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Günter Wallraff über iranische Repression"Die meinen es todernst"

Stille Diplomatie werde nicht weiterhelfen, sagt Günter Wallraff. Der Publizist fordert für verfolgte Künstler mehr Solidarität. Er unterstützt derzeit den bedrohten Musiker Shahin Najaf.

Der Rapper Shahin Najafi wird von islamischen Fundamentalisten bedroht. Bild: dapd
Daniel Bax
Interview von Daniel Bax

taz: Herr Wallraff, Sie kümmern sich jetzt um den Musiker Shahin Najafi, der aus dem Iran mit dem Tode bedroht wird. Was können Sie für ihn tun?

Günter Wallraff: Shahin Najafi hat sich an mich gewandt, und ich habe ihm meine Hilfe angeboten. Jetzt ist er an einem sicheren Ort, an dem schon Salman Rushdie einige Zeit verbracht hat. Wichtig ist, dass er jetzt eine breite Unterstützung bekommt.

Konnten Sie ihm da die richtigen Kontakte verschaffen?

Das kommt teilweise von selbst. Was die Medien betrifft, kann er sich nicht über mangelnde Aufmerksamkeit beklagen. Aber die Solidarität seiner deutschen Künstlerkollegen muss erst organisiert werden. Und ich warte noch darauf, dass sich mal eine Stiftung meldet, die ihm ein Stipendium anbietet, damit er seine Arbeit fortsetzen kann.

Gerade hat Shahin Najafi im Internet ein neues Lied veröffentlicht, in dem er seine Lage kommentiert. War das klug?

dapd
Im Interview: 

GÜNTER WALLRAFF, 69, ist Enthüllungsjournalist und Schriftsteller. Er hat sich schon früher für bedrohte Künstler wie Salman Rushdie oder Aziz Nesin eingesetzt. Er lebt in Köln.

Es gibt zwei Wege, mit so einer Situation umzugehen: Man kann sich zurückziehen und sich raushalten. Aber damit ermutigt man diejenigen, die einen mit dem Tode bedrohen. Rushdie hat es einst als den größten Fehler seines Lebens bezeichnet, als er auf den Rat der Sicherheitsbehörden hin nach Chomeinis Fatwa seine Haltung relativierte. Da wurde er erst recht attackiert.

Die andere Möglichkeit ist, sich nicht einschüchtern zu lassen. Shahin Najafi macht einfach seine Arbeit weiter. Das ist er nicht zuletzt auch denen schuldig, die sich im Iran auf ihn berufen. Die Ajatollahs und die, die hinter ihnen stehen, ehren ihn ja auf ihre Art. Es ist kein Zufall, dass es ausgerechnet ihn getroffen hat. Islamisten und Fundamentalisten jeder Couleur, die sich im Besitz der reinen Wahrheit wähnen, verstehen keinen Spaß, die meinen es todernst. Deswegen sind Auch-Satiriker wie Rushdie, der verstorbene türkische Schriftsteller Aziz Nesin oder eben Shahin Najafi für sie solche Hassobjekte.

Wie geht es jetzt für Shahin Najafi weiter?

Er hat Einladungen aus den USA und Kanada, dort kann er unter entsprechenden Sicherheitsvorkehrungen auftreten.

Shahin Najafi

Mit einem satirischen Song, den er im Mai im Internet veröffentlichte, hat der iranischstämmige Musiker Shahin Najafi im Iran den Zorn radikaler Kreise auf sich gezogen. Führende Geistliche haben dort inzwischen vier Todesdekrete gegen ihn ausgesprochen, ein Kopfgeld von 100.000 Dollar wurde auf ihn ausgesetzt. Najafi lebt seit 2005 als Flüchtling in Köln. In seiner Heimat war er Untergrundmusiker, seine Songs werden dort auf dem Schwarzmarkt gehandelt oder im Internet heruntergeladen.

Aus Deutschland noch nicht?

Bis jetzt noch nicht, da müssen erst die Voraussetzungen dafür geschaffen werden.

Was könnten Künstlerkollegen denn zum Beispiel tun?

Ein Solidaritätskonzert mit namhaften Künstlern wäre eine große Hilfe und Schutz für ihn. Er selbst ist sehr zurückhaltend, erwartet nichts und drängt sich keinem auf. Aber ich erwarte so etwas. Leider habe ich den Eindruck, dass sich gerade die deutschen Stars damit schwertun.

Warum?

Aus Desinteresse und Ignoranz? Aus falscher Rücksichtnahme? Aus bequemer Feigheit oder aus Gratisangst? Ich weiß es nicht, aber das geht einigen offenbar total am Arsch vorbei. Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Leider hat das Tradition. Als ich damals eine Solidaritätsaktion für Rushdie gestartet habe, da wollte ihn etwa die Lufthansa zuerst nicht fliegen. Erst als wir mit Zeitungsannoncen einen Boykott organisiert haben, haben sie nachgegeben.

Wie reagiert die deutsche Politik jetzt auf diesen Fall?

