war klar: Der Optimismus war berechtigt, die Grünen schaffen mit fünf Prozent gerade so den Einzug in den Landtag.

Doch das knappe Ergebnis belegt, wie schwer ihre Aufgabe war. Die Grünen sind im Saarland traditionell nicht so stark wie anderswo – zu bestimmend waren hier Jahrzehnte der Kohleabbau und die Stahlindustrie. Auch bei den Wahlen 2009 schaffte die Ökopartei gerade knapp sechs Prozent. Entscheidend aber ist etwas anderes: Peter übernahm die Partei in einer schwierigen Situation. Sie ist, wenn man so will, eine Trümmerfrau.

Endergebnis

Laut vorläufigem amtlichen Endergebnis kommt die CDU auf 35,2 Prozent der Stimmen (Ergebnis 2009: 34,5). Die bislang oppositionelle SPD gewann rund sechs Punkte auf 30,6 Prozent (2009: 24,5). Die Linke mit Spitzenkandidat Oskar Lafontaine verlor gut fünf Punkte auf 16,1 Prozent (2009: 21,3). Die FDP stürzte desaströs auf 1,2 Prozent ab (2009: 9,2). Die Grünen schafften mit 5,0 Prozent gerade noch den Einzug in den Landtag (2009: 5,9). Die Piraten erreichten 7,4 Prozent und ziehen damit nach Berlin im September ins zweite Landesparlament ein. (dpa)

Um dies zu verstehen, ist ein Ausflug in die Geschichte der Saar-Grünen notwendig. Denn der starke Mann im Landesverband hieß und heißt Hubert Ulrich. Der Landeschef gilt als Ingenieur der im Januar geplatzten Jamaika-Koalition. Im Herbst 2009 entschied sich Ulrich als Königsmacher gegen eine rot-rot-grüne Koalition unter SPD-Mann Heiko Maas und für das Bündnis aus CDU, FDP und Grünen. Seit diesem Schachzug galt das Verhältnis zwischen Ulrich und Maas als zerrüttet. Der SPDler hatte der Partei deshalb signalisiert, dass Ulrichs Dominanz ein Problem für Rot-Grün sei.

Die Grünen krebsten seit dem Bruch in Umfragen um 5 Prozent herum. In dieser Lage verzichtete Ulrich auf eine Spitzenkandidatur. Und schlug Peter vor. Die Parteilinke sollte richten, was sich Ulrich nicht mehr zutraute. Sie selbst ist sicher, dass der Jamaika-Bruch es den Grünen schwer gemacht hat. „Das Chaos hat auf uns abgestrahlt.“ Zudem sei die Zuspitzung auf die große Koalition vor der Wahl für die Grünen problematisch gewesen, sagte Peter. „Das Wechselwählerpotenzial war gering.“

Und sie machte klar: Wenn die Grünen im Landtag sitzen, will sie sich um den Fraktionsvorsitz bewerben. Der wirkliche Machtkampf zwischen Peter und Ulrich dürfte jetzt erst beginnen.

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8 Kommentare

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  • F
    Falmine

    Das grüne Grauen an der Saar hat einen Namen: Hubert Ulrich. Sein Rücktritt als Landesvorsitzender ist längst überfällig. Unter diesen Umständen ist es Simone Peter hoch anzurechnen, dass sie angetreten ist. Und die 5%-Hürde übersprungen hat. Nichts ist so schwer zu besiegen wie der Gegner in den eigenen Reihen. chapeau, Simone Peter!

  • S
    Saarbruecker2012

    Das grüne Ergebnis an der Saar hat vor allem lokale Ursachen. Das hat mit BW etc. aber auch gar nichts zu tun. Ich kann auch nicht die Meinung teilen, dass die Regierungsarbeit der Grünen schlecht gewesen sei - bis zum ende der Koalition lagen die Grünen in Umfragen bei 8 bis 9 Prozent.Bei diesen Umfragen wurde allerdings die Arbeit der beiden Minister klaus Kessler und Simone Peter bewertet - erst als mit der landtagswahl wieder der parteivorsitzende ulrich ins Bewusstsein der Bevölkerung rückte begann der Absturz. Und: ohne Simone Peter wäre der Absturz noch viel schlimmer ausgefallen.

