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Die Vögel, der Hafen und das Geld

Beim Jadeweserport in Wilhelmshaven soll für sechs Millionen Euro eine Lärmschutzwand gebaut werden, um seltene Vögel vor dem Lärm einer Bahnstrecke zu schützen. Der Ornithologe Volker Moritz hält das für gut angelegtes Geld

Zum Schutz von vier seltenen Vogelpärchen muss beim Bau des Tiefwasserhafens in Wilhelmshaven ein Wall oder eine Lärmschutzwand um das Brutgebiet der Tiere errichtet werden. Die Vögel sollen damit vor dem Lärm der geplanten neuen Eisenbahnstrecke auf dem Voslapper Groden geschützt werden. Dazu sagt Niedersachsens Hans-Heinrich Sander von der FDP: „Ob das notwendig ist, weiß der Teufel.“ Ohne einen Schutz der seltenen Vögel sei es jedoch jederzeit möglich, den Bau des Hafens durch eine Klage zu stoppen.

taz: Ist es richtig, über sechs Millionen Euro in eine vier Kilometer lange Lärmschutzanlage zu stecken, um vier Rohrdommel-Paare zu schützen?

Volker Moritz: Umweltbelange kann man nicht in Cent und Euro aufwiegen. Die Ausweisung als EU-Vogelschutzgebiet bedeutet doch, dass der dem Tiefwasserhafen vorgelagerte Voslapper Groden auf hunderte Jahre hin ein Areal ist, auf dem vernünftiger Vogelschutz gemacht werden kann. Und das ist gut so.

Wie wichtig ist denn der Voslapper Groden für die Vogelwelt?

Schutzgebiete meldet man nicht wegen fünf Amseln und einer Kohlmeise bei der EU an. Das betroffene Gebiet ist nicht nur das bedeutendste Rohrdommel-Vorkommen Niedersachsens. Hier brüten auch Beutelmeisen, Blaukehlchen, Rohrweihen, Knäk- oder Löffelente. Über 1.000 Brutpaare siedeln sich hier jedes Jahr seit der Aufschüttung des Areals Anfang der 70er-Jahre hier an.

Umweltminister Hans-Heinrich Sander (FDP) zweifelt die Maßnahmen an. Es sei unklar, ob die Rohrdommeln überhaupt lärmempfindlich sind.

Darüber gibt es tatsächlich keine Untersuchungen. Es kann sein, dass die Rohrdommeln uns in zehn Jahren gewissermaßen den Vogel zeigen und das Gebiet trotz Lärmschutzwand oder wall meiden. Es kann auch sein, dass die Vögel im Winterquartier in Frankreich abgeschossen werden. Dennoch bin ich für die Lärmprophylaxe. Nach dem Bau des Jadeweserports sollen an dem Gebiet täglich 20 Güterzüge entlangrattern. Singvögel sind darauf angewiesen, dass ihre Gesänge von den Artgenossen gehört werden. Den Verlust der Bioakustik dürften sie als starken Verlust der Lebensqualität erleben. Entlang des Lärmkorridors von Autobahnen siedeln sich auch keine Singvögel an.

Durch Änderungen in der Planfeststellung wegen des Lärmschutzes dürfte sich der Baubeginn für den Jadeweserport erneut um drei Monate verzögern. Bremsen die Vögel das Wirtschaftswachstum?

Im Grunde ist der Umweltminister selber an der Verzögerung schuld. Er hat verschlafen, dass in seinen eigenen Behörden der Wert des Vogelschutzgebietes seit langem bekannt war. Erst als Brüssel mit einer Vertragsstrafe drohte, falls nicht gemeldet wird, hat Sander gemerkt, dass es brenzlig wird.

Wird das Vogelschutzgebiet in Zukunft eine Ausbreitung des Tiefwasserhafens behindern?

Die künftige Planung wird stets um das Gebiet herum verlaufen müssen. Vielleicht wird das für die Ansiedlung von Firmen rund um den Hafen nicht zu den kürzesten Wegen führen. Aber für den Erhalt der Natur ist das doch wirklich das kleinere Übel.

Fragen: Kai Schöneberg

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