Koalitionspanne beim Betreuungsgeld: „Jetzt bleibt länger Zeit für Diskussion“
Die Opposition hat mit einem Verfahrenstrick den Beschluss des Betreuungsgelds verzögert. Das war nötig, um mehr Zeit für Beratungen zu gewinnen, sagt Volker Beck.
taz: Herzlichen Glückwunsch, Herr Beck. Das war ein guter Tag für einen Parlamentarischen Geschäftsführer der Opposition, oder?
Volker Beck: Inwiefern?
Sie haben mit einem Verfahrenstrick im Bundestag die Abstimmung über das Ihnen verhasste Betreuungsgeld hinausgezögert.
51, ist parlamentarischer Geschäftsfüher der Grünen-Fraktion im Bundestag.
Da muss ich deutlich widersprechen. Wenn die Koalition eine Abstimmung ansetzt, muss sie sicherstellen, dass sie über eine eigene parlamentarische Mehrheit verfügt. Oder sie muss ihre Abstimmungsniederlage akzeptieren. Sonst kommt es eben zum Hammelsprung, und da muss die Koalition dann die Beschlussfähigkeit selbst darstellen, weil sonst die Sitzung beendet ist. Das hat Schwarz-Gelb beim Betreuungsgeld am Freitag nicht geschafft.
Dennoch: Sie und Ihr SPD-Kollege haben Ihre Leute gebrieft, bei einer Abstimmung über ein anderes Thema einfach vor dem Plenarsaal stehen zu bleiben. Die CSU nennt das „einen miesen Trick“.
Ich verweise auf die gesetzlich geregelten Grundrechte von Bundestagsabgeordneten. Sie sind nicht nur frei in ihren inhaltlichen Entscheidungen, sondern sie können auch frei entscheiden, ob sie überhaupt an Abstimmungen teilnehmen. Oder eben auch nicht. Und ich finde: Die Opposition ist nicht dafür verantwortlich, der Koalition bei diesem Gesetz zur Beschlussfähigkeit und zur Mehrheit zu verhelfen. Beim Betreuungsgeld werden wir an keinem einzigen Punkt helfen.
Aber nur wegen dieses abgesprochenen Fernbleibens war das Parlament beschlussunfähig – und die Koalition muss ihren Beschluss übers Betreuungsgeld bis September aufschieben.
Ich räume ein, dass wir unsere Abgeordneten vor der Plenumstür über die Situation aufgeklärt haben, um ihnen kluge Optionen aufzuzeigen. Wir haben heute eines sichergestellt: Das Parlament hat jetzt länger Zeit, um in Ruhe über dieses grundfalsche Betreuungsgeld zu diskutieren. Und die Koalition ist nun gezwungen, die gebotenen und notwendigen Beratungsfristen einzuhalten, statt das Gesetz hopplahopp durchs Parlament zu peitschen.
Aber dennoch wird das Gesetz kommen. Haben Sie nicht die internen Kritiker in der Koalition dazu gebracht, doch geschlossen dafür zu stimmen?
Ich bin kein Hellseher und weiß deshalb nicht, was nach parlamentarischen Beratungen am Ende herauskommt. Ich glaube, die Opposition hat auch im Interesse der Abgeordneten von Union und FDP gehandelt. Angesichts massiver verfassungsrechtlicher Bedenken gegen das Betreuungsgeld schützen wir sie davor, unbedacht und hastig ein gleich mehrfach dysfunktionales Instrument zu beschließen.
Links lesen, Rechts bekämpfen
Gerade jetzt, wo der Rechtsextremismus weiter erstarkt, braucht es Zusammenhalt und Solidarität. Auch und vor allem mit den Menschen, die sich vor Ort für eine starke Zivilgesellschaft einsetzen. Die taz kooperiert deshalb mit Polylux. Das Netzwerk engagiert sich seit 2018 gegen den Rechtsruck in Ostdeutschland und unterstützt Projekte, die sich für Demokratie und Toleranz einsetzen. Eine offene Gesellschaft braucht guten, frei zugänglichen Journalismus – und zivilgesellschaftliches Engagement. Finden Sie auch? Dann machen Sie mit und unterstützen Sie unsere Aktion. Noch bis zum 31. Oktober gehen 50 Prozent aller Einnahmen aus den Anmeldungen bei taz zahl ich an das Netzwerk gegen Rechts. In Zeiten wie diesen brauchen alle, die für eine offene Gesellschaft eintreten, unsere Unterstützung. Sind Sie dabei? Jetzt unterstützen