  • D
    DaRe

    @tacko:

    "Bei einem Einzug der Grünen ins Parlament sieht Frau Peter die Aufgabe darin, Oppositionspolitik GEGEN die Grosse Koalition machen zu wollen.Ein eigenartiges Politikverständnis oder vielleicht das Prinzip einer GEGEN-Partei."

     

    Wenn Sie schon mit so großen Worten wie "Politikverständnis" um sich werfen, sollten Sie Ihr eigenes zumindest grob reflektiert haben.

     

    Die Aufgabe einer OPPOSITION (das kommt von "oppositio" = das Entgegengesetzte) ist es, die Regierung zu kritisieren und einen GEGENentwurf zu dieser bereitzustellen; also GEGEN die Regierungsparteien zu wirken.

  • T
    tacko

    Bei einem Einzug der Grünen ins Parlament sieht Frau Peter die Aufgabe darin, Oppositionspolitik GEGEN die Grosse Koalition machen zu wollen.Ein eigenartiges Politikverständnis oder vielleicht das Prinzip einer GEGEN-Partei.

  • K
    Kaboom

    Bei aller Sympathie für die Grünen: Im Saarland ist es ärgerlich, dass die 5%-Hürde genommen wurde. So etwas bestärkt grüne Parteifunktionäre, dass sie tun und lassen können was sie wollen, ohne dass dies relevante Effekte hat. Was die Grünen im Saarland seit der letzten Wahl produziert haben ist ein derartiger - sorry - Haufen Mist, dass es gut für den Landesverband - und die politischen Kultur der Grünen insgesamt - gewesen wäre, wenn sie an der 5%-Hürde gescheitert wären.

  • H
    h.morun

    An der Saar haben viele Wähler anscheinend noch die Baden Württemberg Wahl im Hinterkopf. Die Vollmundigen Versprechungen eines Herrn Kretschmann. Der sich nach der Wahl zum Lakaien der SPD gemacht hat. Diese Umfaller sind Deutschlandweit als Umfaller entlarvt und viele Wähler trauen den Grünen nicht mehr über den Weg. Was Fischer begann hat Kretschmann in Stuttgart fortgeführt. Afghanistan hat Fischer verbrochen und den grössten Betrug seit bestehen der BRD ( Bauskandal Schuttgart 21) hat Kretschmann zu verantworten.

     

    Linke scheinen die einzige Alternative geworden zu sein. Denn Grüne sind keine mehr.

  • R
    reblek

    Zwei Mandate - was für eine "Macht"!

  • T
    thbode

    Es gibt die großen Volksparteien CDU und SPD und es gibt die Anderen.

    Diese decken ab, und zeigen auf was die Menschen bewegt. Jenseits des zufrieden behäbigen "weiter so". Da sieht man also dass die Linke mit Abstand am Stärksten ist, dann Piraten, dann, gerade noch mit von der Partie, die Grünen.

    Als progressive-reformerische Kraft, als grüner Tiger sind sie vor Jahrzehnten gesprungen und heute als schlapper, grüner Bettvorleger gelandet.

    Leider finde ich das kürzlich geschossene Bild von Trittin, Künast, Roth und Özdemir nicht mehr, die auf der Bühne herumalbern, sich gegenseitig mit dem Handy knipsend. Das die Misere auf einen Blick enthüllt: Die chicen Klamotten und teuren Haarschnitte, die seichte selbstverliebte Fröhlichkeit, man glaubt alt gewordene Pennäler aus gutem Hause vor sich zu haben. Die Menschen im Land haben berechtigte Ängste und Fragen, die Umwelt ächzt global, das Wohlstandsversprechen für die Ärmeren ist gebrochen. Darauf werden Antworten erwartet. Glaubt denn man mit diesem abgebrühten, Marketing-getriebenen Gehabe, wie CDU und SPD sich für alle Zeiten einen Platz an den Fleischtöpfen der Politik gesichert zu haben? Die Gauck-Wahl war der bislang negative Höhepunkt dieses etablierten Bewusstseins.