Einige Politiker haben sich schon zu Wort gemeldet. Aber hier sind unsere Spitzenpolitiker gefragt. Ein Außenminister darf hier nicht schweigen, wenn in organisierten Demonstrationen vor der deutschen Botschaft in Teheran die Auslieferung von Shahin Najafi verlangt wird oder ein Mitarbeiter des iranischen Generalkonsulats in E-Mails die Vollstreckung der Fatwas verlangt. Da muss der iranischen Botschafter einbestellt und zur Rede gestellt werden.

Vielleicht setzt die Bundesregierung bisher ja lieber auf stille Diplomatie?

Stille Diplomatie wird hier nicht weiterhelfen: Die Fatwas sind in der Welt, ein Kopfgeld ist auf ihn ausgesetzt. Soeben erst wurde im Iran ein Killerspiel ins Netz gestellt, in dem Najafi virtuell hingerichtet werden kann – ein „Training“, zu dem die staatliche Nachrichtenagentur FAR-News direkt aufruft. In anderen Foren wird ausführlich darüber diskutiert, wie man ihn am besten zur Strecke bringt. Das alles ist ernst zu nehmen, deshalb steht er unter Polizeischutz.

Wie, glauben Sie, könnte sich sein Fall zum Guten wenden?

Die einzige Hoffnung besteht darin, dass dieses Regime im Iran seinem Ende entgegengeht. Sonst wird es weitere Fälle wie den von Shahin Najafi geben. Er ist jemand, der diese Hoffnung am Leben hält. Genau darum ist er ja zur Zielscheibe geworden.

Das klingt pessimistisch.

Nein, denn dieses Regime ist überfällig. Der Iran hat eine mehrheitlich sehr junge Bevölkerung. Und die will in einem anderen, freiheitlichen Staat leben und sich nicht von finsteren Mullahs und religiös-faschistischen Revolutionsgarden, Geheimdiensten das eigentliche Leben verbieten und auf Dauer unterdrücken lassen. Davon bin ich fest überzeugt. Man muss den Angstmachern in diesem menschenverachtenden Regime zeigen, dass sie letztlich unterlegen sind, sich zum Idioten machen und das Gegenteil von dem erreichen, was sie beabsichtigen.

Sie selbst haben sich ja gerade mit einem großen Paketdienst angelegt, dessen Ausbeutungsmethoden Sie anprangern. Wie bringen Sie das alles eigentlich unter einen Hut?

Da überlege ich nicht lange, ich mache das gerne – solange die Kräfte reichen.

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15 Kommentare

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  • F
    Fatima

    Es ist nicht zu fassen, wie angeblich "linke" Zeitungen wie die "taz" und "aufgeklärte" Zeitgenossen jedem Lügenmärchen hinterherrennen, das über den Iran verbreitet wird, mit Ausnahme von "von Luetzgendorff".

    Merken Sie schlauen Leute alle eigentlich nicht, dass das alles Kriegspropaganda ist, wie jetzt auch gegen Syrien?

    Ich war erst kürzlich im Iran und habe nicht gesehen, dass die Iraner "gegen den Islam sind" wie "Der Denker" meint . Sie sollten erst denken, dann schreiben. Vor allem sich erst mal über die Geschichte Irans informieren, bevor Sie hier solche Unwahrheiten verbreiten, der Islam sei dort mit Gewalt verbreitet worden.

     

    Im übrigen gab es diese "Todesfatwa" gar nicht! Mal etwas von einem ausnahmsweise wirklich investigativen Journalisten, der sich nicht aufs Abschreiben und Nachplappern beschränkt:

     

    http://info.kopp-verlag.de/hintergruende/geostrategie/gerhard-wisnewski/rapper-najafi-angebliche-todesfatwa-war-gar-keine.html

  • BO
    best of

    Wenn ein Staat beliebig Kritiker weltweit als vogelfrei erklären kann, zeigt er damit, daß er als UN-Mitglied nichts von deren Menschenerklärung hält.

     

    Denn im Iran gelten bekanntlich nicht die allgemeinen Menschenrechte von 48, sondern die Scharia.

    Dies kommt in der Kairoer Erklärung von 90 zum Ausdruck, die von allen OIC-Staaten unterzeichnet wurde. Übrigens auch der Türkei.

     

    Mit den weltweit geltenden Mordaufrufen des Iran verstößt dieser klar gegen geltendes Völkerrecht, und gehört wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit vor den internationale Gerichtshof in Den Haag.

     

    Denn selbst bei Anwendung der Scharia gehört zur Anwendung der Todesstrafe ein dazugehöriges Gerichtsverfahren.

    Dies hätte aber nur nationale Bedeutung.Und nicht außerhalb der islamischen Welt, in der die Scharia keine Rechtskraft hat.

     

    Der absolutistische Anspruch des Iran, seine national geltende Scharia international anzuwenden, ist ein Weltverbrechen.

     

    Der Skandal ist, daß sich international niemand dagegen aus dem Fenster lehnt.

    Ein Spiegelbild der von Wallraff vermißten Unterstützung für den bedrohten Musiker Shahin Najaf auf nationaler Ebene.

