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Kommentar UngarnManipulation nun etwas subtiler

Ralf Leonhard
Kommentar von Ralf Leonhard

Zensur in Ungarn findet im Verborgenen statt, Nachrichten werden an zentraler Stelle gesiebt. Aus wirtschaftlichen Gründen greifen Medien auf diesen „Service“ zurück.

D as Mediengesetz ist ein Kernstück der Reformen der Fidesz-Regierung unter Viktor Orbán. Es soll verhindern, dass die Medien die Regierung ähnlich brutal demontieren, wie sie es mit dem glücklosen Sozialdemokraten Ferenc Gyurcsány taten. Vor allem die elektronischen Medien sollen an die Kandare genommen werden.

Ungarns Regierungsvertreter verweisen gern darauf, dass sich die meisten Printmedien in privater Hand befinden und weiterhin kritisch über Orbán und seine Politik berichten. Und tatsächlich genießen Zeitungen und Zeitschriften noch etwas besseren Schutz.

Nach Protesten der EU wurden da kleine Zugeständnisse gemacht und auch die jüngsten, vor dem Verfassungsgerichtshof erstrittenen Modifikationen stärken das Redaktionsgeheimnis und schränken die Allmacht des Medienrats etwas ein.

privat
Ralf Leonhard

ist Österreich- und Ungarn-Korrespondent der taz.

Es stimmt auch, dass noch kein einziges Medium wegen Verstoß gegen das Mediengesetz bestraft worden ist. Die viel effektivere Zensur findet aber ganz anders, wenn man so will, subtiler statt. Nach der Entlassung von rund tausend Angestellten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkstationen will von den verbliebenen Journalisten keiner seinen Job aufs Spiel setzen. Ihnen wird signalisiert: Wer der Regierung huldigt, wird geschont, vielleicht sogar befördert. Professionelle, kritische Arbeit wird bestraft.

Die Nachrichten werden von einer zentralen Stelle gesiebt und redigiert. Jeder Sender kann darauf zugreifen. Angesichts der Personalnot und des Sparzwangs bleibt den meisten Stationen nichts anderes übrig. Irgendwann könnten auch die Privatmedien auf diese „Serviceleistung“ angewiesen sein. Denn die meisten kämpfen mit wirtschaftlichen Problemen. Wer könnte schon nachweisen, dass die Inserate staatsnaher Stellen aus politischen Gründen spärlicher werden?

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Ralf Leonhard
Auslandskorrespondent Österreich
*1955 in Wien; † 21. Mai 2023, taz-Korrespondent für Österreich und Ungarn. Daneben freier Autor für Radio und Print. Im früheren Leben (1985-1996) taz-Korrespondent in Zentralamerika mit Einzugsgebiet von Mexiko über die Karibik bis Kolumbien und Peru. Nach Lateinamerika reiste er regelmäßig. Vom Tsunami 2004 bis zum Ende des Bürgerkriegs war er auch immer wieder in Sri Lanka. Tutor für Nicaragua am Schulungszentrum der GIZ in Bad Honnef. Autor von Studien und Projektevaluierungen in Lateinamerika und Afrika. Gelernter Jurist und Absolvent der Diplomatischen Akademie in Wien.
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6 Kommentare

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  • AJ
    Arpad Jakab

    SgH Leonhard,

    Ich lebte 7 Jahre in der DDR, 3 in der BRD. Deutschland ist meinungsfreiheitlich "tote Hose", Zeitungen, hie und da......schade um die schönen Bäume in Finnland.

    Sicherlich müssen auch Journalisten ihr Brot verdienen, ein Bitterbrot ist das. Ich hatte 9 Kommilitonen zu Gast, 71-jährige. Ich dachte, endlich los von alten Zwängen, würden sie auch über was anderes reden, als ...wie war die Autobahn, wo waren wir in Urlaub, usw.. Nein, Ihr Volk ist mundtot, wir Intellektuelle wie Strassenmenschen fühlen uns noch frei, 1989 hat uns das gebracht. Klar, auf Druck von allen Seiten nimmt Orban den leichten und für jeden Machtpolitiker bequemen Weg und baut ab. Was er aber abbaut, ist die bei uns noch herrschende "DDR", ein Neutroczkysmus. Lieber eine neue, andersartige Diktatur, als die frühere, die ja zu nichts geführt hat.

    Wünsche noch, dass die in Dland herrschende Diktatur nicht schlimmer wird.

  • IK
    Istvan Kiraly

    Lieber Herr Leonard,

     

    würden Sie bitte die Leserschaft dieser Seite auch damit aufklären, dass es under der vorgänger Regierung nicht wirklich anders war?

     

    Bei jedem Regierungswechsel sind in der öffentlich-rechtlichen schwenkt das Programm hier um.

     

    In Deutschland haben über 70% der journalisten eher linksgerichtete Ansichten, entsprechend findet auch eine unterschiedliche Berichterstattung statt. Bitte auch die eigene Rolle und Positionen kritisch hinterfragen, gerade als linker ist man ja kritisch.

     

     

    Danke aber, das sie auf tendenziöse adjektive und andere Trickmittel im gegensatz zu vielen anderen Ihrer Kollegen verziechtet haben. Unter den linken blättern in Deutschland ist die TAZ und die mittlerweile auch leider die FAZ noch lesbar und lesenswert.

  • IS
    Isabell Speidel

    Interessant, das kennen wir anscheinend auch bei uns um so etwas feststellen zu können.

    Bei uns werden auch oft Halbwahrheiten verkauft und die politische Korrektheit siebt auch in unserem Land gewaltig. Beispiele könnte ich nun genug anführen doch fällt das unter "Verstoss gegen die Netiquette". Doch im Internet können wir freie Bürger uns GOTT SEI DANK bewegen und uns verschiedene Nachrichten zu eigen machen und uns dann selbst ein Bild machen und unsere Meinung bilden. Meinungen die vorgekaut werden müssen nicht geglaubt werden. Ungarn passt vielen nicht doch muss man gerechterweise auch sagen dass die linken dort abgestraft wurden weil sie korrupt waren und die Mächtigsten und Reichsten des Landes sich an der Spitze der Sozialisten befinden und vorher nur für sich Politik betrieben haben. Das erklärt auch die 2/3 Mehrheit für die Fidesz-Partei.

  • Z
    Zensur

    Bei uns findet eine solche Zensur nicht zentral gesteuert sondern breit gestreut statt. Man nennt es politische Korrektheit. Wer den Dogmen der 70er widerspricht verliert seinen Job und wird gesellschaftlich gebrandmarkt.

  • F
    fidel

    @chrisfre:

    seitwann braucht man für facebook spähsoftware. das ist doch die grösste datenschleuder die es gibt. wer so naiv ist, sich auf facebook rumzutreiben ist doch selber schuld.. selten so einen xxxxlichen kommentar gelesen.

  • C
    chrisfre

    Ergänzend dazu: Siemens hat (nicht nur) Ungarn Spähsoftware

    für/gegen facebook-Nutzer geliefert, die oppositioneller

    Meinungsäußerung Stasi-mäßige Kontrolle beschert hat.