  • DD
    Der Denker

    Die Iraner lehnen das faschistIsche Mullah Regime in Gänze ab. Weite Teile der Bevölkerung sind gegen den Islam aus zwei Gründen, zum einen wurde der Islam mit dem Schwert der Araber den Iranern aufgezwungen, zum anderen hatten die Iraner die letzten 33 Jahre zeit gründlich den Islam kennenzulernen. Wer zudem behauptet, dass die Wahlen im Iran frei wären, glaubt auch dass es Deutschland und dem Westen um Menschenrechte und Demokratie geht.

  • P
    Persien

    Danke Herr Wallraff das Sie sich Für Shahin und das gesamte iranische Volk einsetzen.Diese Mullahs werden schon sehr bald Geschichte sein.

  • C
    Claus

    "Und die gibt dieser Politik und Rechtsordnung ja seit Jahren in freien Wahlen ihre Zustimmung."

     

    Sollten nicht minimale Kenntnisse über die Umstände iranischer Wahlen eine Voraussetzung sein, um sich zu dem Thema zu äußern?

  • W
    wfb

    Was für ein Glück für Deutschland das es Herrn Wallraff gibt!

  • JG
    Jürgen Gojny

    Günter Wallraff ist zu 100 % zuzustimmen, was den notwendigen Untergang der iranischen Mullahkratie und seiner kriminellen Kollaborateure angeht, damit das iranische Volk endlich frei wird. Daß der wie immer mutige Publizist Wallraf mit seiner Solidarität bezüglich des bedrohten Musikers Shahin Najaf bis jetzt ziemlich allein steht, hängt leider damit zusammen, daß die politische Klasse und wichtige gesellschaftliche Kräfte in diesem unserem Lande lieber feige 'kritisch dialogen', auf die Handelsprofite mit den Mullahs schielen und sich mehr um die scheinbar makellose gesellschaftliche Multi-Kulti-Politur hierzulande sorgen, die durch das konsequente Antreten für den Verfolgten und der ausdrücklichen Benennung der Schuldigen einige kritische Fragen respektive Kratzer abbekommen könnte.

  • S
    Staatsbürger

    Wann bekommt Wallraff endlich das Bundesverdienstkreuz oder hat er es bereits? Was dieser Mann mit allen seinen Aktivitäten für die Zivilgesellschaft leistet ist nicht hoch genug einzuschätzen und sollte gesamtgesellschaftlich anerkannt werden!

  • A
    antares56

    Danke Günter Wallraff!

  • M
    m.hock

    "Schön,dass es noch ein paar Linke gibt,die ihrer verdammten Pflicht zum Widerstand gegen anti-aufklärerische Gefahren nachkommen..."

     

    Ich (M.H.) finde es auch bemerkenswert, dass von einigen sozusagen sogar "mit letzter Tinte" für die Aufklärung getrommelt wird. :o)

  • PT
    Peter T.

    Die Mordaufrufe haben eine lange jährige Tradition.

    Irgendwann sollten die Linken das 1400 jährige Buch

    einmal lesen. Vielleicht gibt es dann bald einen

    Aufkleber darauf: Achtung! der Inhalt könnte Ihren Mitmenschen schweren Schaden zufügen.

  • WE
    Wolfgang Ebel

    Journalisten wie Wallraff sind wichtig . . . nicht erst seit Watergate.

     

    Wer zu unhaltbaren Zuständen und Skandalen schweigt, macht sich mitschuldig und hat bereits einen großen Teil seiner Ehre verloren. Zu dieser Gruppe möchte ich nicht gehören.

  • L
    Luetzgendorff

    So wie der Iran ein Recht auf Atomkraft hat, ist es auch sein gutes Recht, seine Rechtsordnung so zu gestalten, wie es der Gesellschaft gefällt. Und die gibt dieser Politik und Rechtsordnung ja seit Jahren in freien Wahlen ihre Zustimmung.

    Es mag uns nicht gefallen, aber wir müssen akzeptieren, dass andere Gesellschaften sich andere Ordnungen geben.

    Außerdem sind Todesstrafe, Hexenverbrennungen, schwere Strafen für Gotteslästerungen usw. bei uns auch noch nicht so lange abgeschafft.

    Die Aufklärung ist halt auf andere Weise auch wieder ein Unterdrückungsinstrument geworden, um missliebigen Staaten unsere kapitalistische Weltordnung aufzudrücken.

    Schade, dass sich Günther Wallraff dazu hergibt. Mit links sein hat das nichts zu tun.

  • BH
    Bastian Himberger

    Ich gehöre nicht zu den kritiklosen Verehrern des Herrn Wallraff und aller seiner Werke.

    Aber sein Eintreten für Verfolgte verdient Hochachtung und Unterstützung.

    Das finde ich mutig und vorbildlich.

  • D
    D.J.

    Schön, dass es in Deutschland noch ein paar Linke gibt, die ihrer verdammten Pflicht zum Widerstand gegen anti-aufklärerische Gefahren nachkommen. Schade, dass dies keine Selbstverständlichkeit (mehr) ist. Dennoch mach dies Hoffnung, dass die Linken wieder zur Besinnung kommen.